Kapitel 5

378 30 1
                                    

Irgendwas muss es geben. Irgendeinen Anhaltspunkt. Ein Zeitungsauschnitt, ein Artikel im Internet … Irgendwas. Aber ich fand nichts. Wild geworden durchwühlte ich Schubladen und Schränke, schaute auf Regale und selbst unter Möbel auf der Suche nach irgendeinem Hinweis der meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen könnte. Doch warum sollte Derek sich überhaupt um mich scheren? Er hatte bestimmt andere Probleme als Zeitung zu lesen und kleine Artikel auszuschneiden und besonders warum sollte er sie überhaupt aufheben? Soweit ich das verstanden hatte, hatte ich kaum etwas mit Derek zu tun gehabt jedenfalls nicht so viel, dass er sich Infos über meinen Tod bei sich zu Hause aufheben würde. Im Grunde war ich total aufgewühlt mit der Situation weil ich dauernd versuchte mich krankhaft an irgendwas zu erinnern. Aber durch Zwang kam die Erinnerung garantiert nicht zurück, das wusste ich, aber an meinem Verhalten änderte das auch nicht viel. Besonders wenn man weiß, dass man die gesamten 17 Jahre seines Lebens vergessen hatte (oder bin ich schon 18?) und wenn man ganz genau weiß, dass vielleicht alles einen Sinn machen würde wenn man sich immerhin an die letzten Monate erinnern würde doch an alles an das ich mich erinnere ist meine Panikattacke in einem Sarg und wie ich in einem Keller eines fremden Mädchens aufgewacht bin. Und um ehrlich zu sein will ich mich daran nicht erinnern und sie helfen mir auch nicht besonders weiter. Ich fühle mich wie ein Alzheimer Patient dessen Gedächtnis Stück für Stück ausgelöscht wurde weil er keine Behandlung bekommen hatte. Und im Grunde war ich das ja auch. Ein Mensch dessen Erinnerung nicht mehr vorhanden ist weil sich niemand darum gekümmert hat, weil ich tot war und dann aufgewacht bin und der einzige Mensch der sich vielleicht ein wenig mit meiner Geschichte auskennt meint, dass ich mich selbst wieder daran erinnern muss. Aber was wenn ich mein Leben lang so ahnungslos bleibe? Was wenn ich mich niemals daran erinnern werde? An meine Kindheit? Jugend? Mein Aufenthalt hier? Was werde ich meinen Kindern irgendwann mal erzählen? Oder meinen Eltern wenn ich sie nicht mehr wieder erkenne aber sie mich schon? Oder meinen Freunden? Oder mir selbst? Wie lange kann ich mich selbst noch belügen, dass alles wieder gut wird? Vielleicht ist das ja der Anfang vom Ende oder das Ende vom Anfang? Oder vielleicht hat es ja noch nicht einmal angefangen? Okay, jetzt verwirrte ich mich selbst. Aber es ging nicht um mich und es ging auch um sonst niemanden. Es ging ums Prinzip und ich wusste nicht was es für ein Prinzip war doch ich wusste das es eins gab.
Und dieses Prinzip war der Grund warum ich mich selbst total panisch machte. Und vielleicht war es auch der Grund, dass ich jetzt hier stand, ohne Erinnerung und ohne einen Anhaltspunkt, in einer Wohnung von einem Typen ohne Einfühlungsvermögen der mir so viel verschweigt, dass der Gedanke daran schon wehtat. Doch wenn man die Situation so betrachtete, war es eigentlich Ich selbst der mich daran hinderte die Sache in die Hand zu nehmen. Denn schließlich musste ich nicht hier bleiben, ich musste mich nicht verstecken, ich konnte Kontakt zu Ava aufnehmen oder vielleicht zu irgendjemand anderen und vor allem konnte ich mich mal um meine eigenen Bedürfnisse kümmern (was ich mir doch wohl verdient hatte, wenn man bedenkt, dass ich einmal verreckt und wieder auferstanden bin.). Aber ich schätze, dass ich den Mut dazu nicht besitze vielleicht liegt es auch daran, dass ich nicht weiß was ich mir erlauben kann. Ich weiß nicht welche Leute ich schon kennen gelernt habe und besonders weiß ich nicht wie mit einer Situation umgehen soll wenn ich einen dieser Menschen treffen sollte denn schließlich kann ich mich an sie nicht erinnern und nochmal so einen Blick wie von dem Jungen mit den Locken konnte ich garantiert nicht ertragen. Enttäuschung. Ja, ich konnte mit Enttäuschung nicht umgehen denn so ein Gefühl konnte man nicht rückgängig machen, es verfliegt irgendwann doch man erinnert sich ein Leben lang dran. Und jeder der etwas anderes behauptet erzählt eine glatte Lüge. Denn das ist ja die Sache mit den Menschen, sie lügen, sie lieben, sie verletzen, sie sterben.
Und die ersten drei Sachen immer und immer wieder von Neuem ohne dass jemand realisiert, dass vielleicht irgendwas nicht okay daran ist.
Aber wenn man die Sache genau betrachtet bin ich niemanden eine Rechenschaft schuldig. Ich könnte einfach durch diese Tür laufen und kein Geheimnis daraus machen, dass ich wieder am Leben bin. Ich könnte mir Auskunft über meine früheren Freunde verschaffen und einfach vor ihrer Haustür stehen, so als wäre nie etwas gewesen. Ich könnte auch einfach eine Suche nach meinen Eltern aufgeben. Ich könnte die ganze Sache ruhen lassen und mir keinen Stress machen. Ich könnte mein Leben leben.
Doch anstatt dies zu tun, verschwende ich Zeit an Gedanken wie: „Ich könnte …“ Ja, ich könnte so vieles tun aber wenn man realistisch denkt dann wir einem klar, dass man das niemals tun würde.
Denn das Risiko will niemand wirklich eingehen. Und ich habe einfach zu viel Angst. Zu viel Angst vor Zurückweisung, vor der Realität selbst vor dem Gesetz. Aber am meisten Angst habe ich vor mir selbst.
Und ich habe keinen blassen Schimmer wie ich damit umgehen soll wenn ich noch einmal mein eigenes Spiegelbild wirklich ertragen kann.
Denn eigentlich fängt alles dabei an sich selbst zu mögen. Und ich für meinen Teil, habe panische Angst vor dem was ich tun kann. Und ich weiß noch nicht einmal was es ist. Und das ist auch ein Faktor der Angst.

--------------------------------------------------------------------------------------------
Whoop!
ich hab's geschafft zu updaten :D Ich hoffe euch gefällt es, ich werde versuchen jetzt wieder einigermaßen regelmäßig zu updaten ^^ Jedenfalls ich hoffe euch gefällt es :D

The Night With The Thousand Sounds (Fortsetzung von TNWTTE)Where stories live. Discover now