"Du hast uns ganz schön erschrocken, meine Liebe.", sagte Satoshi und ließ sich auf den Hocker hinter dem Tresen fallen. Der Mann mit dem Sakko ging ein paar Schritte zurück und lehnte sich an das Regal. "Als wenn ich das extra gemacht hätte.", murmelte ich, bei dem Versuch mich aufzurichten. Mir brummte der Schädel, meine Sicht verschwamm leicht und dank der Tatsache, dass sich alles um mich drehte, wurde mir schlecht. Das war ne beschissene Idee... Ich legte mich, mit geschlossenen Augen, wieder zurück auf den Tresen. Das Bild von dem Mann mit dem Sakko, der mit zwei weiteren Silhouetten vor mir stand, schoss an meinen Augen vorbei. Das Gefühl ihn zukennen verstärkte sich und ich versuchte mich zu konzentrieren. Woher kenne ich ihn? Warum wird mir warm ums Herz, wenn ich ihn ansehe? Hat er was mit meiner Vergangenheit zutun? Mir wurde immer schlechter und ich hatte das Gefühl mich übergeben zu müssen. "Yume, ist alles ok?", fragte Satoshi. Ich unterdrückte den Würgreiz und nickte kurz. "Ja, geht schon...glaub ich..." OK, die Idee war auch nicht besser... Ich hörte auf in meinen Erinnerungen zu wühlen und endlich hörte auch langsam die Welt auf, sich zu drehen. Trotzdem blieb ich noch einige Minuten liegen, um sicher zu gehen, dass ich nicht wieder auf blöde Ideen kommen würde. Als ich mir sicher war, dass es mir besser ging, richtete ich mich auf und öffnete die Augen. Beide Männer beobachteten mich schweigend. Ich war ihnen Dankbar, dass sie ein Auge auf mich hatten, während ich mit meinem Anfall gekämpft hatte. "Nach all der Aufregung, könnte ich eine Tasse Tee vertragen.", sagte Satoshi und stand auf, "möchte sonst noch wer ein Tässchen?" "Ja, ich.", sprach der Mann vom Regal aus und ich hob kurz meine Hand, "Ich hätte auch gerne eine Tasse..." Satoshi nickte und ging durch den Durchgang hinter dem Tresen. Mein Blick folgte ihm, bis er aus meinem Sichtfeld verschwand. Dann wanderte er rüber zum Regal. Der Mann mit dem Sakko schaute mich ebenfalls an und unsere Blicke trafen sich. "Ich kenne dich." Mein Mund öffnete sich einfach und sprach den Gedanken aus. Er lachte. "Ja, von dem Tag, an dem du mir meine Taschenuhr geklaut hast." "Das meinte ich gar nicht." Ich schüttelte meinen Kopf. "Ich kenne dich von viel früher. Du tauchst in den Bilder in meinem Kopf auf." "Wie meinst du das?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch. Ich versuchte die Wörter in meinem Kopf zu einer Antwort zusammen zu puzzeln. "Vor 5 Jahren hatte ich einen Unfall. An dem Abend verlor ich meine Eltern und auch einen großen Teil meiner Erinnerungen." "Und was hat das mit mir zutun?", fragte er vorsichtig. "Na, vor der Nacht von 5 Jahren.... Ich habe das Gefühl, dass du ein fester Bestandteil meines Lebens warst...Ich weiß es klingt komisch, vor allem, weil ich dir auch die Uhr geklaut habe..." Die Wörter sprudelten aus meinem Mund und ich schaute auf meine Füße, die über der Kante des Tresens baumelten. "Ich weiß es macht keinen Sinn für dich! Es macht ja noch nicht mal Sinn für mich! Nur irgendwas tief in mir sagt mir, dass ich dich kennen SOLLTE!" Der Mann stand auf und kam auf mich zu. "Wie soll etwas, dass für dich keinen Sinn macht, für mich Sinn machen?" Ich raufte mir die Haare und schrie: "Man, ich weiß es doch auch nicht! Meine Intuition sagt mir das, doch mein Kopf kann ihr nicht folgen." Ich wollte etwas kaputt machen, irgendwas schmeißen, sodass es in tausend Teile zerspringt. Meine Hand griff nach der schönen Vase, die neben mir stand. Als ich ausholte, hielt der Mann meine Hand fest, sodass die Vase gerettet war. Satoshi kam mit einem Tablett zurück, auf dem drei Tassen, ein Teller mit Keksen und eine Kanne mit Tee standen. Er zog eine Augenbraue hoch und musterte die Szene, dann holte er tief Luft und stellte das Tablett neben mir auf dem Tresen. "Wir beruhigen uns erst mal alle wieder.", sagte er und goss Tee in die erste Tasse. Der Mann löste seinen Griff und nahm die Vase aus meiner Hand. Er stellte sie zurück auf ihren Platz, nahm Satoshi die Tasse ab und reichte sie mir. Satoshi reichte ihm eine weitere Tasse. "Hier bitte, Nivans." Er nickte kurz, nahm Satoshi die Tasse ab und ging zurück zum Regal. Nivans. Der Name klang in meinen Gedanken nach, jedoch war es nicht die Stimme von Satoshi. Es war die einer Frau: Meiner Mutter. "Nivans, wir sind dann weg." Das Bild von eben zeigte sich mir wieder. Zwei Gestalten, meine Eltern, die in der Tür stehen und Nivans, der mich an der Hand hielt. "Pass gut auf unsere Tochter auf, MC Twisp." Meine Eltern zogen sich ihre Schuhe und Jacken an und Verabschiedeten sich von mir und Nivans. "Keine Sorge, Queenie.", sagte Nivans und streichelte mir über den Kopf, "Ich behalte sie im Auge. Yume, sollen wir zusammen etwas spielen?" Das Bild verschwand und ich blickte mit großen Augen in das Gesicht des Mannes. "Nivans Mc Twisp.", murmelte ich, "Du warst ein Arbeitskollege meiner Eltern. Du hast uns öfters besuchst und mit ihnen Karten gespielt. Du warst bei mir, wenn meine Eltern unterwegs waren und hast auf mich aufgepasst..." Die Abende an denen meine Eltern mit Nivans und mir zusammen saßen. Der Tag, an dem er das Foto gemacht hat, welches in meinem Medallion ist und auch das Foto in der Taschenuhr. Er war wie ein großer Bruder für mich. Der Schlüssel zum Geheimnis meiner Elten ist er. "Hisashiburi, Yume Asura.", sagte er zu mir und lächelte mich freundlich an, "es tut mir Leid, dass ich nicht früher zu dir Kontakt aufgenommen habe. Ich musste meinem Chef versprechen, dass ich nichts zu dir sage, bis dass du einen Teil der Erinnerungen wieder erlangt hast." Mir stiegen die Tränen in die Augen und die Tasse rutschte mir aus der Hand. Klirrend schlug sie auf dem Boden auf und zersprang in tausend Teile. "Arschloch! Mistkerl!", schrie ich, "All die Jahre! All die Jahre hast du nichts gemacht!" Ich sprang vom Tresen und rannte auf ihn zu. Meine Fäuste schlugen auf seine Brust ein und Tränen liefen mir die Wangen runter. Sie tropften auf seinen Sakko, doch er schloss mich in seine Arme und streichelte mir über den Kopf. "Es tut mir wirklich leid.", flüsterte er mir in mein Ohr, " Ich wünschte, ich hätte für dich da sein können." Meine Schläge wurden langsamer und ich hörte auf. Ich umarmte ihn, aber meine Tränen stoppten nicht. Satoshi saß still hinterm Tresen und beobachtete den Moment. Ein bisschen Zeit verstrich und ich genoss den Moment, bis meine Beine wieder zu zittern begannen. Nivans bemerkte ebenfalls das Zittern. "Hast du gleich wieder ein Zusammenbruch?", fragte er vorsichtig. "Keine Ahnung.", antwortete ich mit einem Schulternzucken, "ausschließen kann ich es nicht. Ich lebe aber schon seit 5 Jahren mit diesen Anfällen und die Ärzte sagten mir, es gäbe keinen Weg die irgendwie zu verhindern." Wir gingen zurück zum Tresen und setzten uns auf die Hocker, die auf unserer Seite standen. Nivans goss uns beiden eine Tasse Tee ein, denn Satoshi hatte in der Zwischenzeit eine neue Tasse aus seiner Küche geholt. Ich trank einen großen Schluck aus ihr und ließ langsam die warme Flüssigkeit meine Kehle herunterlaufen. Die Süße von Lavendel und die Schärfe des Ingwer füllten meinen Mund. Ich griff zu den Keksen und nahm auch davon einen Bissen. Sie hatten ebenfalls eine leichte Lavendelnote und die Schokolade unterstützte diese noch ein wenig. "Lavendel. Er beruhigt die Nerven und heilt die Seele", murmelte ich und Satoshi nickte, "mein Gefühl sagte mir, es würde nicht schaden unseren Nerven eine kleine Pause zu gönnen." "Dein Gefühl oder die Geister?", fragte Nivans, aber Satoshi zuckte nur kurz mit den Schultern, "vielleicht auch beides?" Er hatte wieder sein verschmitzt Lächeln aufgesetzt und schaute uns über den Rand seiner Brille an. "Die Geister haben mir auch einen Tipp gegeben, was mit dir nicht stimmt, Yume. Sie gaben mir einen Hinweis." Er drehte sich kurz von uns ab und steckte sich seine Pfeife an. "Wie meinst du das?", fragte ich. Nivans versuchte Licht ins dunkel zu bringen. "Er hat dir bestimmt schon mal von seiner Herkunft erzählt, oder?" Ich nickte. "Er war Schamane bei den Salish. Einen Indianerstamm, der gejagt und ausgerottet wurde." "Du hast gut aufgepasst, Kleine." Satoshi nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife und ließ kleine Rauchringe entstehen. "Jedoch sind die Schamanen bei den Salish keine normale Schamanen. Wir stehen im Bunde mit der Magie."
"Ich verstehe nicht ganz..." Ich kam hinter den Worten nicht mehr her. Nivans goss sich noch etwas Tee nach und Trank einen Schluck. "Wie gut warst du in der Schule, Yume?", fragte er mich. "Bin...war ne Einser-Schülerin.",antwortete ich verdutzt. "Was hat dich dein Lehrer über die Entstehung der Welt gelehrt?", fragte er weiter. Ich leerte meine Tasse, während ich überlegte. "Mein Religionslehrer erzählte mir, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat. Meine Lehrerin für Naturwissenschaften erklärte, dass es mit dem Urknall zu Entstehung des Planeten kam..." "Und was wäre, wenn ich dir jetzt sage, dass die beide Unrecht haben?"
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Welcome To My Wonderland
FantasyJedes Abenteuer erfordert einen ersten Schritt... Nach dem Yume ihre Eltern in einem Autounfall verlor, wuchs sie als Waisenkind auf den Straßen der Stadt Monesko auf. Sie schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bis sie eines Tages einen mysteriöse...