1- Das Brautkleid

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"Mina? Hast du mir überhaupt zugehört?", rief mir meine Adoptivmutter zu und funkelte mich vom Rückspiegel aus wütend an.

"Ja, natürlich.", sagte ich und versuchte mit aller Macht nicht die Augen zu verdrehen.

Wir waren auf dem Weg in die Stadt, um für Jana ein Brautkleid zu besorgen. Es war verdammt verwirrend gewesen, als Rita und Alaric -so hießen meine Adoptiveltern- mir erklärt hatten, dass Jana heiraten wird. Jana war -genau wie ich- siebzehn Jahre alt.

Das alles ließ mich stutzig werden. Warum um Himmels Willen wollte sie so früh heiraten und die wichtigere Frage war, wen überhaupt? Ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, dass Jana einen Freund hat, geschweige denn jemals einen Freund gehabt hatte. In dieser Hinsicht waren wir beide uns gar nicht so unähnlich. Auch ich hatte keinerlei Erfahrungen mit Jungs und von mir aus, musste sich das auch nicht so schnell ändern. 

Aber das war noch nicht alles. Das nächste was mich stutzig werden ließ, war, dass auf der Suche nach dem passenden Hochzeitskleid die Braut fehlte! Jana war am Abend vorher -als mir ihre Eltern es offenbart hatten- ohne ein Wort des Abschieds mit ihren Großeltern nach Miami aufgebrochen. Dort würde auch die Hochzeit stattfinden und deshalb müsste Jana dort sein und mithelfen.

Daher sollte ich das Hochzeitskleid anprobieren. Jana ließ ausrichten, dass sie mir voll und ganz bei der Auswahl vertraute. Zwar wusste ich, dass an der Sache irgendwas faul war, aber noch hatte ich nicht herausgefunden, was es genau war. Mir kam kurz der Gedanke in den Kopf, dass mich Alaric und Rita auch verheiraten wollen würden, aber das traute ich den beiden einfach nicht zu. Ich war immer noch nicht ihre richtige Tochter und obwohl mich beide sehr lieb hatten, behandelten sie mich anders als Jana, was ich ihnen auch auf keinen Fall übel nahm.

"Gut.", sagte Rita und lächelte zufrieden. Dabei sammelte sich einige Falten um ihre Mundwinkel und ließen sie um einiges älter erscheinen, als sie eigentlich war. "Du musst wissen, dass Jana damit vollkommen einverstanden ist. Sie freut sich schon sehr darauf, ihn kennenzulernen."

Ohne mit der Wimper zu zucken, hat sie mir anvertraut, dass Jana tatsächlich jemand heiraten muss, den sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte.

"Und was wäre, wenn Jana 'Nein' zu der Hochzeit gesagt hätte? Was hättet ihr dann gemacht?", meinte ich und beobachtete sie misstrauisch von der Seite. Ihr Blick war weiterhin auf die Straße gerichtet.

Nun meldete sich auch Marla zu Wort. Sie war Janas Cousine und wird zusammen mit mir und den anderen Cousinen und Schwestern des Bräutigams eine Trauzeugin sein. Zwar wollte ich das am Anfang nicht, aber die strengen Traditionen der Familie schrieben das vor.

"Als ob Jana das könnte!", lachte Marla. "Bei mir und meinen Mann war es genau dasselbe. Wir können uns nicht aussuchen, ob wir heiraten. Unsere Eltern haben das bestimmt und so wird es sein. Je eher man das begreift, desto besser. Jana wusste seit sie klein war, dass sie ihn heiraten muss und so wie ich das mitbekommen habe, hat sie auch nichts dagegen."

Ich hingegen starrte sie nur an und konnte meinen Ohren nicht trauen. "Das heißt, egal ob Jana will oder nicht, sie muss ihn trotzdem heiraten?!" Mein Blick huschte vorwurfsvoll zu Rita. "Ihr zwingt sie dazu?"

Gerade als Rita den Mund aufmachen wollte, kam Marla ihr zuvor. "Zwingen würde ich das nicht gerade nennen. Schließlich suchen sich unsere Eltern nur die besten Kandidaten raus. Und besonders Jana sollte sich geehrt fühlen. Schließlich wird sie ihn heiraten", sagte sie und ihre Stimme wurde vor Ehrfurcht immer leiser.

Ich allerdings konnte nur mit dem Kopf schütteln und schaute wieder zu Rita. "Das stimmt, Kindchen. Von unserer Gesellschaft ist er die wahrhaftig beste Partie. Er ist sehr wohlhabend und hat den meisten Einfluss. Jemand besseren können wir uns nicht vorstellen!", schwärmte sie und kicherte vergnügt.

100 Million Tears 18+ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt