12. Kapitel

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Arianna

Wir fuhren die ganze Nacht.
Ich konnte nicht schlafen, da ich von Kopfschmerzen geplagt wurde und Nathan ein sehr unentspannter Fahrer war.

Er bremste immer viel zu abrupt und verließ auf der Autobahn ab und an mal die Spur für ein Stück.
Ich wusste nicht ob es daran lag, dass er mit seinen 18 Jahren gerade mal Fahranfänger war, oder daran dass er mit dem neuen Körper noch nicht klar kam.

Er war schon sehr fertig, als wir zum rasten anhielten.

Wir waren den ganzen Tag gefahren.
Vorbei an großen Feldern und kleinen Städten.
Nun waren wir in einer ländlichen Region und die Sterne funkelten über unseren Köpfen.

"Wunderschön", murmelte ich.

Nathan lächelte und packte aus seinem Kofferraum die Chips und Schokolade aus, die er an der Tankstelle gekauft hatte.

"Davon werden wir aber nicht satt.", lachte ich.

Nathan rollte mit meinen grünen Augen.
"Ich hatte Appetit drauf.", murmelte er.

Ich lachte. "Nein. Du hast einfach nur deine Tage."

Er schaute mich böse an, worauf ich nur noch mehr lachen musste.

"Wer hätte gedacht, dass es in einem Mädchenkörper so schwer sein könnte..."

"Wem sagst du das. Jungskörper sind genau so kompliziert.
Ich hab ziemlich lange gebraucht um raus zu finden, wie ich am besten auf Klo gehe.

Obwohl das teilweise einfacher ist als als Mädchen. Vor allem auf öffentlichen Toiletten."

Nathan verzog das Gesicht, bei der Erinnerung daran, wie ich ihn angefahren hatte sich auf der öffentlichen auf gar keinen Fall hinzusetzen.

Dass es im stehen nicht gehen würde, hatte er aber auch nicht auf dem Schirm.
Also kam 10 Minuten später ein fluchender Nathan in einem 1.60m kleinen Körper zurück.

Nun lagen wir beide auf einer Decke auf der Motorhaube und schauten in die Sterne.

"Wollen wir jetzt über deinen Vater reden?", hörte ich plötzlich meine Stimme sagen.

Ich schaute weiter in die Sterne.

"Wenn wir dann über dein Problem reden.", murmelte ich.

"Ich habe kein Problem", entgegnete er. "Die Frau hat bullshit geredet. Warum vertraust du eigentlich dieser Irren?"

Ich schüttelte den Kopf.

"Ich vertraue nicht der Wahrsagerin.
Ich vertraue auf deine panische Reaktion, als sie meinte, du würdest etwas verheimlichen."

Dann schwieg er kurz.

"Es ist nichts. Lass und jetzt schlafen, damit wir bald wieder weiter können. Ich will so weit weg von Zuhause, wie es geht."

Da traf es mich wie ein Schlag.

Zuhause.
Mein Vater.
Was hatte ich getan?

Plötzlich durchströmte Panik meinen Körper.

"Wir müssen sofort zurück fahren!", schrie ich.

"Was ist denn jetzt los?", fragte er und schaute mich mit meinen großen Augen an.

"Ich muss zu meinem Vater! Ich kann ihn nicht einfach alleine lassen. Er würde es nicht überleben, mich auch noch zu verlieren. Oh Gott ich bin eine furchtbare Tochter."
Tränen überströmten Nathans Gesicht.

"Hey, hey", murmelte er sanft und nahm es in die Hände.

Er musste sich auf Zehenspitzen stellen, da ich so klein war und er so groß.

Er schaute mir tief in die Augen und ich hatte noch immer das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Nur hatte ich keine Kontrolle über mein Spiegelbild.
Da begann ich noch mehr Panik zu bekommen.

"Alles wird gut. Es ist richtig so.
Lass uns erst einmal schlafen und wer weiß, morgen sieht die Welt bestimmt wieder ganz anders aus..."

"Woher willst du das wissen?", schluchzte ich unter Tränen.
"Was wenn das ein dummer Zufall ist und wir für immer der andere bleiben?"

"Das wissen wir nicht", murmelte er beruhigend.
"Das wissen wir nicht." Er sagte er nun zu sich selbst, als versuchte er sich zu überzeugen.

"Lass uns bitte erst noch eine Nacht schlafen, bevor wir umkehren okay?"

"Aber mein Vater er..."

"Dein Vater wird schon alleine klar kommen. Er ist ein erwachsener Mann."

"Woher willst du wissen, dass er das kann?"

"Das weiß ich nicht, aber wenn wir jetzt um 2 Uhr Nachts losfahren, wenn ich den ganzen Tag schon gefahren bin, kann ich dir nicht versprechen, dass wir klar kommen."

Und so klappte er die beiden Vordersitze ganz weit nach hinten, sodass wir darauf schlafen konnten.

Während ich versuchte einzuschlafen, begann ich auf einmal wieder heftig Kopfschmerzen zu bekommen und der Mond, den ich immer wieder zu fixieren versuchte, verschwamm vor meinen Augen.
Der Stress und die Müdigkeit machten mir scheinbar zu schaffen, also döste ich ziemlich schnell weg.

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Ich war wieder ich selber.
Ich schaute auf meine blau lackierten Nägel und drehte und wendete meine Hände.

Ich war wieder ich selbst!

Ich fing an zu lachen und machte einen Freudensprung.
Doch erstarrte ich, als ich bemerkte, dass ich nicht landete.

Ich fiel.
Und fiel.
Und fiel.
In die Dunkelheit.

Meine Hände versuchten nach etwas zu greifen, nur war um mich herum nichts außer Dunkelheit.

Es fühlte sich an, wie eine Ewigkeit, in der ich nur fiel.

Als ich endlich unten ankam zerschmetterte ich wie eine Vase auf dem Boden.

Meine Gliedmaßen lagen über den gesamten Boden verstreut.

Ich wimmerte. Es war dunkel.
Das bisschen Licht, was von einer kleinen Glühbirne an der Decke ausging, ließ die Ecken des Zimmers erkennen.

Aus den Ecken begannen Schatten zu kriechen.
Sie krächzten und kreischten.

Ich schrie.
Meine Schreie hallten von den Wänden zurück und verstummten nicht mehr.

Ich schrie erneut doch es war so laut, es übertönte nicht das hallende Geschrei.

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Schweißgebadet wachte ich auf.
Es war wieder hell.

Mein Kopf pochte unerträglich.

Ich öffnete die Autotür und übergab mich auf die asphaltierte Straße, auf der wir parkten.

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