Prolog

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Tiefschwarze Nacht lag über dem Wald. Kräftiger Wind rüttelte an den Ästen und ließ die obersten Blätter der hohen Baumkronen erzittern. Das Licht des vollen Mondes am dunkelblauen Firmament tauchte die kleine, sandige Ebene in ein mystisches Licht. Am Rand der Senke teilten sich lautlos die Farnwedel und eine schlanke, hoch gewachsene Frau trat auf die Lichtung. Sie wirkte anmutig und wunderschön. Doch in ihren grünen Augen lag ein Schatten der Trauer. Helles Mondlicht ließ ihre schwarzen Haare silbern schimmern und der Stoff ihres weißen Kleides schliff hinter ihr her, als sie zu einem kleinen Teich auf der anderen Seite der Lichtung schritt, der verborgen zwischen Farnwedeln und moosbedeckten Steinen lag. Die Frau ließ ihren Blick über den Himmel schweifen, wo der Vollmond auf sie herab schien. Sie schloss die Augen und der Wind fuhr ihr sanft durch den Schleier ihres Kleides.

„So viel Krieg, so viel Blut, das im Kampf vergossen wurde. Und wofür?", flüsterte sie. Sie lauschte, doch die einzige Antwort, die sie bekam, war das Rauschen des Windes. „Wenn es so sein soll, dann habe ich versagt.", murmelte die junge Königin, senkte den Kopf und wandte sich ab. Plötzlich wurde der Wind stärker und aus dem gleichmäßigen Rauschen der Blätter erhob sich ein Flüstern. Zuerst schnell und undeutlich, dann immer klarer, bis die Frau schließlich einzelne Wörter verstehen konnte.

„An Mitternacht eine dunkle Macht ist erwacht. Licht im Schatten geballt, doch neue Hoffnung erschallt. Erhoben sei die Schlacht in finsterer Nacht, doch stark und vereint, gegen denselben Feind. Das Mädchen, so fremd und vertraut, sie allein besitzt die Macht und vor dem Morgenrot gewonnen sei blutig die Schlacht. Zwei werden eins und Finsternis zieht herbei, nur dann wird Avalon frei."

Der Wind setzte sanfte Wellen in den kleinen Teich. Anfangs spiegelten sich in der klaren, schimmernden Oberfläche nur die Sterne des kobaltblauen Himmels wieder. Doch dann flackerte die Oberfläche kurz auf, leichte Wellen kräuselten sich im Wasser und zeigten ein zuerst verschwommenes, dann immer deutlich und klarer werdendes Bild. Die junge Königin sah gebannt in den Teich, ihre Augen glänzten im Licht des Wassers. Nach wenigen Augenblicken flackerte die Wasseroberfläche erneut auf und das Bild verblasste. An seiner Stelle spiegelten stattdessen die Sterne und der helle, volle Mond wieder.

„Meine Königin, schwere Zeiten ziehen herbei.", drängte die helle Stimme, die schon vorhin durch den Wind geflüstert hatte. „Das Mädchen, dass Ihr gesehen habt, mag fremd sein, doch sie teilt ein Schicksal ..." Die Frau starrte auf das Wasser des Teiches, dass nun unbewegt still stand. Ihre grünen Augen blitzten in der Dunkelheit. Eine Wolke zog sich über den Mond und verdunkelte für den Bruchteil einer Sekunde die Lichtung. Als die Wolke weiterzog und Mondlicht wieder auf die Wasseroberfläche traf, lag die Lichtung verlassen da. Alles, was blieb, war eine mysteriöse Prophezeiung, die von diesem Augenblick an das Schicksal eines Mädchens für immer verändern würde...


Die Prophezeiung von Avalon - Die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt