Tardy~Ich werfe gerne weg...[1/2]

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Teil [1/2]

Sicht Ardy:

Ich saß in der Küche und hörte der Uhr beim ticken zu. Ich fühlte mich wie in einem alten Film, in dem die Ehefrau nachts am Küchentisch mit Spitzendecke und Blumenvase saß und auf ihren Mann wartete. Immer wenn ich eine solche Szene gesehen hatte, hatte ich der Protagonistin im Kopf Vorwürfe gemacht, hatte sie durch die Scheibe meines Fernsehers anschreien wollen, dass er sie halt einfach nicht mehr liebte, dass sie mal ihre Augen aufmachen sollte. Ich hatte mich immer gefragt, wie man so blind sein konnte. Sie sollten doch einfach Schluss machen, wenn sie doch sahen, dass ihre Männer sich immer davon schlichen und dann nachts mit zerstörten Friseuren wiederkamen. Aber keine tat das, warum auch immer.

Aber jetzt, wo ich selbst in genau so einer filmreifen Szene saß - okay,  vielleicht ohne die Vase und die Tischdecke - konnte ich endlich verstehen, was in den Köpfen von den allen vorging. Natürlich waren es am Anfang diese Standard Phrasen. Wo war er? Und mit wem war er 'wo-auch-immer'?

Diese Fragen hackt man in Gedanken sofort mit den Worten ›Keine Ahnung‹  ab, und kommt dann sofort zum leugnen. ›Er wollte nur frische Luft schnappen‹, ›Es hat bestimmt irgendwo einen Notfall gegeben‹, ›Sein Handy ist sicher nur leer‹, aber dann, wenn man einsieht, dass es sicher nicht so war, dass es dafür keine plausible Erklärung gab, kamen die wirklich komplizierten Dinge.

Die Sachen, die einen sofort in den Kopf schießen, wenn man eingesehen hat, dass es keine Erklärung gab. Sicherlich hätte ich weiter daran geglaubt, dass es nur wegen einem Notfall war, aber es war nicht das erste Mal, dass er nachts verschwand und dann völlig fertig und verschwitzt wieder hierher kam. Ich kannte das alles schon, nur lag ich jetzt nicht wach im Bett und überlegte Ausreden, um mir selbst ein reines Gewissen zu machen, sondern saß filmreif hier und wartete darauf, dass ich ihn konfrontieren konnte. Ich wandte meine Blick von der Uhr ab und sah auf den Tisch vor mir. Ich verstand warum in Filmen dort immer eine Vase stand. Man könnte sie so toll werfen. Warum hatten wir keine? Das war tragisch.

Ich schüttelte meinen Kopf und fuhr mir kurz durch die braunen Haare. Ich hatte kompliziertere Dinge im Kopf als Blumenvasen, aber eines war sicher. Ich würde eine kaufen, einfach weil der Effekt so viel cooler wäre.

Seufzend gab ich mich den beißenden Fragen hin, welche sich in meinem Kopf breit machten.

Wieso war er weg? War ich nicht genug? Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte er keine Gefühle mehr für mich? Seit wann?

Ich biss mir auf die Unterlippe, warum musste alles so kompliziert sein? Kurz verfluchte ich ihn, konnte er denn nicht einfach in unserem Bett liegen bleiben? Nicht einfach treu sein?

Ich könnte aufschreien, es war so anstrengend, unlogisch, aufwühlend und einfach nur frustrierend. Wenn er mich nicht mehr liebte, konnte er doch einfach Schluss machen? Wäre eindeutig leichter zu ertragen, als hier zu sitzen und über Vasen nachdenken.

Aber was könnte ich auch sonst tun ? Ich hatte schon alles getan, was ich alternativ hätte machen können. Ich war schon lange darüber hinweg meine Augen vor der Wahrheit zu verschließen, schon lange fertig damit, mich verzweifelt an Erinnerungen zu hängen, und auch schon durch damit, darüber nachzudenken, was ich verlieren würde, wenn ich es ihm sagen würde. Ich würde ihn verlieren, oder besser gesagt, er mich. Und wir uns.

Das alles hatte ich schon so lange durchgekaut, ich hatte es nur satt. Also saß ich einfach nur noch hier, wartete auf ihn, damit ich kurz seinen Ausreden lauschen konnte - mit welchen ich mir selbst schon hundert Mal versucht habe, zu erklären, warum er nicht da war - um ihn dann mit dem eigenen Wissen zu konfrontieren.

Und in irgendeinem komischen Sinne, in irgendeinem dunkeln Eck meines Hinterkopfes freute ich mich darauf. Er hatte mir weh getan, jede verdammte Nacht, in der er weg war, er hatte mich verletzt, als er immer so tat, als wäre nie etwas passiert. Und ich ? Ich hatte ihn nie darauf angesprochen, hatte blindes Vertrauen, aber jetzt nicht mehr. Und ja, ich freute mich darauf, ihm in seine verdammten Augen zuschauen und vor die Füße werfen zu können, dass ich eine genaue Ahnung hatte, was er da abzog.

Youtuber OS // BoyxBoyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt