Kapitel 26

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(Lied anhören, während ihr lest! Bittebittebitte! :))

"Können wir nicht einfach anfangen?", fragte Kilian genervt. Damit fing er sich einige irritierte, aber auch anerkennende Blicke ein.

Loki lächelte, aber seine Augen machten deutlich, wie sehr er uns verabscheute.
"Nichts dagegen, aber ihr müsst verstehen, dass wir noch auf jemanden warten."

"Auf Thor, damit er dir die Hölle heiß macht?", fragte Philipp bissig.
"Quatsch, dafür ist seine Tochter zuständig!", erinnerte ich ihn. Blöder Witz, ja, aber ehrlich, ich hätte jede Gelegenheit zur Auflockerung der Situation genutzt. Loki zog bei der Erinnerung an seine Tochter Hel, die Göttin der Hölle, eine Grimasse. Ehrlich, die Familie dieses Typs war ein komischer Haufen. Mit der Hälfte war er ja nicht einmal verwandt... Jep, da waren die Kopfschmerzen. So langsam konnte ich Percy verstehen... okay, falsche Götter, falsches Fandom.

Von hinten sah ich, wie Elrond sich leicht drehte, um mit Lindir zu sprechen und sich dann verwirrt umsah. Er zupfte Gandalf am Ärmel und schien ihn etwas zu fragen. Der Zauberer schüttelte den Kopf und ließ seinen Blick über uns schweifen.

"Wo ist denn Lindir hin?", fragte ich in die Runde, in der Hoffnung, dass jemand sich einen Reim auf sein Verschwinden machen konnte. Aber nein, niemand wusste wo er war, dabei war ich mir hundertprozentig sicher, ihn vorhin noch gesehen zu haben.

Selbstverständlich war Loki nichts entgangen. "Ooh, habt ihr jemanden verloren?", provozierte er. "Wird sich auf dem Weg hierher verlaufen haben."
"Was hast du mit Lindir gemacht?", fragte Elrond scharf.
Die Antwort blieb Loki ihm schuldig. Dafür kam Lena jetzt plötzlich eine Idee. "Er kann Illusionen heraufbeschwören, stimmt's? Vielleicht hat Lindir uns ja gar nicht begleitet?"

Könnte er ein Trugbild so lange aus so großer Entfernung aufrechterhalten? Alleine sicher nicht. Und wer hätte ihm denn helfen sollen, die Uruks?

"Ihr werdet ihn bald treffen", 'beruhigte' Loki uns. Na gut, immerhin lebte er. Und ich war stolz auf Loki. Fast hatte ich erwartet er würde antworten 'Ich habe seinen Horizont erweitert!'. Vielleicht wäre es ihm aber auch zu langweilig gewesen, sich selbst zu zitieren.

Ein paar Sekunden lang herrschte Stille. "Du könntest uns ja schon einmal verraten, auf wen du überhaupt wartest", schlug eine Stimme direkt hinter mir vor. Ich zuckte leicht zusammen und drehte mich um, nur um in den Genuss von Thranduils belustigten Lächelns zu kommen. Seit er aus dem Düsterwald zurückgekehrt war, war die Kälte aus seinen Augen verschwunden. Die Trauer allerdings war noch größer geworden.

"Das würde ja die Überraschung verderben", argumentierte Loki. Dann runzelte er leicht die Stirn. "So langsam sollte es aber tatsächlich-"  er stockte.

Nur Millisekunden später spürte ich es auch. Es fühlte sich an, als würde sämtliche Luft in der Umgebung eingesogen, auf einen Punkt in der Mitte Mithlonds zu. Als wäre dort eine Art Vakuum entstanden. Dann breitete sich aus der Mitte der Stadt eine Art Staubwolke aus. Sämtliche Augen hingen an dem Staub, der umhergeschleudert wurde. Kein Ton war zu hören.

Bis, ohne Vorwarnung, ein lauter Knall ertönte, lauter als jedes Geräusch das ich je gehört hatte. Die Luft wurde mit so einer Kraft zurückgeschleudert, dass es jeden vom Pferd riss. Einige Türme der Hafenstadt brachen in sich zusammmen und die letzten Reihen der Uruks, der Stadt am nächsten, wurden von der Druckwelle zerfetzt wie Papier.
Bevor wir uns wieder aufrichten konnten, hatten sich die Pferde natürlich aus dem Staub gemacht. Ausnahmslos jeder lag auf dem Boden, alle versuchten in Erwartung eines Angriffs, sich so schnell wie möglich wieder aufzurappeln.

Jenni hustete, als sie versuchte etwas zu sagen. "Was- was zum Teufel war DAS?"
Loki, obwohl er es nicht besser getroffen hatte als wir, lachte. "DAS war mein Stichwort."
"Was hast du getan?", flüsterte Gandalf sichtlich erschüttert.
"Das, was von euch auf Ea niemand hätte tun können!", verkündete er triumphierend. "Ich habe eure Götter ausgetrickst."

Der Zauberer wurde mit einem Schlag totenbleich. "Nein. Nein, so töricht würdest nicht einmal du-" er hielt inne, als Reihe um Reihe der Uruks sich gegenseitig beiseitedrängelten und -schubsten, um einen Weg freizumachen. Schweigend beobachteten wir das Schauspiel, niemand außer Loki und Gandalf wissend, was -oder wer- da auf uns zukam.

Schließlich teilte sich die letzte Reihe und heraus kam- Lindir. Er stolperte und fiel hin, richtete sich dann aber wieder auf.

"Lindir!", rief Elrond, erschüttert, seinen langjährigen Freund so zu sehen. Der andere Elb hatte aber keinen Blick für uns übrig. Er verbeugte sich vor Loki, der ihn ebenso gespannt beobachtet hatte wie wir.

"Ist es gelungen?" Einige Sekunden lang hingen Lokis Worte in der Luft wie Gewitterwolken. Eine Antwort bekam er jedoch nicht.

Denn als Lindir sich wieder aufrichtete, war klar, dass der Elb, der unser Lehrer gewesen war und mit dem wir uns angefreundet hatten, verschwunden war.

Um seine Augen herum konnte ich feine, schwarze Linien erkennen, wie Risse in der Haut sahen sie aus. Seine Lippen waren aufgesprungen und seine Körperhaltung hatte sich komplett verändert. Natürlich hielten Elben sich immer gerade, aber Lindir strahlte schon beinahe etwas königliches aus und nichts erinnerte mehr an den Elben, der sich gerade noch vor Loki verbeugt hatte.
Aber das Schlimmste waren seine Augen. Wo vorher noch ein warmes Braun gewesen war, da schimmerten sie jetzt wie flüssiges Silber. Sie waren grausam und kalt und schienen jeden von uns einzeln zu fixieren, bevor sie sich wieder Loki zuwandten. In dessen Gesicht wiederum spiegelten sich Triumph und grenzenlose Neugier.

Was hatte er getan? Ex-Lindir strahlte eine Macht aus, wie sie nicht einmal Gandalf oder Galadriel hatten. Apropos Gandalf- ich hatte noch nie so viel Hass in seinen Augen gesehen. Sein Gesichtsausdruck war fast beängstigender als der des Unbekannten. So viel Wut, Abscheu... und Angst.

"Es ist gelungen.", bestätigte der Neue. Seine Stimme war noch schlimmer als sein Auftreten. Sie war alt, uralt und schien merkwürdig nachzuhallen. Als hätte er sie seit Jahren nicht benutzt.

"Das hättest du nicht tun dürfen", flüsterte Thranduil in maßlosem Entsetzen.

Und im selben Moment wusste ich, wer da vor uns stand. Ich erinnerte mich zurück an diesen Tag vor Monaten, an dem uns unsere Lehrer zum ersten mal die Geschichte ihres Zusammentreffens mit Loki erzählt hatten. Jeder hatte angenommen, Sauron und Loki hatten damals zusammengearbeitet, um dann nach dem Sieg Mittelerde unter sich aufzuteilen. Nach dem Sieg für Mittelerde und dem erneuten Auftauchen des Eisriesen hatten sie angenommen er würde einfach versuchen, sein Ziel auch ohne Sauron zu erreichen.

Doch die ganze Zeit über hatte er nur Zeit geschunden, uns abgelenkt, hingearbeitet auf diesen einen Moment. Und niemand von uns hatte auch nur einmal über die größeren Zusammenhänge nachgedacht.

"Würde mir jetzt bitte einmal jemand erklären, wer das ist?", fragte Philipp ungeduldig.
Der Neue lächelte freudlos und erhob erneut die Stimme. Zu meinem Entsetzen kannte ich die Textstelle, die er zitierte.
"'Morgoth aber stießen die Valar durch das Tor der Nacht aus den Mauern der Welt hinaus in die Zeitlose Leere; und auf jenen Mauern steht eine ewige Wache, und an den Grenzen des Himmels wacht Earendil.' Ja, meine Brüder haben sichergestellt, dass keine Macht auf Arda mich zurückholen kann, genau wie es in eurem kleinen Buch steht. Aber sie waren zu naiv, wie immer."

Elbisch für AnfängerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt