"Nein! Das kann nicht dein richtiger Name sein. Erkennst du mich den gar nicht wieder?"
Ich drehe mich hin und her und lege meine Hände auf die Glasscheibe, die mich von meiner Ex-Besten-Freundin trennt. Das kann es doch nicht sein. Ich habe sie vermisst, mir Sorgen gemacht und konnte nicht schlafen, aus Angst ihr würde etwas schreckliches passieren und dann erkennt sie mich nicht mal wieder.
"Ich habe dich noch nicht in meinem Leben näher kennen gelernt. Guten Tag."
Nein! Nein. nein ... Das darf einfach nicht sein. Ich erkenne sie doch. Ich lebe doch, denn die Scheibe beschlägt durch meinen Atem. Das darf einfach nicht sein. Ihre Augen sind nicht mal mehr leer. Das Wort Leer ist zu voll, um diesen Ausdruck zu beschreiben. Da ist einfach nichts mehr. Sie lernt eine Sprache nach der anderen, damit sie auch in jedem Land anerkannt wird. Und sie hat keinen Akzent, sie spricht auch keinen Dialekt mehr. Es ist vorbei.
"Es tut mir Leid, ich konnte dich nicht retten. Trotzdem, schreib mir doch ab und zu, wie es so in Japan ist."
Sie verbeugt sich ein kleines Bisschen und wendet sich ihrem Herren zu. Langsam lasse ich mich an der Glaswand runter sinken. Sie wurde einem Japaner zugewiesen, der sie jetzt betreuen soll. Alle die aus diesem Haus gekommen sind, werden jetzt wie Ailliens behandelt. Sie werden schamlos ausgenutzt und haben nicht mal den Willen etwas daran zu ändern. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass egal was ich tue, alles so passieren musste.
"Kopf hoch, das wird schon wieder."
Automatisch hebe ich meinen Kopf und stehe auf. Ich muss etwas dagegen tun. Ich kann nicht auch zu einem Forschungsobjekt werden. Ich muss etwas dagegen tun. Ich bin mir sicher, dass das nicht die einzige Anstalt auf dieser Erde ist. Es gibt irgendwo eine Organisation, die auf der ganzen Welt Sklaven produziert. Sie haben ja irgendwo Recht. Wozu Waisen, wenn das auch Sklaven werden können, doch was ist mit mir? Was ist mit denen, die irgendwo dazwischen verloren gegangen sind? Ich will keine Sklavin werden.
"Es ist schon irgendwie schockierend, was die alles mit sich machen lassen. Dabei sind sie alle so intelligent."
Intelligent? Wir haben also einen höheren IQ als andere? Das würde dann wohl einen Punkt erklären, nachdem alle Mädchen ausgewählt wurden. Ich glaube aber, dass es mindestens genauso viele Jungen gibt. Indien. Ich glaube, sehr viele kommen aus Indien. Wäre es nicht eigentlich meine Aufgabe sie zu retten? Ich kann sie nicht einfach alleine lassen. Das darf ich nicht. Aber mir fehlt die Energie weiter zu kämpfen. Ich schaffe es nicht mal etwas schneller zu laufen und mich neben Marie zu bewegen.
"Ist irgendwas? Du siehst so in Gedanken versunken aus."
Ich drehe meinen Kopf zu Mio. Mein Herr hat mir die Erlaubnis erteilt zu sprechen. Jetzt muss ich es nur noch über meine Lippen bekommen, ohne das er mich für verrückt hält, obwohl das wahrscheinlich eh schon alle tun. Ich bin verrückt. Schließlich rede ich schon mit mir selber. Das ist seltsam.
"Nun, es muss noch mehr von uns geben. Irgendwo in Indien, China, Amerika."
Er bleibt stehen, dann dreht er sich auf dem Absatz um und rennt auf einen Mann zu. Der Mann scheint nicht besonders erfreut über die Neuigkeiten und kommt sofort zu uns. Es scheint etwas wichtiges gewesen zu sein, denn die beiden kommen mit schnellen Schritten auf uns zu. Marie greift nach meiner Hand. Seid wir vom Geheimdienst überrascht worden sind, ist sie nicht mehr so entspannt wie vorher.
"Du vermutest, dass es noch mehr Lutkas gibt? In Indien?"
Lutkas. Ok. Bin ich auch eine Lutka. So viel ich weiß heißt das Puppe. Ich weiß nicht mehr, welche Sprache das ist, aber wir haben das mal gelernt. Wir hatten oft Sprachunterricht. Öfter als Mathe oder Chemie. Dumm sind wir trotzdem nicht. Aber ich möchte keine Lutka sein. Ich möchte frei sein. Ich bin eine Lutka. I'm a Lutka. Ich kann es nicht mehr ändern.
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Wie ich rauskam...
RomanceIhr wisst gar nichts, gar nichts, über mich, aber bitte rettet mich!!