Chapter 5

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Eine Stunde später, betrat ich die Lobby des Hochhauses und ging zum Aufzug als May, von der Rezeption nach mir rief. "Yume, kannst du kurz herkommen?" Ich drehte mich um und ging zu ihr. "Was gibt's?, May", fragte ich und lehnte mich leicht auf die Theke. Sie lächelte mich an und gab mir einen Haufen Briefe. "Ich wollte dir nur eben deine Post geben." "Danke.", sagte ich, klemmte sie mir unter meinen Arm und ging zum Aufzug. Ungeduld stieg in mir auf und meine Hand hämmerte auf den Knopf, welchen den Aufzug ins Erdgeschoss rief. Jetzt beeil dich, scheiß Ding. Ich will endlich das Foto vergleichen... Es pingte, die Aufzugtüren gingen auf und ich stieg ein. Auch hier blieben die Knöpfe unverschont und meine Finger prügelten auf den Knopf zum Penthaus ein. Als der Aufzug sich endlich in Bewegung setzte, wanderte mein Blick zu den Briefen. Größten Teils waren es Rechnungen die bezahlt werden mussten oder Werbung. Nichts besonderes also... Gedankenverloren holte ich die Taschenuhr aus meiner Jackentasche und fuhr das elegante, filigrane Muster auf ihr nach. Ich würde sie am liebsten behalten...aber ich hab es Satoshi versprochen... Ping! Der Ton ließ mich zusammen zucken und ich schaute von der Taschenuhr auf. Abermals öffneten sich die Aufzugtüren und ich betrat das Penthaus. Meine Schuhe schmiss ich in einer der Ecken des Flurs, bevor ich ins Wohnzimmer rannte und die Uhr auf den Tisch legte, um die Fotoalben zuholen. Ich rannte weiter zum ehemaligen Schlafzimmer meiner Eltern, aber mein Versuch davor zu stoppen missglückte und ich schlitterte an der Tür vorbei. Rutschend kam ich zum Stehen, drehte mich um und ging zurück. Einen Augenblick lang blieb ich kurz vor der großen, weißen Doppeltür stehen und holte Luft. Ich habe es seit dem Tod von ihnen nicht mehr betreten und es nun zu tun ist irgendwie...komisch... Langsam drückte ich die Klinke herunter und betrat schweren Herzens das große, helle Zimmer. Das Bett war gemacht und in den Schränken lagen noch immer ihre Kleidung, sowie Schmuck. Da jede Woche unsere Putzfrauen kamen, war hier nirgends Staub zusehen und ich war erstaunt, dass sie all die Wertsachen im Zimmer ließen. Noch einmal blickte ich traurig zum Bett, schüttelte kurz meinen Kopf, um meine Gedanken zu richten und ging weiter zu dem Bücherschrank, indem neben etlichen Krimis und Romanen, auch unsere Fotoalben standen. Ich suchte nach denen, welche die Familienfotos beinhalteten. Familienfotos von Mum...die von Dad...Ah, da sind die mit mir... Vorsichtig nahm ich die beiden Alben heraus, verließ das Schlafzimmer und ging wieder ins Wohnzimmer. Ich setzte mich auf das Sofa und begann mit meiner Recherche. Die Suche im ersten Fotoalbum war vergebens, denn auf den Fotos, die es enthielt war ich noch zu jung. Enttäuschung machte sich in mir breit während ich durch das zweite Album blätterte. Ich glaube, ich habe mich geirrt. Es ist ebenfalls hier nicht...Moment, was war das..? Ich stoppte und blätterte zurück. Meine Hand, welche die Seite festhielt begann zu zittern, bevor ich diese ruckartig losließ, als hätte ich mich an ihr verbrannt. Auf der Seite war ein Familienfoto, aber etwas daran war...anders. Der Hintergrund des Fotos war in einem warmen gold-braun Ton gehalten und man könnte fast meinen, dass es gemalt anstatt fotografiert wurde. Meine Eltern standen hinter einem großen, antiken Stuhl mit rotem Samtbezug. Beide hatten eine Hand auf die Lehne gelegt, so als wenn sie die Person die auf dem Stuhl saß beschützen wollten. Meine Mutter trug ein langes blutrotes Kleid, welches eng an ihren Körper lag und ihre Figur perfekt betonte. Es war an der einen Seite offen und man konnte eines ihrer Beine samt passenden roten Schuh mit hohen Absatz sehen. Ihre hellen Haare waren hochgesteckt und ein Diadem schmückte ihr Haupt. Mein Blick wanderte zu meinem Vater und ich sah, dass auch bei ihm eine Krone seine dunklen Haare schmückte. Er trug ein schwarzes Hemd, mit einer roten Krawatte und roter Weste. Seine schwarze Hose und die polierten Schuhe vervollständigten sein Outfit. Langsam fuhr ich mit meinem Blick weiter das Bild entlang und blieb auf dem Mädchen hängen...blieb auf MIR hängen. Das Mädchen auf dem Foto BIN ich.... Meine langen, braunen Haare waren gelockt und ein bisschen nach hinten gesteckt. Das Kleid das ich trug ging von einem schneeweißen in einen dunkelrot Farbton über. Ich hatte meine Beine übereinander geschlagen und meine Hände auf die Knie gelegt. Meine grünen Augen schauten direkt in die Kamera und ich lächelte leicht. Komisch...wie kann das sein? Ich kann mich nicht an das Foto erinnern...aber anscheinend wurde es kurz vor dem Unfall aufgenommen... Meine Hand griff nach der Taschenuhr, ich öffnete sie und verglich die beiden Fotos. Es war ein und das selbe. Ich schaute sie mir etwas länger an, wobei ich immer den Blick von dem Einen zum Anderen schweifen ließ. Wie kann das sein, warum sollte ein Fremder ein Familienfoto von uns... Das Klingeln meines Handys riss mich aus den Gedanken. Ich schaute auf die Nummer und hob ab. "Hey May!" "Hey Yume.", sagte May, "Sorry, falls ich dich störe, aber es wurde hier nochmal etwas für dich abgegeben." "Schick es mir einfach hoch....", sagte ich und hielt kurz inne, bevor ich weiter sprach, "...oder bring es mir nachher in deiner Pause vorbei. Dann spendiere ich die noch einen Tee, wenn du möchtest..." "Klingt super! Ich mache in zehn Minuten Pause und fahre dann zu dir hoch" Ich hörte die Freude in ihrer Stimme. "Ok, dann bis gleich.", sagte ich und legte auf. Meine Füße trugen mich in die Küche, während ich immer noch über das Foto grübelte. Habe ich meine Erinnerung aus dieser Zeit vergessen oder will ich mich nicht an damals erinnern...Aber was kann es mit dem Bild nur auf sich haben..? Auch das Wasser kochen ging wie von selbst, denn erst das Pfeifen des Wasserkochers holte mich wieder in die Gegenwart zurück. Ich schlug mir leicht auf die Wangen, um wieder komplett im hier und jetzt zu sein und griff nach dem Teeservice und meinem Lieblingstee: Chaitee mit einem Hauch von Kirsche. Nachdem ich den Tee aufgesetzt hatte, machte ich mich noch auf die Suche nach ein paar Keksen und fand schließlich eine Keksdose mit selbst gebackene Chocolate Chips Cookies. Diese gesellten sich ebenfalls auf das Tablett mit dem Teeservice, welches noch auf der Anrichten stand. Ich huschte nochmal kurz ins Wohnzimmer und räumte die Fotoalben vom Tisch, damit wir dort Platz hatten. Kaum hatte ich das Tablett aus der Küche geholt und auf den Wohnzimmertisch gestellt, hörte ich den Aufzug und May stieg aus...

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