Hello!

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Wie sich herausstellte, wurde das englische Wetter seinem Ruf immer wieder gerecht. Am nächsten Tag goss es wie aus Kübeln, sodass "Hyde Park Scout" verschoben werden musste. Und das sogar um zwei Wochen. Die Arbeiter hatte sich noch am selben Abend daran gemacht, alles wieder abzubauen und in LKWs zu verstauen. 

Luke und Izzy hatten sich schon am frühen Nachmittag verabschiedet und wollten auch nicht vor Mitternacht wiederkommen. Ich hatte also sturmfrei. Mit dem Laptop auf dem Schoß hatte ich es mir in der Niesche am Fenster bequem gemacht, um mit meiner Familie zu skypen. Das Telefonat dauerte fast eine Stunde. Wir weinten viel, lachten aber auch über so einiges. Meine Eltern waren begeisterte Leser meines Blogs und fanden die Geschichte mit Mr.Fastfood richtig gut. Alles in allem war es einfach schön, sie wiederzusehen. Solange man die vielen Tränen bei unserem Abschied nicht beachtete.


Ich hatte gerade den Computer heruntergefahren, als es an der Tür klingelte. Wer konnte das sein? Gut, Einbrecher waren es dieses Mal ganz bestimmt nicht. Den Atlas konnte ich also im Regal lassen. Es klingelte wieder. Seufzend klappte ich den Laptop zu und stellt ihn auf den Tisch. Vor dem Spiegel im Flur blieb ich noch einmal stehen und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Viel half es jedoch nicht.


Ding-Dong. "Ich komme ja schon", rief ich und öffnete genervt die Tür. Am liebsten hätte ich sie sofort wieder zugeschlagen. Was war das denn? Vor der Tür standen ein Mann und eine Frau. Der Mann trug einen komplett weißen Anzug mit einer leuchtend roter Fliege. Seine Haare standen vom Kopf ab, so als hätte er in eine Steckdose gegriffen. Allerdings war das gewollt: Sie glänzten von dem vielen Gel und Haarspray. Oder war das etwa Glitzer? Die Frau sah nicht viel besser aus. Über dem knallpinken Kleid, das ihr bis zu den Knien ging, trug sie eine Pelzjacke, für die viele arme Tiere ihr Leben gelassen hatten (oder besser gesagt: lassen mussten) und dazu weiße High Heels. Und mit diesen Schuhen kam sie jetzt auf mich zu und - umarmte mich! Sogleich wurde ich von einer riesigen Duftwolke eingehüllt. Ich fing an zu husten. Die Frau schob mich schnell von sich weg . "Ach Gott, bist du etwa krank? Wieso hat dir Isabelle denn keinen Tee gemacht?" Bevor die Frau sich an mir vorbeidrängen konnte, versperrte ich ihr gerade noch den Weg. "Entschuldigung", sagte ich, "aber ich weiß immer gerne erst, mit wem ich es zu tun habe, bevor ich jemanden hereinlasse." Vor allem, wenn die Leute, die vor der Tür stehen, aussehen, als wären sie dem letzten "Die Tribute von Panem"-Film entsprungen, fügte ich in Gedanken hinzu.


"Na hör mal, Mädchen. Hat dir Isabelle denn nicht von uns erzählt?" Sie hat auf jeden Fall nicht erzählt, dass sie Verwandte im Kapitol hat, dachte ich. Und antwortete: "Nicht das ich wüsste."

"Das ist wieder einmal typisch für unsere Tochter."  Tochter??? Oh Gott, ich ahnte Schlimmes! "Gut. Dann stellen wir uns eben vor. Mein Name ist Linda Tyler und das ist mein Mann Lennard. Und du bist sicher Olivia-Marie. Ich hab mich ja schon so gefreut, dich kennenzulernen!!!" "Ääh, nur Olivia. Aber - Ja." Ich schüttelte ihre dürre Hand, die sie mir entgegenstreckte. Gleich darauf ließ ich sie wieder los, da ich Angst hatte, etwas zu zerbrechen, und begrüßte meinen Gastvater Lennard. Wieso hatte er nicht ein wenig mehr Ähnlichkeit mit dem Lennard aus "The Big Bang Theory"? Der war zwar auch ein wenig komisch, aber nicht so wie DAS hier!

"Entschuldige bitte unseren Aufzug, Olivia", meinte Linda nun, "du weißt ja, dass wir gerade von der Arbeit kommen, oder?" Ich atmete hörbar auf. Anscheinend liefen sie wenigstens nicht immer so herum...

"Also, dürfen wir jetzt reinkommen?" "Na klar", antwortete ich und schloss die Tür hinter den beiden.


"Diese Amerikaner trinken ja immer nur Kaffee. Das ist wirklich schlimm, weißt du, Olivia-Marie? Könntest du dir ein Leben ohne Tee vorstellen?", fragte mich Linda, während sie einen Küchenschrank nach dem anderen öffnete. Ich beugte mich zu der Schublade mit den Teebeuteln und zog sie auf. "Hier", wies ich auf die circa 100 verschiedenen Teesorten, "such dir einen aus. Und ja, wahrscheinlich könnte ich mir ein Leben ohne Tee sehr gut vorstellen."

Entgeistert sah Linda mich an. "Meinst du das ernst?" Sie durchwühlte das Fach und hielt schließlich triumphierend eine Box mit der Aufschrift "Pfefferminztee" in der Hand. Igitt, dachte ich nur. 

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