Kapitel 09

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Ich runzelte die Stirn

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Ich runzelte die Stirn. Seit dem Tod des Hubers stand die Hütte leer. Er hatte keine Kinder und war im Allgemeinen immer ein sehr griesgrämiger Mensch gewesen. Hier hätte er unterkommen können. Jedoch lag die Hütte über dem Plato. Er hätte es erstmal bis hoch kommen müssen, um dann einen eher langen Weg zur Hütte gehen müssen.

Kopfschüttelnd ging ich auf das Funkgerät zu und drückte den Knopf. „Jacob für Marly" „Jacob hört" „Könnte er nicht rein theoretisch in der Hütte vom alten Huber sein? Sie ist über dem Plato, aber mein Gefühl sagt mir, dass er dort sein könnte", ich wippte auf meinem Fuß auf und ab. „Wir sollen also aufsteigen?", fragte Maxi, der das gesamte Gespräch mitgehört hatte. „Ja. Keine Ahnung warum, aber ich vermute ihn dort", sagte ich und blickte auf den unordentlichen Schreibtisch. „Das ist die letzte Station die wir noch machen, bevor es dunkel wird. Jacob Ende"

Ich atmete tief durch und ließ mich zurück in den Drehstuhl fallen. Kurz sah ich gegen die Decke, fixierte meine Augen wenig später jedoch auf die liegen gebliebenen Unterlagen. Ein langes Schweigen breitete sich zwischen Fabienne und mir aus. Ich wusste nicht was ich zu ihr sagen sollte.

Und es kam bestimmt nicht gut, wenn ich sagen würde, Hey ich habe deinen Freund geküsst. Nein, so jemand war ich nicht. Ich schluckte meinen Schmerz einfach hinunter. Auch wenn es noch so schwer sein würde. Warum hatte er mich geküsst, wenn er doch genau wusste, dass er eine Freundin hatte.

Ich hörte wie Fabienne aufstand und vor mir stehen blieb. „Alles gut?", fragte ich sie genervt. Wenn ich eines hasste, dann waren es Menschen, die in unangenehmen Situationen anfingen zu starren. Am besten noch mit einem Blick bei dem man meinen könnte, dass sie sich gerade eine Strategie überlegte, wie sie mich am besten um die Ecke bringen könnte.

„Was läuft da zwischen dir und Jacob?", fragte sie mich und stützte ihre Arme auf dem Tisch ab. Dabei brachte sie einen Stapel schon bearbeitete Rechnungen stark ins Schwanken. „Nichts, was sollte da laufen?", antwortete ich zu meiner Überraschung mit einer gleichgültigen Stimme und sicherte den Stapel vor dem Umfallen.

„Warum hast du ihn bei dem Funkspruch gefordert. Du hättest auch genauso gut Lare oder Maxi fordern können", zischte sie und zog ihre Augen zu schlitzen zusammen. „Nein hätte ich nicht. Jacob ist der Gruppenführer. Er entscheidet was gemacht wird und was nicht", antwortete ich. Und dabei hatte ich sogar Recht. Wow, was einem bei so einem Studium doch hängen blieb.

„Warum habe ich dann das Gefühl, dass da zwischen euch etwas läuft?", fragte sie misstrauisch. „Ich bin erst seit vier Tagen wieder hier. Ich war zwei Jahre weg. Wir haben uns verändert. Ich bezweifle, dass er noch etwas mit mir zutun haben möchte", sagte ich und dachte dabei an unseren Kuss. Ich fühlte mich schlecht. Jedoch wollte ich nicht zwischen den beiden einen Streit entfachen. Was das Dorf wohl darüber denken würde.

„Was wenn nicht?", fragte sie provozierend. „Glaub mir, ich war früher komplett anders", sagte ich müde und blickte wieder auf die Rechnungen. Gerade holte Fabienne wieder Luft, als Jacobs Stimme aus dem Funkgerät ertönte.

„Marly hört", meldete ich mich und hoffte auf gute Nachrichten. „Wir haben ihn. Du hattest Recht. Er war in der Hütte. Er ist stark unterkühlt. Wir bringen ihn ins Kinderkrankenhaus in Salzburg. Benachrichtigst du die Polizei. Die Eltern sollten gleich ins Krankenhaus kommen", sagte er und ein breites Grinsen lag auf meinem Gesicht. „Wir gemacht. Marly Ende", sagte ich und sank zurück in den Drehstuhl. Ich hatte gerade einem Jungen das Leben gerettet. Und es fühlte sich ... gut an. Richtig befreiend. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Ich packte das Telefon und wählte die Kurzwahl zur Polizei. Sofort nahm die Freundliche Polizistin ab. Ich sagte, dass der Junge in das Krankenhaus gebracht werden würde, und dass es ihm soweit gut ging. Die Eltern sollten gleich nach Salzburg fahren. Ihnen fiel sicherlich ein Stein vom Herzen.

„Du findest, dass eine Unterkühlung nicht schlimm ist?", fuhr mich Fabienne an. Erschrocken sah ich auf. Was hatte das den jetzt zu Bedeuten? Verwirrt sah ich sie an. Was war denn bitte in die Gefahren?

„Im Vergleich zu anderen Sachen, die in den Bergen passieren kann, ist eine Unterkühlung schon fast Harmlos", erwiderte ich mit zusammen gekniffenen Augen. Jetzt mal Ehrlich, was ging bei dieser Frau schief? „Eine Unterkühlung kann Lebensgefährlich sein! Vor allem bei einem Kind! Nenne mir eine Sache die Schlimmer ist, als eine Unterkühlung!", rief sie aus und ich sah sie geschockt an.

„Gut. Wie du willst. Du hängst an einem Seil. Du kletterst eine nicht sonderlich steile Kante hoch. Als plötzlich eine Lawine über dich zusammen bricht. Du wirst 500 m mit geschleift. Du hast kein Lawinensuchgerät bei dir, und du hast auch niemanden erzählt, dass du Klettern gegangen bist. Niemand weiß wo du bist. Du bist unter Schneemassen begraben, und du erstickst an deiner eigenen Luft. Ich denke du hast begriffen, dass es schlimmere Fälle als Unterkühlung gibt", sagte ich und packte meine Jacke vom Stuhl. So was musste ich mir echt nicht bieten lassen!

„Jacob sagt immer, dass das was dir passiert ist, alles andere Übersteigt", sagte sie mit einem feixenden Unterton. Ich blieb vor der Glastüre stehen und starrte in das Dunkel. Das Neonorange Seil tauchte wieder vor mir auf. Das Schweizer Taschenmesser und die Schreie von Moritz.

„Jacob hat keine Ahnung was damals wirklich passiert ist. Niemand hat das. Das wissen nur ich und Moritz. Und das wird auch so bleiben", sagte ich, öffnete die Tür und trat hinaus in die Dunkle und kalte Dezembernacht.

Doch genau in diesem Moment kam ein Auto in die Straße eingebogen und hielt genau vor der Bergwacht. Johlend stiegen Lare, Maxi und Jacob aus. Michel flog den Hubschrauber noch in die Station und schrieb den Bericht. Alles so wie immer.

„Hey, wo willst du denn hin?", fragte mich Lare und schlang ihren Arm um mich. „Heim", antwortete ich nur schlicht. „Ach komm, wir müssen das doch noch feiern", meinte sie und grinste mich zweideutig an. „Nein, ich bin echt fertig. Und so wie du heute Morgen ausgesehen hast, brauchst du auch eine Mütze voll Schlaf", meinte ich nur und öffnete die Autotür.

„Hey, komm. Das müssen wir echt feiern", meinte nun auch Maxi stellte sich neben Lare. „Ein andern mal gerne. Aber heute nicht", wehrte ich nur ab. „Gut, aber ich komme noch mit dir nach Hause. Wir haben uns ja noch so viel zu erzählen", sagte Lare und stieg auf der Beifahrerseite ein, während Maxi mich fest an sich drückte und sich in die Rettung verabschiedete.

Ich tat es Lare gleich und stieg in den Wagen ein. Und als ich den Motor startete trafen sich Jacobs und mein Blick. Ich schluckte schwer und sah wieder in die Bergwacht hinein. Fabienne stand mit überkreuzten Armen vor der Scheibe und beobachtete uns.

Wenn Blicke töten könnten.

Den Bergen so nahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt