Kap. 15: nächtlicher Ausflug

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Ich war lange nicht mehr so entspannt und so vergaß ich völlig die Zeit. Ich summte zu der Musik, die gerade im Radio lief und ließ mich einfach in der Wanne einweichen. Ich hatte gedacht, das ich noch eine Weile für mich allein sein würde und deswegen nicht die Türe abgeschlossen. Das erwies sich im Nachhinein als Fehler. Ich hatte wohl länger gebadet als gedacht, denn ich hörte meinen Bruder dir Treppe hoch kommen. Und wenn mich nicht alles täuschte war er nicht alleine. Da war es auch schon zu spät und er kam ins Bad. Vermutlich hatte er seine verschwitzten Sportsachen in die Wäsche bringen wollen und unsere Waschmaschine stand nun mal im Bad. Duschen taten die Jungs meist direkt nach dem Training vor Ort. >>Raus hier, Mark.<< Ich schmiss meinen Waschlappen nach ihm. Natürlich quetschte sich Carter nun auch in den Raum. Ich versuchte mit dem Badeschaum und meinen Händen meine Blöße zu bedecken. Carter schien nicht ein Mal unauffällig zu versuchen, mich zu Mustern. So ein Idiot. Da packte Mark seinen besten Freund am Kragen und zog ihn mit sich aus dem Zimmer. >>Tschüss, Mia!<< Rief dieser noch. Mein Bruder war genau so ein Riese wie Carter und so hatten sie nie Probleme damit gehabt, sich gegenseitig in Schach zu halten. Ich sah das ganze jetzt als Zeichen, mein Bad zu beenden. Ich schlüpfte in eine Jogginghose und ein lockeres T-Shirt und ging hinaus. Die Jungs hörte ich unten in der Küche werkeln. Mal sehen, ob sie es schafften etwas essbares auf den Tisch zu bringen oder ob wir doch lieber auf Mama und Papa warten sollten. Mein Bruder saß an der Küchentheke und Carter hantierte in verschiedenen Töpfen herum, die auf dem Herd standen. Also setzte ich mich neben Mark. >>Carter hat mich aus der Küche geworfen. Er meinte, ich bin eine Katastrophe.<< Ach, dass musste ihm erst sein Freund erzählen, damit er dies verstand? >>Mark, du kannst nicht mal Nudeln kochen. Oder soll ich dich erinnern was das letzte mal geschehen ist?<< Scheinbar nicht, wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deutete. >>Was machst du denn da, Carter?<< Er schien mich noch nicht bemerkt zu haben und drehte sich jetzt überrascht zu mir um. >>Ich mache einen Wildeintopf, dazu einen grünen Salat und zum Nachtisch einen Cranberry-Pie.<< Mark neben mir lachte. >>Toll, Carter. Du bist wirklich der Traum einer jeden Schwiegermutter.<< Diese Anspielung musste Carter natürlich annehmen. >>Ach Mark, mein Herz ist schon verschenkt. Da musst du dir einen anderen Kerl an Land angeln.<< Ich verdrehte aufgrund dieses Theaters meine Augen. >>Aber Carter, wie kannst du mir das antun?!<< Machte nun auch Mark mit. >>Jungs, ihr seid nicht witzig.<< War mein Kommentar dazu. Ich hätte besser einfach meine Klappe gehalten. >>Mia, verleumdest du uns?!<< Carter kam auf mich zu und viel vor mir auf die Knie. Manchmal glaube ich, die beiden werden nie Erwachsen. Als ich nicht reagierte kehrte Carter zu seinen Töpfen zurück. Da schienen Mama und Papa nach Hause zu kommen. >>Hier riecht es aber gut.<< Meinte Mama und kam strahlend in die Küche. >>Ach Carter, du bist ein Schatz.<< Grinsend streckte dieser meinem Bruder die Zunge raus, nachdem er meine Mutter zur Begrüßung umarmt hatte. Mein Vater klopfte ihm nur kurz auf die Schulter. >>Mark, Mia, ihr könnt ja wenigstens den Tisch decken.<< Mark salutierte vor unserer Mutter. >>Aye, aye, Madame.<< Also machten wir uns an die Arbeit. Das Essen war wirklich gut und es wurde ein lustiger Abend. Beim Abräumen des Tisches flüsterte Carter mir schnell etwas ins Ohr, damit es keiner mitbekam. >>Würdest du dich diese Nacht von mir entführen lassen?!<< Mehr sagte er nicht. Eine Antwort blieb ich ihm auch schuldig. Meine Neugierde war in jedem Fall geweckt.

Um zweiundzwanzig Uhr klopfte es an meinem Fenster. Ich hatte mir vor einigen Stunden extra eine robuste Jeans und einen dicken Pullover angezogen. Meine Jacke hatte ich auch mit in mein Zimmer geschmuggelt, schließlich wusste ich nicht, was Carter mit mir vorhatte. >>Na komm.<< Rief er und lockte mich aus dem Fenster. Er hielt unten die Leiter fest und versprach mir, dass mir nichts passieren würde. Wir liefen eine Weile, bis wir an seinem Auto ankamen. Wir stiegen ein und egal wie oft ich fragte, er verriet mir nicht, wo es hin ging. >>Wir sind gleich da, dann wirst du es ja sehen.<< Carter hatte die Autoheizung gut aufgedreht, deshalb zog ich mir nach und nach Schal und Jacke aus. Die Ärmel des Pullovers schob ich mir über die Ellenbogen. >>Da sind wir.<< Verkündete er und reihte sich in eine Schlange wartender Autos ein. >>Ein Autokino?<< Fragte ich ihn aufgeregt. Ich hatte noch nie eines besucht und war gespannt, was mich erwarten würde. Ein älterer Mann nahm das Eintrittsgeld von Carter entgegen und wir fuhren auf einen großen Parkplatz, auf dem sich die Autos gut verteilten. >>Für Proviant habe ich auch gesorgt. Er zeigte auf den Rücksitz, auf dem ich erst jetzt einen gut gefüllten Korb und eine Decke entdeckte. >>Machst du das öfter mit Mädchen?<< Fragte ich wahrscheinlich eine Spur zu neugierig. >>Nein, du bist die Erste.<< Das ich mich über die Aussage freute, muss ich wohl nicht erwähnen. Carter suchte den Sender, damit wir gleich auch etwas verstehen konnten, wenn der Film beginnen würde. Es handelte sich um einen älteren Film. Aber es ging ja mehr um die Atmosphäre und weniger um die Geschichte des Filmes. >>Dann bin ich ja mal gespannt.<< Und wie ich das war. Wir fanden ziemlich schnell heraus, dass der Film nichts für uns war. Wir kuschelten uns also auf die Rückbank und quatschten. Immerhin hatten wir ziemlich viel Spaß und unterhielten uns gut. Carter schaffte es, mich dauernd zum Lachen zu bringen und wir sprachen über allerlei lustige Geschichten unserer Kindheit. Ich erfuhr ziemlich viel neues, erfuhr aber auch Details der Geschichten, die ich schon kannte. Es war ganz lustig zu versuchen, Carters Blickwinkel zu verstehen und zu versuchen, sein und Marks Verhalten in gewissen Situationen nachzuvollziehen. Auch erklärte er mir, wenn es zu dem Geschenk kam, dass ich von Mark und Carter vor ein paar Wochen zum achtzehnten Geburtstag bekam. Es war ein Puck gewesen und den hatten sie nicht ein Mal eingepackt. Aber naja, so waren sie halt. >>Weißt du welchen Anblick ich nie vergessen werde?<< Ich schüttelte den Kopf. >>Naja, seid heute sind es eigentlich zwei.<< Sein Grinsen reichte mir aus, um mir die eine Sache gut vorstellen zu können. >>Du in der Badewanne...<< Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. >>Und du, wie du mit sechs Jahren, zwei geflochtenen Zöpfen und in Jungenkleidung in meine Schule kamst und mir mit großen Augen ins Gesicht geschaut hast. Da habe ich dich das erste Mal gesehen und geschworen, dich für immer zu beschützen. Obwohl du in Mark schon einen Beschützer hattest.<< Liebevoll lächelte ich ihn an. >>Da habe ich mich in dich verliebt.<< Und so rutschte mir heraus, wie lange ich schon auf diesen Idioten  stand. Sein selbstgefälliges Grinsen hätte ich ihm am liebsten aus dem Gesicht geschlagen. >>Eines Tages werde ich dich heiraten.<< Meinte Carter feierlich. >>Was macht dich so sicher, das ich Ja sage?! Und das mein Bruder dich vorher nicht verschwinden lässt?<< Er zog mich auf seinen Schoß, so das wir Brust an Brust saßen und er mir in die Augen sehen konnte. Ich sah in seine braunen. >>Erstens, ich biete dir keinen Grund, um Nein zu sagen. Und zweitens, ich brenne mit dir durch, wenn dein Bruder etwas dagegen hat.<< Hört sich nach einem Plan an. >>Aber erst mal küsse ich dich.<< Da konnte ich nicht Nein sagen.

>>Mia, was machst du da?<< Ich war gerade dabei, sein Hemd aufzuknöpfen. Irgendwie hatte uns beide die Leidenschaft übermannt und ich wollte einfach nicht aufhören. Mein Pullover lag auch schon irgendwo zwischen den Sitzen. >>Wonach sieht es denn aus?<< Fragte ich ihn und küsste ihn weiter. Er ergriff meine Hände und hielt sie vor seiner Brust fest. >>Warte mal kurz. Lass mich mal kurz zu Atem kommen.<< Er schien tief ein und aus zu atmen. Ihn hatte das hier auch nicht ganz kalt gelassen. >>Ich glaube, wir sollten besser damit aufhören. Lass es uns langsam angehen. Du musst dich zu nichts gezwungen fühlen, Mia.<< Er schien es Ernst zu meinen und das bestärkte mich in meinem Entschluss nur noch mehr. >>Carter, ich möchte das. Ich hatte genug Zeit, mir darüber im klaren zu sein, was ich möchte. Glaub mir. Ich möchte mich ganz mit dir verbunden fühlen. Das mit dir teilen. Außerdem werden wir uns bestimmt nicht mehr zusammen hinausschleichen können, wenn mein Bruder erst über uns Bescheid weiß.<< Carter schien mit sich zu kämpfen. >>Ich möchte es auch, Mia. Ich weiß aber nicht, ob es richtig wäre. Du bist noch so jung und dein erstes Mal sollte nicht in einem alten Pickup auf der Straße passieren.<< Na gut. So hatte ich mir das auch gewiss nicht vorgestellt. Aber Carter war immer Teil in meinen Vorstellungen. >>Carter, für mich fühlt sich das sehr richtig an. Du kannst mir jetzt auch schlecht weiß machen, dass du bis zur Hochzeit warten möchtest.<< Ich verdrehte die Augen und sah in seinen Augen ein schelmisches Aufblinken. >>Vermutlich würde ich dich dann auf der Stelle heiraten, Mia.<< Lachend rutschte ich von seinem Schoß. >>Aber du hast recht. Das ist nicht ganz der richtige Ort dafür. Wir sollten zu dir fahren.<< Entschied ich frei heraus. >>Man kann das nicht erzwingen, Mia. Wenn du Angst bekommst oder es nicht mehr möchtest, einen Rückzieher machst, ist das in Ordnung.<< Wer war hier der, der Angst hatte? Carter schien sich viel mehr Sorgen zu machen als ich. Vielleicht auch, weil ich schon immer wusste, dass ich es mit ihm tun wollte und würde. Also verließen wir das Autokino und fuhren zu ihm.

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