Teil 12

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Ich habe Angst. So schreckliche Angst. Was wenn er mich verrät, wenn sie nichts finden, aber so wieder auf meine Spur kommen? Es ist zu spät. Alle Beweise sind verschwunden. Alles was ich noch tuen kann ist hoffen. Ich könnte mit ihm zu einer Polizeistation fahren und ihnen dort alles erzählen. Alles könnte gut werden. Alles würde endlich besser werden. Oder es würde alles zerstören. Kann ich das riskieren? Will ich das riskieren?

"Kommst du?"

Er weiß nichts. Gar nichts! Man darf mich nicht hetzten. Ich will nicht hingehen. Es waren schon mal die Bullen da, da haben sie ein paar von den hübscheren vor geschickt und die haben kein Mucks mehr von sich gegeben. Drei Tage später wurde die Leiche einer jungen Frau im Wald aufgefunden. Es war das Mädchen, dass zur Polizei gerannt ist. Sie hatte mal einen Polizisten bei sich und vernünftig mit ihm geredet. Daraus wurde dann der Einsatz.

"Ich will nicht!"

An dem Tag habe ich die Hoffnung aufgegeben. Es ist zu viel passiert. Ich kann einfach nicht damit umgehen, dass ich meine neu gewonnene Freiheit aufs Spiel setzten soll. Nicht jetzt. Nicht an einem so schönen Tag. Ich habe mir vorgenommen später etwas auf den Balkon zu gehen und mich mit einer Ausbildung zu beschäftigen. Ich möchte nicht, dass Mio länger für mich aufkommen muss. Ihm soll es gut gehen, wenigstens ihm.

"Warum kannst du nicht einmal etwas für alle machen? Da sitzen immer noch so viele von deinen Freundinnen fest. Ihnen geht es schlecht. Sie wollen fliehen und können es nicht."

Er hat Recht und dann doch wieder Unrecht. Sie wollen nicht fliehen. Mir läuft ein kalter Schauer runter, bei dem Gedanken an diese leeren Augen. Oh nein, sie wollen nicht mehr fliehen. Sie verraten sich gegenseitig, schubsen sich durch die Gänge, stehlen und beschimpfen sich. Ich würde nicht mal sagen, dass es sich bei diesen Exemplaren noch um Menschen handelt.

"Sie leben nicht mehr!"

Was würde wohl passieren, wenn man sie einfach so freilässt. Wenn man ihnen eine Heimat gibt, Essen, Trinken und etwas Geld für die Ausbildung, was würde dann passieren? Sie würden es nicht verstehen. Sie verstehen nichts. Sie rattern nur das runter, was sie gelernt haben. Sie können nichts. Sie wollen nichts. Wenn sie nicht so gierig wären, dann wären sie die perfekten Haushaltshilfen und Lebensgefährten. Sie sind hübsch, jung und arbeiten, wenn man ihnen sagt was sie tuen sollen.

"Was redest du da? Natürlich leben sie noch! Du lebst doch auch."

Ja, ich. Lebe ich noch? Ich weiß nicht, ob man das noch ein Leben nennen kann. Ich weiß nichts, kann nichts und wäre ohne die Unterstüzunge der anderen total aufgeschmissen. Ich bin schon fast so wie diese Mädchen. Abhängig von einem Herren. Ich bin genauso wie sie zu einer Sklavin geworden.

"Lebe ich noch?"

Tomm versteht mich nicht. Ich verstehe ihn. Ich verstehe mich auch nicht. Es ist als, wäre ich jemand total anderes. Ich kann mich bewegen, durch die Gegend sehen. Tuen was ich will, doch ich fühle mich total antriebslos. Es ist fast als bräuchte ich jemanden der mir auf die Beine hilft.

"Natürlich lebst du noch! Du atmest, du lebst!"

Biologisch gesehen würde kein Artzt etwas an mir auszusetzten zu haben, aber ein Psychater würde wahrscheinlich durchdrehen. Ich bin ein Nichts. Nichts weiter als eine Haushaltshilfe. Eine ungelernte Kraft, mit enorm schnellen Fähigkeiten, zu lernen. Ich bin eine Sklavin. Und Mio ist mein Herr. Mein Herr ist nicht da, also werde ich mich an Tomm orientieren müssen.

Ich exsistiere um zu dienen.

Wie ich rauskam...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt