0

7

Die Zeitreise war geglückt.

Das wurde Kate spätestens in dem Moment klar, als ein Ungetüm von Mann sie am Nacken packte und sie in den Schlamm der Straßen presste.
"Wenn ich dich hier noch einmal sehe, Weib, dann gnade dir Gott. Noch einmal!", sagte er und knallte die Tür hinter sich zu und ließ sie im strömenden Regen zurück.
"Fetter Bastard", knurrte Kate wütend und rappelte sich mühsam auf. Ihr Nacken schmerzte. Die Nägel des Mannes hatten sich brutal in ihr Fleisch gegraben.

Kate schleppte sich in die nächste dunkle Gasse, die skeptischen sowie angewidert Leute ignorierend.
Beinah konnte sie das auch verstehen. Ihr ehemals weiße Leinenhemd war schlammdurchtränkt, ihre braune Stoffhose zerrissen und an den Knien blutig. Ihre Haare wirr und verknotet.
Kein Wundern, dass all diese vornehmen Leute abgeschreckt waren.

Sie ließ sich in der Gasse auf eine umgekippte Mülltonne fallen und schloss, entnervt und müde wie sie war, die Augen und rief die Geschehnisse der letzten halben Stunde auf.

Mr Smiths Stimme war bereits seit einer Weile verstummt und Kate fragte sich langsam, ob er überhaupt noch im selben Raum war, weshalb sie die Augen aufschlug.
Das was sie sah, war garantiert nicht das Institut.
Eine Feststellung, die sie mehr als nur beunruhigte.
Erschrocken sprang sie auf und sah sich hektisch um.
Sie war in einem vornehmen Zimmer gelandet. Weinrote Vorhänge, ein vergoldeter Kronleuchter und edle Gemäld, sowie versilberte Kerzenleuchter auf einem Nachtisch aus Ebenholz. Doch statt einem gigantischem Himmelbett lag bloß eine schlichte Koje auf dem Boden.
Sie war nicht mehr im Institut, das war ihr klar, aber die Theorie 'Zeitreise' war ihr doch etwas zu abenteuerlich.
Von da an, dauerte es auch nicht mehr lange, bis sie Begriff, dass es hier sehr wohl so abenteuerlich zuging. Sie öffnete argwöhnisch die Tür und fand sich in einem leerem Flur wieder. Um herauszufinden, wo sie war, begab sie sich tiefer in das Gebäude hinein und kam zum Schluss, dass sie sich in einem Palast befand.

Keine Ahnung warum, keine Ahnung wie, aber ok.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis jemand sie erwischte. Ein Mann, gekleidet in einem grünen Wams, einem Seidenhemd, in langen Stiefeln mit goldenen Schnallen sowie in einer schlichten, roten Hose. Nicht zu vergessen, der Degen. Der Grund, weshalb sich Kate auch entschloss keinerlei Widerstand zu leisten.

Und jetzt war sie hier, in der dreckigen Gasse. Resigniert strich sie sich über das Gesicht und stöhnte gequält: "Zu anstrengend, alles viel zu anstrengend."

Da Kate nicht wusste, wohin sie sich nun wenden sollte, blieb sie einfach sitzen und summte leise. Bis in den späten Abend hinein hoffte sie, dass sie nur kurz blinzeln müsste und sich wieder im Institut befände.

Der Regen ließ nach, die Straßen waren menschenleer und komplett unbeleuchtet, weshalb man alles in tiefes Schwarz gehüllt war. Ein paar Ratten bedienten sich am Inhalt der Mülltonne, was Kate dazu bewegte, den größmöglichen Abstand von der Tonne zu nehmen. Sie stand mitten auf dem breiten, unebenen Weg und wusste nichts mit sich anzufangen, als ihr auf einmal jemand von hinten auf die Schulter tippte.

Überraschenderweise hatte sich Kate nicht erschreckt, jedoch war sie mehr als nur misstrauisch. Sie hoffte, dass es nicht wieder der Mann von vorhin war.

"Hm..ähm...Madame?"

Ach, Scheiße.

"I-ich wollte gerade wieder gehen. Keine Sorge, ich werde ganz weit weggehen."

"Ich bin es doch, Lady. Travis! Erkennen sie mich nicht wieder?" Kate sah sich das mithilfe einer Wachskerze erleuchtete Gesicht ein wenig genauer an.

"Doch, ich erkenne sie sehr wohl. Sie sind der Typ, der mich vorhin hochkant in den Dreck befördert hat." Travis kratzte sich nervös am Hinterkopf und druckste verlegen herum.

"N-nunja...d-das war ein ganz blödes...Missverständis. Ich habe sie leider nicht erkannt Mylady, a-aber ich hoffe, sie nehmen mir das nicht all zu übel. Sie sehen momentan aber auch wirklich...anders aus." Kate schürzte die Lippen.

Sie hatte zwar nicht die geringste Ahnung, wer Travis war und verzeihen tat sie ihm ganz gewiss nicht, aber wenn er sie jetzt sofort irgendwie, irgendwo ins Warme befördern konnte, würde sie gnadevoll über seinen Fehler hinwegsehen. "Und was jetzt?"

"Natürlich kehren wir sofort zum Palast zurück und befreien sie aus ihren ärmlichen Kleidern und lassen ihnen ein heißes Bad ein. A-Also nicht ich, sondern i-irgendeine Bedienstete natürlich."