1. Kapitel

1.6K 98 14
                                    

Arianna

"Arianna!", hörte ich meinen Vater von unten schreien.

"Arianna?!", rief er erneut und nun schwang Verzweiflung mit in seinem Ton.

Stöhnend richtete ich mich in meinem Bett auf und öffnete langsam die Augen.
Mein Blick fiel auf den Wecker, auf meinem Nachtschrank, neben meinem Bett.

02:47 Uhr.
Früher als sonst.

Als mein Dad erneut nach mir rief, gab ich mir einen Ruck und schwang mich aus meinem Bett.

Ich atmete einmal tief durch, um mich auf das vorzubereiten, was mich gleich erwarten würde.
Dann setzte ich mich in Bewegung und glitt sanft die Treppe hinunter.

"Dad?", flüsterte ich.
Dieser lag bereits mit dem Gesicht nach unten auf der Couch und schnarchte laut.
Ich seufzte verzweifelt auf und rüttelte leicht an ihm.

"Dad?", wiederholte ich.
Als Antwort bekam ich nur ein Grunzen. "Paps...", murmelte ich beruhigend.
"Komm, steh auf und geh ins Bett!"

Keine Regung.

Ich packte meinen Vater an beiden Schultern und versuchte ihn hochzuhieven.

Da richtete er sich plötzlich von selbst auf und schaute mich an.
Seine grau-schwarzen Haare waren verwuschelt und schienen feucht zu sein.

Er trug noch immer seinen schwarzen Anzug, den ich ihm heute morgen rausgelegt hatte.

Außerdem hatte er tiefe Schatten unter seinen dunkelblauen Augen und über sein Hemd erstreckte sich eine Vielzahl an braunen Flecken.

"Lass mich los!", lallte er plötzlich.
Mir schlug eine Rauchfahne entgegen und ich rümpfte angewidert die Nase.

"Nimm deine Griffel weg!", forderte er nun etwas lauter.
"Nein!", meinte ich bestimmt.
"Ich bring dich jetzt ins Bett. Du schaffst das nicht alleine!"
Wütend funkelte er mich an.
"Ich kann das alleine!", lallte er und setzte sich grunzend in Bewegung.

Augenblicklich ließ ich von ihm ab und beobachtete jede einzelne Bewegung, um im Notfall eingreifen zu können.
Mein Dad torkelte zuerst in Richtung Ausgang, anstatt zur Treppe, dann schwankte er plötzlich und versuchte irgendwo Halt zu finden. Dabei riss er laut brüllend die Tischdecke des Esstischs mitsamt der Dekoration und einer Schale herunter.

Erschrocken sprang ich zu ihm und versuchte ihn an der Schulter zu drehen.

Da schrie er plötzlich auf und drehte sich wutentbrannt um.
"Lass deine klobigen Griffel von mir!", brüllte er. Ich betete, dass uns die Nachbarn nicht hörten.
"Sie sind nur billige Kopien! Du bist nur eine schlechte Kopie von IHR!"

Mir schossen sofort Tränen in die Augen.

Er redete von meiner Mutter. Sie war das Jahr davor gestorben.

Ich weiß... sehr dramatisch. Mutter tot, Vater trinkt seitdem... Als wäre das Leben als 16 Jähriges Mädchen nicht schon kompliziert genug.

Aber wenn man meine Mum erwähnte, traf man immer einen wunden Punkt.

Am liebsten hätte ich losgeheult und mich bei meinem Dad ausgeheult wie früher... Aber diesen Dad gab es nicht mehr.
Der Alkohol hatte ihn verändert.
Der Alkohol hatte mir auch ihn genommen.

Ich schluckte den fetten Kloß in meinem Hals herunter und legte meine Hände an seine Taille.
"Sooo", murmelte ich beruhigend.
"Ich bringe dich jetzt in dein Bett und du kannst dich dann etwas ausruhen okay?"

Mein Vater schluchzte und ließ sich nun, ohne sich zu wehren, von mir die Treppe hoch, in sein Zimmer führen. Als er endlich in seinem Bett war, zog ich ihm noch schnell die Schuhe aus und deckte ihn zu.

Ich konnte es nicht lassen, ihm noch einen kleinen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn zu geben, doch schlief er bereits tief und fest.

BodyswitchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt