Voller Tatendrang stieg ich aus dem Auto aus und ging zielstrebig auf den Supermarkt zu. Niemand warf mir schiefe Blicke zu, und auch so beobachtete mich niemand. Die meisten hielten mich vermutlich für jemand, der hier eine Skihütte gemietet hatte und etwas länger Ski-Urlaub machte und sich nun etwas zu Essen kaufte. Kam hier nicht gerade selten vor.
Ich packte einen Einkaufwagen, schob ihn durch den Matsch des Schnees und betrat das Einkaufszentrum von Meienburg. Die Sonnenbrille ließ ich auf meinen Kopf, ebenso wie die Bommelmütze.
Schnell hatte ich den gesamten Einkaufswagen voll. Und zwar nicht nur mit Dosenfutter und Tetrapacks. Mit ein paar Hundert Euro weniger und einem schweren Einkaufswagen ging ich wieder zurück zu meinem Audi. Es dauerte schon fast eine Ewigkeit bis ich alles in dem kleinen Kofferraum geräumt und verstaut hatte.
Der Eisenwagen war wieder aufgeräumt und ich saß hinter dem Steuer des Autos. Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum. Sollte ich jetzt gleich zurück auf den Hof fahren? Oder doch noch etwas warten und erst das Eingekaufte nach Hause zu bringen und einzuräumen. Ich biss weiter auf meiner Lippe herum. Wenn das so weiter ging würde ich mir noch eine Lippenpflege kaufen müssen, damit ich nicht mit kaputten und spröden Lippen herumlaufen musste.
Ich dachte an das Gespräch mit Jacob. Er würde mich abholen das war mir klar. Selbst wenn ich so tun würde, als ob ich nicht zuhause wäre könnte er in das Haus kommen. Jeder meiner Freunde hatte einen Zweitschlüssel. Damals war meine Hütte sozusagen der Treffpunkt der Bergwachtjugend gewesen – und auch danach noch. Jeder konnte ein und aus gehen, wann immer und wie er wollte.
Ich schluckte schwer. Ich hatte keine Lust die ganzen alten Gesichter wieder zu sehen und mir immer und immer wieder vorwerfen zu lassen, wie geschockt ich sie doch alle hatte nachdem ich abgehauen war. Und dabei hatte ich ihnen doch damals einen Zettel hinterlassen, dass sie sich keine Sorgen um mich machen mussten, dass ich wusste was ich tat.
Ich schüttelte den Kopf. Wenn es gut ging waren nur Jacob und Peter zuhause. Wenn es schlecht ging waren auch noch Moritz Freundin Vicky mit ihren Zwillingen auf dem Hof. Ich sah auf die Uhr. 13:51 Uhr. Wenn ich ganz viel Glück hatte würde ich sie gar nicht sehen. Viktoria holte ihre Kinder immer von der Schule ab. Sie brauchte sicherlich eine gute halbe Stunde bis sie in Salzburg war. Inklusive dem ganzen Verkehr vielleicht sogar eine dreiviertel Stunde.
Ich schüttelte den Kopf und startete den Motor. Augen zu und durch. Auch wenn ich mich automatisch verspannte als ich an meinen Großvater Peter dachte. Ihm hatte ich es zu verdanken wieder hier her gekommen zu sein. Wäre er nicht für Unzurechnungsfähig erklärt worden wäre ich in Hamburg geblieben und mich so irgendwie durchgeschlagen.
Mit quietschenden Reifen blieb ich neben dem alten und mittlerweile umgebauten Schweinestall stehen. Dieser diente nun als Maschinenhalle.
Lange starrte ich auf das große Haupthaus, bis ich mich schließlich aufrappelte und mit langen Schritten auf das Haus zuging. Von draußen konnte man schon in die Küche sehen. Alles war schon Weihnachtlich geschmückt, jedoch brannte kein Licht. Ich schluckte schwer.
DU LIEST GERADE
Den Bergen so nah
ChickLitDie einundzwanzigjährige Marlene Leitner ist eine waschechte Sanitäterin im Salzburger Land. Regelmäßig sitzt sie im Hubschrauber und fliegt mit dem Bergretter-Team zu den verschiedesten Einsatzorten. Doch als eines Wintermorgens ein Notruf gesetzt...