Doch noch eine Chance für die Liebe?

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Am nächsten Morgen erschien Bellamy nicht zum Frühstück. Doch das war vermutlich besser so. Dann musste ich ihm jetzt wenigstens nicht ins Gesicht sehen mit meinen verheulten Augen.
Trotzdem war die Stimmung noch immer angespannt. Octavia hatte den ganzen Morgen noch kein Wort gesagt. Sie starrte nur ihr Frühstück an und stocherte darin herum. Und mir ging es nicht wirklich anders. Ich hatte keinen Hunger und reden wollte ich erst recht nicht.
Auch Marcus und Aurora redeten nicht viel. Sie tauschten nur immer wieder verlegene Blicke.
Dann war Marcus der erste, der sich zu Wort meldete. „Clarke, ich weiß, wie hart das für dich sein muss. Und es tut mir wirklich leid, dass Bellamy dir das angetan hat. Ausgerechnet jetzt."
Ausgerechnet jetzt. Ausgerechnet jetzt, wo meine Eltern gestorben war. Aber Bellamy hatte mir gut getan. Er hatte mir geholfen, über den Verlust meiner Eltern hinwegzukommen. Aber hatte er das nur getan, um mich danach noch mehr zu verletzen? Ich hatte ihm vertraut. Das hatte ich wirklich. Doch die ganze Zeit über hatte er mich nur verarscht!
Und ich hatte niemanden, dem ich mich anvertrauen konnte. Bellamy's Eltern würden zwar sicher Verständnis dafür haben, aber es würde sie in eine schwierige Lage bringen, da Bellamy ihr Sohn war. Octavia verstand mich zwar auch irgendwie, aber er war eben ihr Bruder, den sie über alles liebte. Und meine eigenen Eltern waren nicht mehr da. Sie konnten mir nicht helfen, das alles hier durchzustehen. Dabei würde ich jetzt so gerne einfach nur in den Armen meiner Mutter liegen. Aber das würde ich wohl nie wieder tun können.
Natürlich gab es auch noch Harper und Raven, aber die beiden kannten Bellamy zu wenig, um mich wirklich verstehen zu können.
„Wir werden Bellamy sagen, dass er sich von dir fernhalten soll", meinte Aurora schließlich. „Einverstanden?"
Bevor ich etwas erwidern konnte, hatte Octavia schon das Wort ergriffen. „Ihr tut ja fast so, als wäre Bellamy ein Monster! Was er gestern gesagt hat, war falsch. Das ist mir auch klar. Aber ich bin mir sicher, dass keine böse Absicht dahinter war. Ich kenne meinen Bruder besser als jeder andere. Ich glaube, dass er einfach nur verwirrt ist von seinen Gefühlen." Dann sah sie mich an. „Du bedeutest ihm etwas. Das spüre ich."
Ich würde ihr wirklich zu gerne glauben, doch das konnte ich einfach nicht. Schließlich hatte ich gehört, was Bellamy gestern über mich gesagt hatte. So etwas würde er doch nicht sagen, wenn ich ihm etwas bedeuten würde. „Octavia, lass es. Ich hab genug gehört, um zu wissen, was er von mir hält."
„Sie hat recht, Octavia", pflichtete mir Marcus bei. „Bellamy ist zu weit gegangen. Und sobald er sich hier wieder einmal blicken lässt, wird das Konsequenzen für ihn haben."
Doch da schüttelte ich den Kopf. „Nein, das ist eine Sache zwischen mir und Bellamy. Ihr solltet ihn nicht bestrafen."
Aurora seufzte. „Wir werden sehen. Aber fürs erste können wir nur abwarten, bis er wieder da ist."
Ich hielt dieses Gespräch einfach nicht mehr aus. Gab es denn nicht vielleicht fröhlichere Gesprächsthemen? Seufzend ließ ich die Gabel auf den Teller fallen und stand auf. „Ich geh auf mein Zimmer und leg mich noch ein bisschen hin."
Plötzlich war es leise am Frühstückstisch, doch niemand machte Anstalten, mich aufzuhalten. Also ging ich nach oben in mein Zimmer.
Dort fiel mein Blick auf das Kreuz, das an der Wand hing. Wo meine Eltern jetzt wohl waren. Plötzlich liefen mir Tränen über die Wangen. Erst jetzt wurde mir bewusst, wie sehr ich die beiden eigentlich vermisste. Und wie sehr ich gerade mit ihnen reden wollte.
Doch wenn ich es mir so recht überlegte, konnte ich das ja auch. Ich konnte mit ihnen reden, auch wenn sie mir nicht antworteten.
Also holte ich tief Luft. „Hey Mum. Hey Dad", begann ich. „Warum muss das Leben nur so furchtbar unfair sein?" Ich schluchzte und plötzlich brach alles aus mir heraus. „Ich vermisse euch so sehr. Und ich kann es immer noch nicht richtig begreifen, dass ich euch nie wieder sehen werde. Warum könnt ihr nicht einfach wieder hier sein? Warum? Und als ob das nicht schon genug wäre, werde ich auch noch voll von diesem Bellamy verarscht! Leute, ich brauch euch. Ich brauche euch so sehr. Bitte kommt doch einfach zurück."
Dann brach ich weinend zusammen. Warum war dieses verdammte Leben nur so unfair? Warum konnte nicht ein einziges Mal alles glatt laufen.
Plötzlich hörte ich ein Klopfen. Doch es klang nicht wie das Klopfen an einer Tür. Verwirrt blickte ich mich um. Und da erblickte ich eine Person vor dem Fenster. Bellamy! Was machte der denn hier? Und wie war er überhaupt hier hoch gekommen?
Ich war mir unsicher, ob ich das Fenster wirklich öffnen sollte. Aber vielleicht sollte ich es tun. Nur um Bellamy nochmal so richtig anzuschreien.
Also ging ich zum Fenster und öffnete es. „Was willst du?", fragte ich mit kühler Stimme.
„Kann ich kurz reinkommen?", fragte er.
Zögerlich nickte ich. „Meinetwegen."
Also sprang er herein. „Ich hab echt scheiße gebaut", gestand er. „Was ich gestern gesagt habe, war echt fies. Und es stimmt nicht. Schließlich liebe ich dich. Aber ich weiß, dass das keine Entschuldigung ist. Deswegen lass ich dich ab jetzt in Ruhe. Ich verschwinde von hier. Für immer. Und für den Notfall weißt du ja, wo du mich findest. Aber sag meinen Eltern nichts. Ich will nicht, dass sie nach mir suchen."
Es klang tatsächlich, als würde er bereuen, was er gesagt hatte. Und er wirkte bedrückt. Und trotzdem konnte ich ihm nicht so recht glauben. „Mach was du willst. Es ist mir egal", behauptete ich. „Du bist mir egal." Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ich war einfach so sauer auf ihn.
Traurig nickte er. „In Ordnung. Dann geh ich jetzt wohl mal wieder."
Wortlos ging ich zum Fenster und hielt es ihm auf. Er ging an mir vorbei und würdigte mich keines Blickes. Er stieg auf das Fensterbrett und kletterte dann am Efeu hinunter.
Doch als er unten war, machte er keine Anstalten wegzugehen. Stattdessen lehnte er sich gegen die Hauswand. Was machte er denn da? Erst als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass er sich über die Augen wischte. Weinte er etwa?
Nein, ich durfte jetzt kein Mitleid mit ihm haben. Er hatte es schließlich nicht anders verdient. Aber was, wenn Octavia recht hatte und er wirklich nur verwirrt war?
Ich konnte es einfach nicht. Ich konnte ihn einfach nicht weinend da unten stehen lassen. Also lief ich die Treppe runter und stürmte aus der Haustür. Dann rannte ich zu Bellamy.
Als er mich verblüfft anstarrte, lehnte ich mich neben ihn an die Hauswand. „Ich weiß nicht, ob ich dir irgendwann verzeihen kann", meinte ich. „Aber ich glaube dir. Ich glaube dir, dass du nicht ernst gemeint hast, was du gestern gesagt hast. Und dass du - " Ich holte tief Luft. „ - dass du mich liebst."
„Danke", erwiderte er sichtlich erleichtert. „Das bedeutet mir viel."
„Also was ist? Kommst du mit rein?", fragte ich.
Er seufzte. „Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass das eine gute Idee ist. Denn jedes Mal, wenn ich in deiner Nähe bin, muss ich mich so sehr zusammen reißen, dich nicht zu küssen. Und der einzige Weg, das zu verhindern, ist mir einzureden, dass ich dich hasse. Aber das will ich nicht mehr." Beschämt blickte er zu Boden. „Sonst sage ich nur wieder so etwas zu dir wie gestern."
„Warum entscheidest du dich denn dann nicht dafür, mich zu küssen?", rutschte es mir heraus. Ich hatte das eigentlich gar nicht sagen wollen, da ich immer noch irgendwie sauer auf ihn war und nicht vorgehabt hatte, ihm so schnell zu verzeihen. Aber ich sehnte mich so sehr nach ihm.
Erstaunt blickte er mich an. „Willst du das denn?", fragte er vorsichtig.
Tja, das war eine gute Frage. „Ich weiß es nicht", gab ich ehrlich zu. „Du bist gestern zu weit gegangen und ich kann das nicht so einfach vergessen." Dann sah ich in seine wundervollen braunen Augen, die mich traurig anblickten. „Aber ich habe in den letzten Tagen eine Menge gute Seiten an dir kennengelernt, die ich zu schätzen und lieben weiß. Und dich...dich liebe ich auch." Ich seufzte. „Und dann kommt ja auch noch dazu, dass deine Mum uns mehr oder weniger verboten hat, zusammen zu sein."
Sanft nahm er meine Hände in seine. „Es ist mir egal, was meine Mum sagt. Wenn du willst, dass ich gehe, verschwinde ich. Aber wenn du willst, dass wir zusammen sind, bleibe ich bei dir. Und das mit meiner Mum werden wir dann schon noch irgendwie regeln können."
Tief in meinem Inneren wusste ich ganz genau, was ich wollte. Ich war mir nur nicht sicher, ob das auch das richtige war. Kompliziert würde es auf jeden Fall werden. Aber manchmal musste man etwas riskieren. Also drückte ich Bellamy's Hände ganz fest und sah ihm tief in die Augen. „Ich will dich. Koste es, was es wolle." Dann zog ich ihn an mich und begann, ihn leidenschaftlich zu küssen.
Zuerst schien Bellamy vor Überraschung gar nicht zu reagieren, doch dann erwiderte er meinen Kuss. Er schlang seine Arme um mich und schob mich immer weiter gegen die Hauswand. „Ich liebe dich, Clarke", brachte er zwischen unseren Küssen hervor.
„Ich dich auch", erwiderte ich und küsste ihn immer leidenschaftlicher. Ich hatte mich so sehr nach Bellamy gesehnt.
Doch plötzlich schob er mich von sich. „Wow, das war eine eindeutige Antwort", meinte er und lächelte verlegen. Dann wurde er ernst. „Aber solange wir keine Lösung wegen meiner Mum haben, sollten wir vielleicht nicht hier draußen rumknutschen."
Ich nickte und strich mir verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ja, da hast du wohl recht."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 10, 2018 ⏰

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