Türchen 12: Schienenersatzverkehr (Christian Früchtl)

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Halloooo🤗🤗

Heute gibt es eine Geschichte für myherokimmich.
Ich finde, eine der schrecklichsten Dinge im Straßenverkehr ist Schienenersatzverkehr. Entweder die Busse sind überfüllt oder sie kommen nicht😅
Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem😉

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Genervt schaute ich in den Bus hinein. Fast überall saßen schon Leute. Und hinter mir standen noch gefühlt fünfmal so viele. Ich seufzte missmutig und ging wieder einen Schritt vor. Was war denn so schwer daran, sich zu beeilen? Einfach reingehen und fertig. Aber nein, es dauerte mal wieder Stunden. Warum musste ich auch unbedingt soweit außerhalb von München unterwegs sein? Ausgerechnet heute musste die blöde Bahn ausfallen.
Fünf Schritte weiter stand ich dann im Bus. Zumindest fast. Der Typ vor mir kramte ewig lange in seiner Tasche herum und suchte scheinbar seine Fahrkarte. Statt die vorher schon mal zu suchen.
„Geh einfach durch. Na mach schon", brummte der Busfahrer und bedeutete ihm mit einer Handbewegung abzuhauen. Ich rollte meine Augen und zeigte dem Busfahrer meine Karte. Er nickte nur und ich lief weiter. Überall saßen Leute. Einige starrten aus dem Fenster, andere sahen gelangweilt zu mir, die meisten wirkten wenig begeistert. Verständlich.
Ich war in der Mitte des Busses angekommen, als der Typ mit der nicht existenten Karte stehen blieb. Ich stellte mich auf Zehenspitzen und schielte an ihm vorbei weiter den Gang entlang.
„Dahinten ist noch ein Platz", murmelte ich und stieß den Kerl dabei am Arm an. Er brummte daraufhin nur irgendetwas Unverständliches.
„Darf ich wenigstens durch, wenn du hier schon stehen bleibst?", seufzte ich und sah ihn erwartungsvoll an. Er regte sich einfach nicht. Langsam wurde ich wütend. Ohne weiteren Kommentar drängelte ich mich an ihm vorbei. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht, weil er sich einfach keinen Millimeter bewegte. Aber schließlich war ich an ihm vorbei, nahm meine Tasche von den Schultern und setzte mich mit einem Seufzen auf den letzten freien Platz. Es war so ein Vierer, bei denen man sich immer furchtbar beobachtet fühlte und nie wusste, wohin man gucken sollte, um den Vordermann nicht anzustarren. Also hielt ich meine Tasche fest und schloss sofort die Augen. Es würde eh noch Jahre dauern, bis sich das Ding hier in Bewegung setzen würde, also konnte ich auch einfach schlafen.

Ungefähr zwei Minuten ging das gut. Dann spürte ich urplötzlich einen harten Schlag gegen mein Gesicht. Vor Schreck öffnete ich die Augen und wehrte mich sofort mit den Händen.
„Pass doch auf!", zischte ich einen Jungen an, der mir seinen Rucksack mitten ins Gesicht gerammt hatte.
„Tschuldigung", murmelte er und sah mich reumütig an. Er versuchte wohl gerade, sich an dem Mann neben ihm vorbei zu quetschen.
„Schon gut", seufzte ich also und machte ihm ein bisschen Platz.
„Geht es dir gut, Schätzchen?", fragte da plötzlich die Person neben mir. Ich schaute nach links und sah in das übertrieben besorgte Gesicht einer alten Dame. Na toll, das hatte mir noch gefehlt.
„Ja, alles super", murmelte ich und schaute wieder nach vorne. Dabei huschte mein Blick über die zwei Personen mir gegenüber. Direkt vor mir saß eine Frau um die dreißig. Sie starrte angestrengt auf ihr Handy und wirkte ein bisschen gestresst. Schräg gegenüber am Fenster saß ein Junge. Warte...
„Christian?", fragte ich ungläubig und begann, ein bisschen zu grinsen. Wenigstens ein bekanntes Gesicht hier.
„Hey", schmunzelte er. Wir kannten uns aus der Schule. Er ging in meinen Jahrgang. Wir hatten zwar nicht übertrieben viel miteinander zu tun, aber wenn wir mal etwas zusammen machten, und sei es nur eine blöde Gruppenarbeit in der Schule, verstanden wir uns gut.
„Bist du sicher, dass es dir gut geht? Das tat doch bestimmt weh", meinte die Frau neben mir da. Christian schaute schnell aus dem Fenster, aber ich sah sein amüsiertes Grinsen.
„Alles gut, machen Sie sich keine Sorgen", versuchte ich sie zu beschwichtigen und holte mein Handy aus der Jackentasche.
„Ich bin die Hannelore. Wie heißt du denn?" War das ihr Ernst? Sie wollte jetzt nicht wirklich in einem völlig überfüllten Bus mit mir Small Talk führen?!
„Julia", nuschelte ich und betete, dass sie es dabei belassen würde. Im nächsten Moment erklang die brummelnde Stimme des Busfahrers, der die Leute bat, noch weiter zusammen zu rücken. Inzwischen passte niemand mehr in den Bus.
„Meine Enkelin hat mir schon gesagt, dass der Bus zu voll wird. Aber ich fahre gerne Bus. Du auch?" Hannelore drehte sich in ihrem Sitz ein Stückchen zu mir um. Hatte ich ein leuchtendes sprich-mich-an-Schild auf der Stirn kleben? Mein Blick kreuzte kurz den von Christian, als ich sie ungläubig ansah.
„Ich fahre lieber mit dem Boot über die Berge", sagte ich trocken. Vielleicht würde sie ja locker lassen, wenn ich unfreundlich wurde.
„Oh, der Witz war gut", gluckste sie stattdessen und tätschelte meinen Arm. Ich sah wieder zu Christian, der gerade sein Handy hervor holte. Nur wenige Sekunden später vibrierte meins leicht. Ich warf einen Blick darauf und öffnete WhatsApp. Als ich sah, von wem die Nachricht war, machte ich sofort das Licht des Bildschirms so dunkel wie möglich und hielt es möglichst unauffällig von meiner Nachbarin weg.
„Ich schätze, du hast eine neue Freundin", hatte Christian mir geschrieben.
„Wie soll ich die Fahrt überleben?", schrieb ich zurück und schmollte ihn an. Er zuckte kaum merklich die Schultern.
„Tu so, als würdest du telefonieren :D", schlug er dann vor. Diesmal schüttelte ich ganz leicht den Kopf. So gut war ich dann doch nicht im Improvisieren. Abgesehen davon hasste ich es, wenn Leute im Bus telefonierten, also musste ich das nicht auch noch selbst machen.
„Meine Enkelin heißt Lea. Kennst du sie? Sie müsste ungefähr so alt sein wie du."
„Nein, nie gehört", murmelte ich und starrte angestrengt auf mein Handy. Ich kannte zwar mindestens fünf verschiedene Leas, aber das da gerade ihre Enkelin dabei war, war nun wirklich sehr unwahrscheinlich. Abgesehen davon hatte ich schlechte Laune und wollte kein einziges Wort mehr mit ihr wechseln.
„Du würdest sie mögen", schwärmte sie dennoch weiter. Diesmal ignorierte ich sie einfach. Schön und gut, dass sie eine stolze Großmutter war. Das rechtfertigte nicht, dass sie mich jetzt um den Verstand brachte. Ich mochte ihr das aber auch nicht sagen.

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