6. Kapitel/ Memories

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Wie habe ich das nur übersehen können? Ich will das nicht wahrhaben. Das Datum. Das Todesdatum ist der dreiundzwanzigste Oktober. Mein Geburtstag. Was ist passiert, dass meine Familie ausgerechnet an meinem Geburtstag diesen Unfall hatte? Warum mussten sie an diesem Tag sterben? Wo sind wir hingefahren?

Eine ganze Zeit lang starre ich nur auf diese eine Zahl, bis ich dann die heißen Tränen auf meinen Wangen spüre. Warum weine ich denn jetzt? Das darf doch nicht sein. Mein Geburtstag ist in sechzehn Tagen und das ist auch der Tag, an dem meine Familie vor sieben Jahren verstorben ist? Warum kann ich nicht auch tot sein? Ich will nicht mehr leben.

Langsam drehe ich mich zu Hidan um, mache mir nicht einmal die Mühe die Tränen wegzuwischen und schaue ihm in die Augen. „Können wir wieder fahren...?", frage ich leise. „Ich will hier nicht mehr sein... Es war ein Fehler herzukommen..." Ich kann Hidan ansehen, dass er mit der Situation überfordert ist. Hat er noch nie einen anderen Mann weinen sehen? „Bitte...", dränge ich weiter, als er mich einfach nur weiter anstarrt und sich nicht bewegt. Und dann stelle ich eine Frage, die ich niemals erwartet hätte ausgerechnet ihn zu fragen, aber sie kommt einfach über meine Lippen. „Oder...kannst du mich zumindest in den Arm nehmen...?" Jetzt wische ich doch über meine Wangen, da mich die Tränen inzwischen nerven. Es soll aufhören. Einfach alles soll aufhören.

Dann geschieht etwas, was ich noch weniger erwartet hätte, als meine Frage gerade. Hidan macht einen Schritt auf mich zu und legt dann vorsichtig und etwas unbeholfen die Arme um mich. Ich mache es ihm nach und drücke mich im nächsten Augenblick auch schon an ihn. Er ist warm und riecht gut, nach dem Waschmittel und sich selbst. Und irgendwie fühle ich mich auch geborgen.

„Er war sieben... Kawarama war sieben Jahre alt, als er gestorben ist... Warum...?" Und dann brechen plötzlich alle Dämme und ich beginne zu schluchzten, während mir die Tränen weiter über die Wangen fließen. „Ich... Ich weine um Menschen, an die ich mich nicht einmal mehr erinnern kann... Das ist einfach..." Ein weiteres Schluchzen unterbricht meinen Satz und sorgt dafür, dass ich auch aufhöre zu reden.

Hidan sagt nichts, hält mich einfach nur fest, während ich mich an ihn drücke und um meine verstorbene Familie weine. Ich gehöre wohl zu den Menschen, die Glück im Unglück haben. Aber wenn, dann will ich nur eins von beidem haben, denn diese Mischung ist verdammt scheiße.

Irgendwann beruhige ich mich etwas und merke erst jetzt, dass er angefangen hat mir durch die Haare und über den Rücken zu streichen. Machen Mütter das nicht auch so? Sofort breitet sich wieder ein Kloß in meinem Hals aus. Nein, Hashirama, du hast jetzt genug geheult. Das reicht für das nächste halbe Jahr.

Einen ganzen Moment lang bleibe ich noch so stehen und genieße das Gefühl von Sicherheit, bevor ich mich ganz langsam und eigentlich auch widerwillig von ihm löse. Denn jetzt bin ich wieder in der Realität angekommen und später wird Hidan mir bestimmt wieder auf die Nerven gehe. Oder ich ihm? Ist immerhin alles Ansichtssache. „Danke...", flüstere ich. Vermutlich denkt er, es ist auf das Taschentuch bezogen, das er mir gerade hin hält, da er nickt. Deswegen füge ich noch ein „Für alles..." hinzu. Das ist einer der Momente, in denen er kein Arschloch ist und so kann er auch gerne bleiben. Doch leider ist das nicht der Fall. So ist Hidan nicht. Er braucht jemanden, den er ärgern kann. Und dieser jemand bin nun mal ich. Kurz putze ich mir die Nase und wische noch einmal die Tränen weg, bevor ich ihm deutlich mache, dass wir zurück zum Auto können und mich auch auf den Weg dorthin mache.

Auf der Rückfahrt ist es genauso still wie auf dem Hinweg. Ich schaue die ganze Zeit aus dem Fenster und kann mich selbst darin sehen, da es schon dunkel wird. Den Bonsai halte ich fest in meinen Händen und streiche mit den Daumen über den Topf. Irgendwie beruhigt mich diese Pflanze.

Love is NEVER easyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt