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Mittlerweile war Kate beinahe schon hysterisch. Ihre Fingernägel waren kaum noch vorhanden, weshalb sie begann, an der Haut ihrer einzelnen Finger herumzubeißen.

Sie stand zusammen mit den anderen unten im Labor und presste sich gegen die Wand, in der Hoffnung, wenigstens sie würde ihr Halt geben.

Das Labor lag wirklich ziemlich tief und bestand erstaunlicherweise aus drei Stockwerken. Sie waren durch ein kompliziertes Flursystem bis in die unterste Etage hinabgestiegen. Statt der erwarteten, angenehmen Kühle herschte hier unten klebrige Schwüle. Der Raum ging so hoch, dass man die Decken schon nicht mehr sehen konnte. Allgemein konnte man verhältnismäßig wenig sehen. Während im Institut die Räume gut durchleuchtet waren, schien es im Labor, als trüge man ständig einen schwarzen Schleier. In regelmäßigen Abständen verteilt standen Betten (schon wieder Betten, überall Betten) an der Wand und daneben kastenförmige Maschinen, die den Raum mit einem beständigen Summer erfüllten.

Kate strich sich seufzend über die schwitzende Stirn. Sie wusste beim besten Willen nicht, weshalb sie so eine Panik schob.

Sie warf ihren Blick in die gegenüberliegende Ecke, wo Herr Rupert, sowie das Mannsweib aus dem Krankenzimmer (die übrigens Olivia Brown hieß, wie Kate später herrausfand) und Julius Roberson, ebenfalls ein Klassenkamerad, standen. In ihr machte sich wieder das genüssliche Gefühl von Genugtuung breit, als sie sah, wie er von beiden Tutoren zusammen geschissen wurde. Er hatte es ganz und gar verdient.

Als sie gemerkt hatten, das die Klinke verschwunden war, war ihr das Herz in die Hose gerutscht, wo es dann oberhalb ihres Knies panisch und wie verrückt trommelte. Mr Aggarwal kontaktierte daraufhin per Mobiltelefon einen seiner Kollegen unten und ihnen wurde von innen aufgemacht. Es stellte sich heraus, dass Julius spaßhalber die Türklinke hat mitgehen lassen. Mit der Frage, wieso sich die Türklinke anscheinend so leicht abmachen ließ, beschäftigte sie sich zum Wohle ihres überforderten Hirnes lieber nicht.

Sonst hätte sie sich noch Herr Rupert geschnappt und ihm seine robuste Stahltür in sein voluminöses Hinterteil geschoben.

Auf einmal tippte ihr jemand von hinten auf die Schulter. Sie drehte sich um und beruhigte sich bei Rodrigos vertrautem Anblick.

Doch lange Zeit blieb ihnen nicht, um Informationen auszutauschen, da die Tutoren bald schon anfingen, sich einzelne Adepten herauszusuchen und sie an die Betten zu führen und auch schon die ersten Maschinen an den Leuten verkabeln. Keiner von ihnen machte sich die Mühe, den übrigen verwirrten Schülern die Situation zu erklären.

Während sich Kate und Rodrigo fragten, wo George und Helena abgeblieben waren, packte Olivia Kate auf einmal am Arm. Kate zuckte höllisch zusammen. "Was zum Teufel...?!"

Olivia scherte sich nicht um Kate und schleifte sie an ein Bett, wo Mr Smith wartete. Kate setzte sich ohne Aufforderung auf die Bettkante und starrte die Lehrer von unten an und lächelte schmallippig. Sie spürte, wie ihre Mundwinkel zitterten.

"Also?" Mr Smith lächelte ebenso überzeugt zurück. "Sie dürfen jetzt für ein paar Stunden verreisen." "Werde ich jetzt durch Zeit und Raum schreiten?" "Ihre Seele, ja." "Nur meine Seele?" "Ja. Ihr Körper hat nichts mit ihrem vergagenem Ich zu tun. Er ist nur Wirt für ihre Seele." "Ahja, logisch."  Olivia war lange schon wieder weg und schleifte andere Schüler durch den Raum. Zwischen Kate und Mr Smith herrschte weiterhin eine unterkühlte Stimmung. "Wenn sie nun bitte ihr Oberteil anheben würde, damit ich die Kabel anbringen kann." "Kann das nicht Olivia oder so machen?" "Nein."

Zehn qualvolle Minuten später lag sie halbwegs entspannt im Bett und versuchte, Mr Smiths Worten Folge zu leisten. Der Raum war mittlerweile komplett still und jeder Adept lag verkabelt in einem Bett.

"Sie schließen nun die Augen und versetzten sich in einen Zustand absoluten der Ruhe. Sie atmeten flach und gleichmäßg. Achten sie auf ihre Atmumg."

Kate fühlte sich wie in Trance und eine ungewöhnliche Schwere machte sich breit.

"Sie atmen ein und aus. Ein, aus. Immer langsamer. Ein und aus. Es geht nur noch um ihre Atmumg. Ein und aus, ein, aus, ein, aus. Stop."

Sie wunderte sich wirklich, wo Helena abgeblieben war.

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