Allein unter Jungs

346 8 1
                                    

Wie jeden Tag hing ich mit Dudley und seinen Kumpels ab. Heute gingen wir ins Kino - King Kong. Meiner Meinung nach ein ziemlich langweiliger Film, aber naja, das sind nun mal Jungs. Und irgendwo fand ich den Kinobesuch doch gar nicht so langweilig. Die anderen ließen mir sogar die Ehre, neben Dudley, dem, wenn man so will, "Anführer" unserer "Gang", zu sitzen - natürlich musste er sich direkt an den Gang setzen - unter anderem wohl auch, weil sie, aus mir unverständlichen Gründen, glaubten, dass sowas die Bindung zwischen mir und Dudley fördern würde.
Nun ja, Jungs halt. Ich verstand sie manchmal wirklich nicht, spielte ihr Spielchen aber mit, schließlich waren sie meine Freunde und eigentlich konnte ich sie doch ziemlich gut leiden.

Später gingen wir dann noch auf den Spielplatz. Dort saß, ganz einsam, ein Junge, der mir irgendwie leidtat, als Dudley ihn unter Androhung von Schlägen wegscheuchte. Das einzige, was ich über den Jungen wusste, war, dass Dudley ihn wohl nicht ausstehen konnte, warum auch immer. Ich hatte zwar früher ab und an zu ihm gesagt, dass er das lassen sollte, aber in diesem Punkt hörte er einfach nicht auf mich. Sobald er diesen Jungen wieder sah, rannte er auf ihn zu und scheuchte ihn weg, fast schon wie ein Zwang oder sowas.
Tja, manche Dinge würden sich wohl nie ändern.
Da gab es nämlich noch was: Ich riet Dudley gefühlt fast täglich, dass er Sport machen oder sich wenigstens nicht so vollfressen sollte, aber auch da hielt er sich nicht an meinen Ratschlag. Dabei musste man ihm eins schon lassen: hinter diesem Jungen konnte er her rennen wie der Road Runner, wenn er dem Kojoten entfliehen wollte.
Aber Dudley war ansonsten ganz in Ordnung. Wir unternahmen relativ viel miteinander, weil wir uns so gut verstanden, aber natürlich waren die Jungs fast immer auf mit dabei. Mit denen war alles gleich viel lustiger als ohnehin schon.

Wie dem auch sei, nachdem Dudley den armen Jungen mal wieder verscheucht hatte, kam in mir nun doch etwas Neugier auf.
"Sag mal, Ley," - ja, ich nannte ihn tatsächlich Ley und nur ich besaß dieses Privileg - "wer ist eigentlich dieser Junge, der immer vor dir wegrennt? Kennst du den?"

"Naja, das ist so. Er ist mein Cousin. Aber meine Eltern haben mir schon immer beigebracht, dass er seltsam ist, was auch stimmt. Immer mal wieder passieren komische Sachen wegen ihm, und wir sind dann mehr die Leidtragenden. Er sagt immer irgendwas von Zauberei, um sich rauszureden, aber du weißt wohl genauso gut wie ich, dass es sowas nicht gibt."

"Stimmt. Das ist reinster Humbug. Aber dein Cousin? Echt jetzt? Was hat man denn mit dem angestellt?"

"Komische Eltern. Sind als er ein Jahr alt war angeblich bei einem Autounfall gestorben und er wurde bei uns vor die Tür gelegt", erklärte Dudley kurz und das reichte mir auch schon, da mein Interesse nun dem vorbeifahrenden Eiswagen galt. Ihr müsst wissen, dass ich für vernünftiges Eis töten könnte. Besonders im Sommer.

Ich sprintete also auf den Eiswagen zu, der glücklicherweise direkt beim Spielplatz gehalten hatte, um dann für jeden von uns ein Eis zu bestellen, mir selbst natürlich das mit den meisten Kugeln. Die Jungs kamen auch und jeder nahm sich ein Eis (und legten vorher brav das Geld dafür hin, denn kriminell waren wir nicht) und ging zurück auf das Spielgerät, auf dem er eben noch gespielt hatte.
Ich dagegen ging zu Dudley, der noch immer seelenruhig auf unserer Bank saß. Ich teilte nämlich immer mit ihm. Und er wusste ganz genau, dass das wirklich die größte Ehre für einen Menschen war.

Am Abend brachten Dudley und Davis, der im Haus gegenüber wohnte, mich nach Hause, natürlich mit Umarmung zum Abschied.
Ich betrat das Haus meiner Familie und ging in die Küche, in der zu meinem Erstaunen ein Brief für mich lag.
Auf dem Umschlag war ein rotes Wachssiegel mit einem mir - wie sollte es anders sein - unbekannten Wappen. Daher beachtete ich es nicht weiter und öffnete den Umschlag. Ich bekam zwei Zettel zu fassen. Auf dem ersten stand:
"Sehr geehrte Miss Briston, hiermit sind sie zur Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei eingeladen.
Das Schuljahr beginnt am ersten September.
Eine Liste mit den benötigten Utensilien ist diesem Brief beigelegt."
Letzteres war dann wohl der zweite Zettel, auf dem lauter Dinge für Zauberer draufstanden, wie beispielsweise ein Kessel oder ein Zauberstab. Aber das musste wohl ein schlechter Scherz sein. Es gab keine Magie!
Daher zerknüllte ich den Brief auch direkt und schmiss ihn in den Müll, um danach mach oben in mein Zimmer zu gehen.

Dudley hatte nämlich morgen Geburtstag und ich wollte ihm unbedingt etwas basteln, denn das konnte ich ziemlich gut.
Die beste Idee unter den wenigen, die ich hatte, war ein Regal für CDs und DVDs, daher nahm ich mir etwas von dem Holz, das ich für den Fall der Langeweile immer im Keller hatte, nahm ein paar CD- und DVD-Hüllen meiner Eltern, um die Breite der Fächer zu messen und fing an, zu sägen und zu schrauben. Schließlich noch ein bisschen Farbe drauf gemacht und fertig.
Ich würde das Geschenk dann morgen mit meinen Eltern bei Vernon und Petunia abgeben.

Die Geschichte der Isabelle Jane BristonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt