Seit dem die Taschenuhr unfreiwillig in meinen Besitz gewechselt ist, sind ein paar Tage vergangen und obwohl sie sehr wertvoll aussah, konnte ich es nicht übers Herz bringen, die Uhr weg zugeben. Ich behielt sie und trug sie mit mir herum, darauf bedacht, dass sie keine Aufmerksamkeit erweckte. Ich hatte gerade die Goldkette einer Dame in der Hand, die mich kurz zuvor umgerannt hatte und war auf dem Weg zum Pfandverleih, als meine Hand die Taschenuhr streifte. Ich blieb kurz stehen und umschloss sie fest in meiner Jackentasche. Warum kommt mir das Bild nur so bekannt vor...Bin das...wirklich ich auf dem Foto...? Ich setzte meinen Weg fort, doch das Bild von der Familie ließ mir keine Ruhe und ich beschloss es mit den Fotos aus meiner Vergangenheit zu vergleichen, sobald ich wieder Zuhause war. Kurze Zeit später stand ich auch schon vor dem Geschäft und betrachtete das Schaufenster. Die meisten der geklauten Sachen, sind anscheinend schon wieder bei ihren alten Besitzern oder haben neue... Vorsichtig öffnete ich die Tür und betrat den Laden. Ich schlängelte mich an den Regalen vorbei und ging Richtung Tresen, als ich zwei Stimmen vernahm. "Das meiste Diebesgut taucht immer hier wieder auf. Könnte es nicht sein, dass meine Taschenuhr auch hier ist?" Ich erkannte die Stimme: Sie gehörte zu dem Mann mit dem weißen Sakko. Panik stieg in mir auf und ich blieb an der Stelle stehen. Wenn der mich hier sieht zählt der eins und eins zusammen und weiß, dass ich sie habe... Ich versteckte mich hinter eins der Regale und tastete mich weiter vor. Langsam, ganz langsam ging ich weiter zum Tresen und passte auf, dass ich keinen Laut machte, der ihnen meine Position verraten könnte. "Tut mir leid Twisp, aber bis jetzt kam deine Taschenuhr nicht hier an.", sagte Satoshi, "Falls sie hier ankommen sollte, melde ich mich bei dir." Ich spähte um die Ecke des Regales und sah wie der Mann im Sakko auf und ab lief. Anscheinend passt ihm das nicht, dass ich sie habe. Ich musste mich zusammen reißen, um nicht laut los zulachen, aber ein Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Woher kennen sich die beiden? Vielleicht aus Satoshis früheren Leben? Genervt blieb der Mann stehen und schlug mit der Hand auf den Tresen. "Abgemacht, Satoshi!", sagte er und ging sich zum Ausgang. Vor der Tür blieb er aber noch einmal stehen und drehte sich um. "Ich melde mich die Tage nochmal. Reine Routine." Dann rauschte er raus und ließ Stille zurück. Satoshi fuhr sich durch die langen, weißen Haare seines ehemaligen Sidecuts und steckte sich seine Pfeife an. Er nahm einen kräftigen Zug und schloss die Augen. "Komm raus Yume...Ich habe dich schon längst bemerkt.", hallte es in meinem Kopf. Ich blickte weiter um das Regel und traf seinen Blick. Seine eisblauen Augen sahen mir direkt in die Seele und sein Lächeln vermittelte mir eine Freude, die ansteckte. Ich verließ mein Versteck und ging zu ihm. Kaum war ich am Tresen angekommen, nahm ich Schwung und setzte mich auf die Kante. "Tachchen Satoshi.", begrüßte ich ihn, "haben dir die Geister deiner Vorfahren verraten, dass ich hier bin?" "Mehr oder weniger.", lachte er und schaute mich durch seine Halbmondbrille an, "also, was hast du mir denn heute schönes mitgebracht?" "Nichts Besonderes...", antwortete ich und schaute ihn genauer an. Seine bronzefarbene Haut, das blauen Bandana und den Federn-Perlen-Schmuck in seinen Haaren waren die einzigen Hinweise darauf, dass er indianische Wurzeln hatte. Er war darauf bedacht, dies nicht Preis zugeben, denn er war Schamane eines verbannten Volkes, die Salish, und man hatte ihn lange gejagt. Den Salish wurde nach gesagt Verträge mit den Dämonen und den Geistern der Verstorbenen zu haben, jedoch wurde das nie bewiesen. Aus Angst wurden sie vertrieben, gejagt und hingerichtet. Satoshi entkam und ist der einzige Überlebende seines Stammes. "Yume, ich weiß, du hast da was in der Jackentasche, was du mir geben möchtest.", sagte er und streckte die Hand aus. Ich legte den Kopf schief. "Also nur zur Info, es gehört sich nicht in den Köpfen von anderen herum zu schnüffeln.", sagte ich und gab ihm die Kette. "Es gehört sich ebenso wenig, Leute zu bestehlen.", konterte er. "Touché." Ich verschränkte die Arme und Satoshi lachte beherzt. "Na, dann wollen wir doch mal sehen, was du mir Schönes mitgebracht hast." Er holte seine Sachen und fing an die Kette zu begutachten. "Ich darf mich doch hier ein bisschen umschauen oder?", fragte ich und sprang runter. "Klar, aber mach nichts kaputt.", sagte Satoshi und begutachtete weiter die Kette. Ich ging durch die Reihen von Regalen und betrachtete die "Ware". Davon sind mindestens 80% geklaut, 15% Fälschungen und 5% Müll... Aber trotzdem hat der Laden seinen Reiz... "Wer war das eigentlich gerade?", fragte ich, während ich weiter die Regale betrachtete. Meine Augen blieben an einem Fußkettchen hängen, das aus Perlen und Tükise gemacht war. "Ein alter Freund. Er sucht eine Taschenuhr.", antwortete er mir, "Du weißt nicht zufällig wo sie ist oder?" Ich nahm das Fußkettchen in die Hand und ging zu Satoshi. "Nope, keine Ahnung was du meinst. Was willst du eigentlich dafür haben?" Ich zeigte ihm das Kettchen und er schaute es sich kurz an. "Wenn du mir Infos zur Uhr gibst, kannst du es umsonst haben..." Das ist jetzt nicht sein Ernst, oder? "Ich weiß nichts von einer Uhr!", sagte ich schnell, doch Satoshi glaubte mir dies nicht. "Yume, wo ist sie?" "Na gut, ich besorg sie dir und bringe sie morgen vorbei, ok?" Satoshi nickte und gab mir das Fußkettchen. Ich freute mich, drückte ihn kurz und legte es sofort um. Es sah sehr hübsch aus und betonte meinen Fußknöchel. "Zurück zum geschäftlichen.", sagte Satoshi und ich sprang wieder auf die Kante des Tresens, "Ich kann dir für die Kette sagen wir mal 100€ geben." "Wie heute nicht in Spendierlaune?", fragte ich neckisch und schaute ihn an, "die ist mehr Wert, das weiß ich." Satoshi schaute mich fragend an. "Ach und wie kommt die junge Dame darauf?", er hatte seine Händler Stimme aufgesetzt und ich imitiert sie perfekt, "Nun ja, wenn der Herr doch mal genauer hinschauen würde, würde er sehen, dass es erstens eine Echt-Goldkette ist und zweitens ist der Smaragd in der Mitte echt." Zufrieden schaute ich in das verdutzte Gesicht von ihm und verschränkte die Arme vor meiner Brust. "Also, wie sieht es aus? Was ist dein Preis?" Satoshi kratzte sich an der Stirn und nahm noch einen Zug von seiner Pfeife. "Ist ja gut, du hast gewonnen. Sagen wir 200€?" Er streckte mir die Hand entgegen, ich nickte und nahm sie an. Dann ging er zur Kasse und holte das Geld. "Den Pfandschein brauchst du ja nicht, oder?", sagte er und gab mir das Geld. Ich schüttelte den Kopf und steckte das Geld in mein Portemonnaie. "Ne, den brauche ich wirklich nicht." Satoshi lachte und hustete kurz. "Na ja, ich bin dann mal weg.", sagte ich, sprang vom Tresen und ging zur Tür. "Bis bald Yume! Und vergiss die Taschenuhr nicht." Ich blieb vor der Tür stehen und legte meine linke Hand auf den Türknauf. "Wir sehen uns, Satoshi!", sagte ich und winkte mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger meiner rechten Hand über die Schulter. Dann verließ ich den Laden und machte mich auf den Heimweg.
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Welcome To My Wonderland
FantasyJedes Abenteuer erfordert einen ersten Schritt... Nach dem Yume ihre Eltern in einem Autounfall verlor, wuchs sie als Waisenkind auf den Straßen der Stadt Monesko auf. Sie schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bis sie eines Tages einen mysteriöse...