Unheilvolle Vision

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Ales führte Elena zu einer schattigen Lichtung, die viel kleiner war als das belebte Lager der Elfen. Der Wind fuhr durch die Blätter und Farnwedeln und Vogelgesang erklang leise in der Luft. „Hier trainieren Tarek und ich meistens. Du kannst auf alles schießen, was du siehst -und nicht lebt.", fügte er hinzu. „Kannst du mir zeigen, was du meinst?", bat Elena den jungen Krieger, der daraufhin einen Pfeil aus ihrem Köcher nahm und seinen eigenen, gespannten Bogen hob. „Sieh dir meine Haltung an." „Gespannt, aber locker.", murmelte Elena und dachte an Bella's Worte. „Genau.", bestätigte er und schoss in die Luft. Der Pfeil surrte in einen Baum hinein und fiel mit einem durchbohrten Apfel zurück auf die Erde. „Deine Pfeile sind extrem schnell und leicht. Im Kampf ist das von Vorteil." Elena wurde mulmig, als sie an's Kämpfen dachte. „Ich kann aber nicht kämpfen, Ales." Sie dachte an ihr gestriges Gespräch mit Bella und fühlte sich erneut schuldig. „Hey." Sanft hob Ales mit den Fingern ihr Kinn an und nickte ihr aufmunternd zu. „Deswegen sind wir hier. Du kannst in Ruhe üben, und du wirst sehen, es wird klappen."

Während sie sich in die Mitte der Lichtung stellte und ein Ziel suchte, aß er den geschossenen Apfel und sah ihr zu. Sie lächelte ermutigt und visierte ein Loch in einem Baum an, das zu klein war, als das Tiere darin leben könnten. Sie hielt den Bogen hoch, und sah aus dem Augenwinkel Ales auf sie zukommen. „Mach nur weiter. Du stehst fest am Boden, das ist gut. Entspann die Schultern, dann kannst du lockerer schießen." Elena folgte seinem Rat, entspannte ihren Oberkörper und schoss. Ihr Pfeil blieb knapp unter dem Loch -ihrem eigentlichen Ziel- stecken und sie schnaubte. „Probier's nochmal. Meistens kommt es nicht so sehr darauf an, wie gut man treffen kann, sondern viel mehr, dass man an sich glaubt. Du schaffst den nächsten Schuss schon." Etwas zuversichtlicher zielte sie erneut und schoss kurz danach. Der Pfeil flog gerade in das Loch. „Sehr gut.", meinte Ales. „Und jetzt versuch, das große Blatt oberhalb dieses Astes zu treffen ..."

Elena und Ales übten noch lange auf der Lichtung, bis ein jugendlich wirkender Elfkrieger mit dunkelblonden Haaren zu ihnen kam und sie bat, nach Hause zu kommen. „Gleich, Fharion.", sagte Ales. „Mein Prinz, die Königin wünscht Euch zu sprechen. Und auch Elena. Es gibt schlechte Nachrichten." Ales wechselte einen unruhigen Blick mit Elena und stimmte schließlich zu. „Wir kommen sofort." „Gut, dass ihr hier seid.", begrüßte Luna die beiden, als sie in ihr Zelt traten. Neben der Frau standen Königin Tiara, Tarek und Bella. „Was ist los?", fragte Elena. Tiara erhob das Wort. „Es wurden Nodoc's und weitere Naldor im Westen des Nachtwaldes gesichtet, innerhalb unsere Grenzen. Ich habe etwa dreißig Krieger, und zehn müssen das Lager schützen. Die anderen werde ich an die Grenzen führen um die Schattenwesen aufzuhalten, doch falls wir es nicht schaffen, musst du in Sicherheit sein, Elena." „Oder ich lerne ihr, sich zu verteidigen. Dann ist sie nicht dauernd hier gefangen. Man muss kein Elfenblut in sich haben, um kämpfen zu können.", antwortete Ales. Tarek sah zu ihr. „Was meinst du? Wir könnten dich trainieren, bis du so weit bist." Elena sah zwischen ihnen hin und her. Auf der einen Seite wollte sie nichts von den Schattenreitern wissen, auf der anderen hasste sie das Gefühl, hilflos zu sein. Der gestrige Tag, wo sie Bella kämpfend zurück gelassen hatte, kam ihr in den Sinn und sie spürte den Willen, für sich selbst kämpfen zu lernen. „Ja.", sagte sie und atmete durch.

„Ich weiß zwar nicht, ob ich mich behaupten kann, aber ich will es versuchen." Tarek sah sie erfreut an und Tiara verzog den Mund zu einem Lächeln. „Das Mädchen hat Feuer im Herzen." „Ich habe sie heute beobachtet. Sie kann mit dem Bogen umgehen und trifft ihr Ziel, doch es ist etwas anderes, gegen Nodoc's zu kämpfen, während man zum Beispiel auf einem Pferd sitzt. Ich kann dir das alles beibringen, aber das bedeutet, dass wir früh aufstehen und den Tag lang trainieren müssen.", erwiderte Ales. „Ich schaffe das. Bitte bring's mir bei.", drängte Elena und Luna nickte. „Gut. Ales, du bleibst bitte bei ihr, wenn sie außerhalb des Lagers ist. Entweder du oder Bella." Elena wollte schon protestieren, dass man auf sie nicht achtgeben musste, wie auf ein kleines Kind, doch Luna fügte hinzu: „Nur bis sie stark genug ist, sich selbst schützen zu können. Wir behalten in der Zwischenzeit die Grenzen im Auge." „Okay.", meinte Elena. „Ich möchte kurz allein mit ihr reden.", äußerte Luna und auf ihre Bitte hin verließen alle anderen das Zelt.

Die Prophezeiung von Avalon - Die AuserwählteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt