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Tardy~aber ich hab noch niemals gut gefangen [2/2]

Teil: [2/2]

Ardys Sicht:
Während ich langsam auf ihn zu lief, musterte ich ihn. Wie konnte er auch jetzt so unfassbar gut aussehen? Seine Haare saßen perfekt, er sah ausgeschlafen aus und hatte selbst jetzt, wo er mit niemanden sprach oder sonst mit irgendwelchen Menschen agierte, ein dezentes Lächeln auf den Lippen, welches ihn sofort sympathisch aussehen ließ.

Und ich? Ich versuchte mir mal kurz das Bild vor Augen zu rufen, das mich heute früh im Spiegel begrüßt hatte. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, meine Haare zu ordnen, meine Augenringe gingen quasi bis zu . . nun ja, zu meinen Knöcheln, oder irgendwas noch viel weiter unten und mein gesamtes Auftreten schrie nach: „Ich mache nur eine RTL Marathon Pause, weil ich neues Bier brauche und in meinem Kühlschrank findet man höchstens undefinierbaren Käse, ein halbvolles Glas Gurken, eine zerknautschte Tube Senf und eine mysteriöse Tupperdose."

Ja, das war so ziemlich alles, was man sehen könnte, wenn man mich ansah. Und dann blickte man zu ihm und sah quasi . . ja, quasi genau das Gegenteil von mir.

Also alles in einem genau der perfekte Zeitpunkt ihn zu treffen. Oder ich schreibe ihm halt gleich eine 'Wieso musste es so enden'- Winsel Email. Würde sicher das gleiche jämmerliche Bild abgeben. Ich schüttelte kurz meinen Kopf und ließ meinen Blick schweifen, bis ich auf den einer älteren Dame traf, die mich ansah, als würde sie mich drücken wollen und mir dann einen Lolly schenken, damit ich nicht mehr ganz so mitgenommen aussah. Damit wäre meine Vermutung, wie schlimm es um mein Aussehen stand, wohl bestätigt. Also würde ich wohl irgendwas zwischen Mitleid und Ekel hervorrufen...könnte schlimmer sein.
Also mir viel jetzt nicht ein, was schlimmer sein könnte, aber da gab es sicher was.

Ich stand schon quasi direkt hinter ihm, als mich weitere Gedanken überrannten. Wie in Gottes Namen, sollte ich ihn den ansprechen? Wie begrüßt man sich eigentlich in so einer Situation? Ihn überschwänglich zu umarmen wäre wohl nicht ganz das Richtige. Vorbei gehen wäre wohl auch alles andere als jetzt noch irgendwie möglich – ja das würde schon sehr geistig abwegig aussehen. Wie bekam ich denn seine Aufmerksamkeit? Ihm auf die Schulter tippen ? - Das wäre schon mehr schmerzlicher Körperkontakt mit meinem Ex, als ich verkraften könnte. Aber welche andere Möglichkeit würde mir denn offenstehen? In sein direktes Sichtfeld springen und ,Buh' rufen?

Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, hatte ich schon lautstark ,Hallo' an seinen Hinterkopf geschrien, wohl etwas lauter als nötig. Ich hatte es quasi gebrüllt. Das Resultat? Er schreckte zusammen und drehte sich mit erschrocken Blick zu mir um, fast so, als hätte ich ihn erstochen.

Seine Aufmerksamkeit – und die von Leuten im Umkreis von gefühlt 100 Kilometern – hatte ich. Allerdings sah er mich so entgeistert an, dass es wohl, um den Schein einer lockeren Basis zu bewahren, effektiver gewesen wäre, auf ihn zu schießen. Fünf oder Sechs Mal. Ja, er sah schon sehr geschockt aus.

Nach gefühlten Stunden von unbehaglichen Schweigen zog er eine Augenbraue nach oben und sah mich kühl und immer noch überrascht an.

„Hä?", war dann schließlich das erste – zugegeben sehr intelligente Wort – das über seine leicht auf gebissenen Lippen kam. Und ich musste sagen, ich hatte seine Stimme vermisst. Verdammt.

Wir beide sahen wir auf den Boden, aber ansonsten standen wir so aufrecht, als würde uns jemand zusehen und Haltungsnoten geben.

Wäre die ganze Szene anders, nicht so angespannt, nicht so kurzfristig und nicht mit meinem Ex hätte ich angefangen aus tiefster Seele in ein herzhaftes Lachen auszubrechen. Ja, das alles hier war schon fast verboten merkwürdig.

Er hob auch die andere Augenbraue und sah mich abwartend an, worauf ich nur auf meine Unterlippe biss, ja, was sagt man dann? Noch einmal ,Hallo' rufen wäre das einzige was mir in den Sinn käme, aber das würde die, sowieso schon mehr als nur unangenehme Situation, auf ein ganz neues Level bringen.