Kapitel 12

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"Was zur den sieben Höllen hat sie gemeint?" Murmelte ich kurz bevor mir Devon mit seinem Buch auf den Kopf schlug. "Wir sind hier um zu lernen. Wofür wolltet ihr Mathe Nachhilfe wenn ihr dem guten Herrn Nachhilfe Lehrer Daniel sowieso nicht zuhört??" Lachte er. Heute war Donnerstag. Und seit ich gestern dieses Gespräch mit Evolet hatte konnte ich an nichts anderes denken.
"Tu doch nicht so als wärst du so übertrieben intelligent und aufmerksam Devon. Du bist doch nur hier um dir die Mädchen anzugucken." Grummelte Edeline. Tatsächlich war die Bibliothek randvoll. Daniel, Devon, Edeline und ich hatten den letzten freien Tisch gekriegt. Willow arbeitete in der Bibliothek weshalb man sie mal hier, mal dort mit einem riesigen Haufen Büchern rumlaufen sah.
Überall saßen und lagen und liefen Schüler zwischen den Regalen rum, da unser Mathe Lehrer Monsieur Wake unsere Prüfung vor verlegt hatte damit sie nicht mit dem Adels-Ball übernächsten Freitag zusammen fiel. Ich hasste diesen Typen. Ich meine man wird nicht von jedem Lehrer fast umgebracht und dann zu einer Mathe-Arbeit gezwungen. "Tja ich steh halt auf intelligente Mädchen. Damit kann ich dich schon mal ausschließen." Kicherte er kurz bevor Edeline ihn unter dem Tisch einmal deftig trat. "Ich werde nie wieder einem von euch Nachhilfe geben" seufzte Daniel und schob seine Brille hoch. "Doch bitte...wenn ich keine guten Noten bekomme schaffe ich es nicht genug Punkte für ein ordentliches Kleid zusammen zu kratzen." Seufzte Edeline und liess ihr Kinn erschöpft auf der dunklen Ebenholz Tischplatte ab. "Nimm doch einfach eines der Kleider die schon im Schrank hängen." Nuschelte ich während ich mir Daniels Notizen ansah. "Iuh nein. Das sind die Standard Kleider. Wenn du die nimmst wird dich nie jemand zum Ball einladen."
"Vorausgesetzt das man so jemanden wie sie überhaupt rein lässt!" Kicherte Courtney hämisch die plötzlich warum auch immer neben unserem Tisch stand.
"Verzieh dich Courtney. Wir sind zum Lernen hier." Murrte Daniel und klappte sein Buch zu. "Was glaubst du was wir hier machen" fauchte sie und zeigte auf ihr Gefolge. Die Schülerverarschung. Ehem. Ich meinte Schülervertretung.
"Hey Court. Das reicht jetzt." Murrte jemand aus der Gruppe. "Shade!" Vor Überraschung war ich aufgesprungen und mein Stuhl knarzte und fiel dann nach hinten um. Geil.
Die Mensa war nun still und ich spürte wie mir die röte ins Gesicht schoss als ich die Blicke der anderen Schüler auf mir spürte.. "Tss." Kam es von Courtney. Und irgendwie war ich ihr in diesem Moment dankbar da durch sie alle Schüler wieder ihren normalen Tätigkeiten nachgingen.
"Du scheinst mich ja sehr vermisst zu haben." Lachte Shade und fuhr sich durch die Sonnenschein blonden Haare. Peinlich berührt setzte ich mich zurück auf meinen Stuhl den Devon mir aufgehoben hatte. "Naja. Ich hab dich ja offensichtlich auch wortwörtlich ins Koma geflasht. Wie geht es dir?" "Achwas halb so wild. Hab aber jetzt auf ewig ne richtig coole Narbe an der Schulter. Fühle mich wie ein Draufgänger" grinste er mich an, was mich ehrlich gesagt wirklich erleichterte.
"Naja das kann dein Aussehen ja dann nur verbessern." Grummelte Devon dessen Laune auf einmal irgendwie am sterben war. "Halt die Fresse Devon." Meldete sich Courtney wieder zu Wort. Bevor sie noch weiter reden konnte fiel Evolet ihr ins Wort "Wir müssten dann jetzt mal gehen. Wichtiges... Schüler-Sprecher--Ball-Kommitee-dings." Mit diesen Worten zog sie ihren Bruder hinter sich her und Courtney folgte ihm natürlich wie ein notgeiles Hündchen, aber nicht bevor sie, mich explizit, nochmal wütend angestarrt hatte. Nach Courtney zog auch der Rest des Kommitees ab und wir hatten wieder unsere Ruhe.
"Was ist denn denen wieder über die Leber gelaufen." Murmelte ich. "Denk nicht so viel darüber nach. Hey, am Wochenende haben wir Ausgang. Wir könnten dann mal zusammen in die Stadt gehen. Also der Schul-Shop ist ja ganz toll und so, aber ich kann es kaum erwarten mal wieder etwas anderes zu sehen als das Schulgelände." Brummelte Devon. "Ich kann nicht. Ich besuche meinen Vater und dann verbringen wir mal wieder etwas Zeit zusammen." Kam es von Daniel.
"Ich muss was fürs Journalisten-Team einkaufen, deswegen wär das echt super" sagte Edeline und balancierte einen Bleistift auf ihrer Hand. "Heute werden Monitore in den Schulgängen angebracht damit wir wie ein Fernseh-Sprecher Team auch das Wetter und so verkünden können." "Wow klingt aufregend. Apropos, ich bin morgen als Aushilfe in der Journalisten-AG. Punkte sammeln und so. Madame Eklair hält das für eine neue Innovative Idee mir Freunde zu bescheren da bin ich mir sicher." "Weiss diese Frau eigentlich wie Freundschaften funktionieren?" Lachte Edeline.
"Aber heute muss Quinn mir eigentlich in der Bibliothek helfen." Willow stand plötzlich völlig zerzaust neben unserem Tisch. Ein gigantischer Stapel Bücher neben ihr. "Diese Idioten von Schülermassen lesen die völlig falschen Bücher um sich auf Mathe vorzubereiten und legen diese dann irgendwo hin. Ich bin schon die ganze Zeit damit beschäftigt sie wieder zurück zu räumen. Diese Idioten" Willow war ein recht zartes Mädchen. Und irgendwie schien sie mir am Anfang schüchtern, doch ich hatte gesehen wie sie in den Pausen immer las, weshalb ich annahm das Bücher wohl heilig für sie sind.
"Okay. Die Pause ist sowieso schon um. Ciao Leute. Danke für die Nachhilfe Daniel." Kicherte ich während ich meine Tasche packte und zu Willow um den Tisch herum lief. Daniel seufzte daraufhin nur entnervt und lehnte sich erschöpft in seinen rot-gepolsterten Stuhl zurück.
Ich sah meinen Freunden noch zu wie sie zusammen mit den Schülermassen aus der Bibliothek verschwand ehe ich mich bei der Tochter der Bibliothekarin zum Dienst meldete.
Die Bibliothek war bis auf Willow, die Tochter der Bibliothekarin und mich nun leer. Erst jetzt fiel mir eigentlich auf wie schön es hier war. Die Decke der Bibliothek war sehr hoch gebaut. Die Bücherregale stapelten sich bis ganz nach oben. Langsam fuhr ich mit meinen Händen über das dunkle Kirschholz. Die Bibliothek hatte noch einen zweiten Stock von dem man hier nach unten zum Eingang schauen konnte. Rechts vom Eingang war ein riesiges Fenster mit honiggelb gefärbten Glas das einladende Muster auf den dunkelroten Teppichboden warf. Die Eingangstür war von zwei riesigen weißen Säulen flankiert. Ich fand es hier wundervoll.
Ich liebte Bücher schon seit ich klein war. Damals hatte mir meine Mutter immer Märchen vorgelesen bevor ich schlafen ging. Mit ihrer angenehmen Stimme sang sie mir Geschichten von Drachen und Feen vor bis ich eingeschlafen war. Die Erinnerung schmerzte mich. Seit ich hier war hatte ich nicht einmal an meine Mutter gedacht. Wie es ihr wohl ging? Klar ich war wütend auf sie, doch eine kleine Stimme rief mir die Wahrheit zu: nämlich dass ich sie vermisste.
"Hey." Unterbrach jemand meine Gedanken. Es war wieder die Tochter der Bibliothekarin, wie war noch gleich ihr Name? "Aria. Mein Name ist Aria." "Ach ja. Davon hat mir Devon erzählt. Du bist doch auch im Schülerrat nicht wahr?" Fragte ich. "Ehm ja schon. Aber ich bin eher so eine Art Sekretärin von denen. Ich mache den Papierkram." Jetzt wo ich sie näher betrachtete viel mir alles wieder ein. Sie hatte einen wirklich gewaltigen geflochtenen Zopf aus roten Haaren und trug eine große runde Brille. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als ich. Ebenso schien es als sei ihr unsere beige Uniform zu groß. "Du hast eine Affinität für Papier." Es war eher eine Feststellung von mir als eine Frage. Sie nickte nur halbherzig ehe ein metallenes Gestell angefahren kam. Es schien als würden der große Haufen Bücher darauf es quasi in unsere Richtung ziehen, was mir nochmal bestätigte das sie eine Papier Affinität besaß. "Räum die bitte weg. Ich muss kurz meine Mutter suchen damit sie mich ablöst. Courtney bringt mich sonst um wenn ich nicht rechtzeitig wieder da bin" zum Ende hin klang ihre stimme äußerst Ängstlich was ich nach empfinden konnte.
Ich nickte und machte mich an die Arbeit. Die erste Zeit verlief alles recht ruhig. Es schien als hörte man nichts weiter als das dumpfe geklatsche der Bücher wenn sie das Regal berührten und dem klopfen wenn Willow am Tresen irgendwelche Bücher abstempelte. Träge und glücklich lief ich mit dem Bücherwaggon durch die Gänge und atmete tief die schwere dunkle Luft ein die sich mit dem Geruch von Papier vermischte, als mir etwas auffiel. Etwas weiter hinten an der Wand sah ich eine Vitrine die schwach in dem dunklen Sonnenlicht glänzte das hier einstrahlte. In ihr befanden sich Bücher die wesentlich älter wirkten als der Rest hier. Neugierig ging ich darauf zu und betrachtete sie.
Es befanden sich genau 3 Bücher darin. Ein grünes, ein rotes und ein blaues. Alle waren sie ungefähr gleich dick und mit leicht vergilbten Enden. Das erste, grüne, war am leichtesten zu Entziffern. Es hatte ein großes schwarz-weiß Bild auf dem Einband. Darauf sah man eine junge Frau mit hoch toupierten Haaren in einem ungewöhnlich pompösen Kleid. Die Frau lächelte und obwohl sie so schicke Kleidung hatte sah es so aus als hätte sie Ruß im Gesicht. Das zweite Buch, das Rote hatte kein Bild auf dem Einband. "Die Macht eines jeden" stand in goldenen Lettern darauf. Das letzte, blaue Buch war das ausgelesenste. Es hatte weder ein Bild, noch eine Überschrift. Doch es sah so aus als hätte jemand nachträglich mit einem Stift Verzierungen auf den Rand gemalt. Es schien als würde es eine <Geschichte erzählen von- "Quinn! Lass das gebummel. Diese Bücher dürfen wir nicht lesen. Das ist nur denen aus der Schülervertretung erlaubt. Und jetzt komm. Unsere Schicht ist vorbei." Irgendwie genervt darüber, dass Willow mich unterbrochen hatte ging ich zurück zu dem kleinen Metallwagen den ich stehen gelassen hatte, aber nicht ohne nochmal einen Blick auf die Bücher zu werfen. Ich weiss nicht warum mich diese Bücher so faszinierten. Aber ich musste sie lesen. Ich weiss, das klingt seltsam. Aber irgendwas zog mich wie mit einem unsichtbaren Faden zu ihnen hin. Da kam mir eine Idee, hastig lief ich aus der Bücherrei, raus aus dem Trainings-und Freizeit Korridor in den Schlaftrakt und suchte mein Zimmer. Nummer 12. Ich öffnete die Tür und sah das sie tatsächlich die metallene Türklinke gegen eine Hölzerne gewechselt hatten und ich nun keinen fast tödlichen Schlag bekam. Ich öffnete die Tür und war erleichtert die Person zu sehen die ich gesucht hatte.
"Hey Evo" lächelte ich sie scheinheilig an. "Nenn mich nicht so" "Schülerrats-Meeting schon vorbei?" Fragte ich während ich mich auf mein Bett setzte und ihr zu sah wie sie sich ihre blassblonden Haare am Schreibtisch glatt bürstete. "Offenbar." Genervt seufzte sie ehe sie sich mit undurchdringlichem Pokerface zu mir drehte. "Quinn. Wir sind nicht befreundet. Das weisst du. Ich sagte es dir. Also, was genau willst du?" Okay auf frischer Tat ertappt.
Es brachte wohl bei ihr nicht so viel ihr Honig ums Maul zu schmieren. Dafür war sie viel zu pragmatisch. Dann also direkte, ehrliche Offensive. "Könntest du für mich ein paar Bücher ausleihen?" Sie runzelte die Stirn. "Alle Bücher sind kostenlos auszuleihen, also wieso sollte ich-" plötzlich ging ihr ein Licht auf. "Nein." "Bitte! Du sagtest selbst das ich mich über die Schule so schnell wie möglichst schlau machen sollte!" "Schhhh!!" Hastig sprang Evolet von ihrem Stuhl auf und hielt mir den Mund zu. "Sag das nicht so laut." Nervös schaute sie zur Tür. Seufzend nahm sie ihre Hand runter. "Das sagte ich zwar. Aber es gibt einen Grund warum weshalb diese Bücher nicht für alle öffentlich sind. Tatsächlich dürfen nicht mal alle vom Schülerrat sie lesen. Das muss beantragt werden und das braucht seine Zeit. Es sei denn du bist ein sehr hohes Tier." "Wieso sind die Bücher denn nicht öffentlich?" "Das kann ich dir jetzt so nicht sagen." Genervt wandte sie den Kopf ab. Okay. Sie hatte recht. Wir waren keine Freundinnen. Das machte mich traurig. Irgendwie.
Für heute würde ich es allerdings darauf bewenden lassen.
Evolet fuhr mit ihrem Haar-Prozess wie jeden Abend fort und nach einer Weile roch das Zimmer angenehm nach dem Freesien-Haaröl. Doch irgendwie nervte mich diese Stille und ich wurde nervös. Wieso sprach hier niemand über EK's? Eine Schule die einen darauf trainieren sollte damit umzugehen, aber dessen Schüler so verängstigt sind das sie nicht darüber reden können. Aber ich muss darüber reden. Ich muss mein EK beherrschen um nach Hause zu können.
Kurz darauf fasste ich einen Entschluss. Ich stand auf und griff mir meinen alten Koffer der unter meinem Bett lag. Lächelnd berührte ich die Räder. Sie waren leicht kaputt da sie mit dem Kiesweg ja nicht klar kamen. Er roch nach zuhause. Kaffee, Minze und dieser unbeschreibliche Geruch von Rauch an einem Sommerabend. Man mir hatte das gefehlt. Kaum zu glauben das es erst so kurz her ist. Ich legte mir meine schwarze Röhrenjeans, mein Top, meine Lederjacke und meine 7cm Absatz Stiefeletten für morgen früh zurecht und machte mich aufgeregt auf zur Cafeteria um meinen Freunden beim Dinner mit zu teilen, dass ich morgen früh nicht am Frühstück teilnehmen würde. Es war Zeit etwas zu tun!

Flash QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt