▷deux◁

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Erschöpft lies ich mich auf eine Bank fallen. Hoffentlich fanden mich meine Mitschüler nicht, sie würden es nur noch schlimmer machen. Vorsichtig zog ich mein Shirt hoch. Als meine Fingerspitzen meine brennende Haut streiften, zog ich scharf die Luft ein. An meinem Bauch leuchtete ein großer Bluterguss. Es schmerzte, fühlte sich an, als wenn mich ein Zug überfahren hatte. Und in diesem Moment gab es nichts, was ich mir mehr gewünscht hätte, als das.

Nach schmerzhaften 10 -oder vielleicht waren es auch 20- Minuten stand ich auf und schulterte meinen Rucksack. Ich versuchte, die Schmerzen zu ignorieren und ermutigte mich damit, dass ich sie gleich wiedersehen würde. Meine Liebe. Sie spornte mich an. Sie war der Grund, wieso ich mich zwang, schneller zu gehen und meinen Schmerz am ganzen Körper zu vergessen.

Meine Mutter war nicht zuhause. Es interessierte mich auch nicht, wo sie war. Sie würde schon zurück kommen. Meine Füße trugen mich wie von automatisch über den kalten Fußboden. Die Schuhe kickte ich von meinen Füßen. Der knallende Klang hallte in dem leeren Flur wieder. Mein erster Weg führte nicht in mein Zimmer, daran würde ich nicht einmal im Traum denken. Mit meiner Handfläche drückte ich die angelehnte Holztür auf, die einen lauten, knartschenden Ton von sich gab. Mit meinem Zeigefinger legte ich den Schalter um, und die kleine Glühbirne erleuchtete mein Piano. Es war schön. So still und gleichzeitig so voll von Musik und Klängen, die allein meine Gedanken berauschten.

Mit meinen Fingern fuhr ich sanft über die Tasten, spürte die glatte Fläche an meiner Haut, die ein Kribbeln durch meinen Körper schickte. Wie sehr ich dieses Gefühl liebte. Mein Piano war so hart von dem Holz, und trotzdem so weich zu fassen. Es war so kalt und trotzdem strahlte es eine gewisse Wärme aus, die mich wohl fühlen ließ. Nirgends fühlte ich mich wohler als in diesem Raum. Mein Piano war kein normales Piano. Es war zwar kein Lebewesen, kein Geschöpf, dass man versorgen musste. Doch es gab mir Gefühle, die mir niemals zuvor ein Mensch geben konnte. Liebe.

Ich hatte meinen Rucksack immer noch nicht in mein Zimmer gebracht. Der Drang, mich an mein Piano zu setzen und einfach meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, überwiegte. Meine Ohren hörten nur die einzelnen Klänge. Noten brauchte ich nicht, alles war in meinem Kopf. Wahrscheinlich war das auch das einzige, dass in meinem Kopf herrschte. Noten, Klänge, Musik, mein Piano. Was würde ich nur tun, wenn ich dieses wundervolle Ding irgendwann nicht mehr bedienen könnte? Durch einen Unfall, oder es ginge kaputt? Könnte ich mir ein neues kaufen? Nein. Das fühlte sich an, als wäre meine Frau gestorben, und ich hätte mir sofort eine neue geholt. Könnte ich mir Musik über das Internet anhören? Auch nicht. Es wären nicht meine Gefühle, die ich hören würde.


Die Kapitel bleiben so kurz ;) 

First love |  m.ygWo Geschichten leben. Entdecke jetzt