Chapter 7

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Ich stoppte und blieb stehen. Meine Augen ließen nicht von dem Satz ab und ich stand da wie angewurzelt. Mir kommt der Satz vertraut vor... Wieso? Genervt trat ich nach dem Staub und wirbelte ihn auf, jedoch blieb er nicht lange in der Luft und verteilte sich dann irgendwie auf den Boden. Nein, er fiel wieder so präzise, dass der Satz wieder eindeutig zu erkennen war. Das ist ja wie Magie... Aber die gibt es doch nicht... Ich wiederholte es ein paar Mal und kam immer wieder zum selben Ergebnis. Jedes Mal trat ich energischer zu, bis ich merkte, dass ich außer Puste war und einen tierischen Durst hatte. Wütend stapfte ich in die Küche, ging zur Spüle, schnappte mir ein Glas und füllte es mit Wasser. In großen Zügen trank ich es leer und spürte wie das Wasser meine Kehle runter lief. Es wirkte beruhigend und langsam fuhr auch ich wieder runter. Mein Blick wanderte wieder zum Satz hin und ich überlegte. The Gates of Hell are the Entrance of the Wonderland... Woher kommt er mir nur bekannt vor...? Ich überlegte weiter und erinnerte mich an die Zeit zurück, die ich schon lange hinter mir gelassen hatte. An einer Zeit ohne finanzielle Probleme und in der ich jeden Tag lachen konnte: In der ich nicht einsam war. Während ich in meinen Gedanken weiter kramte, fuhr ich mir über den Nacken und stoppte, als meine Finger etwas berührten, das ich vergessen hatte. Das ist es!
Ich rannte in mein Schlafzimmer und blieb vor dem Spiegel stehen. Dort an dem Hals meines Spiegelbildes hing das letzte Geburtstagsgeschenk von meiner Mutter. Es war eine feine, dünne Goldkette mit einem kleinen, herzförmigen Medaillon, welches gerade so groß wie eine Haselnuss war. Auf dem Deckel war mein Name eingraviert, umringt von mehreren filigranen Linien, die kein wirkliches Muster andeuteten, aber irgendwie verliehen sie dem Medaillon eine mystische Aura. Meine Finger fuhren die Kette entlang und verweilten kurz auf den Anhängen, bevor sie wieder hoch zum Verschluss gingen und diesen öffneten. Ich ließ das Medaillon in meine rechte Hand gleiten und betrachtete, wie es in der Mitte meiner Handfläche ruhte. Danach klappte ich es auf und blickte auf das Foto, das sich auf der rechten Innenseite befand. Es zeigt mich und meine Eltern, die fröhlich lachten. Ich saß auf einer Schaukel und meine Haare wirbelten im Wind. Meine Eltern standen hinter der Schaukel und gaben mir Schwung. Es ist eine der schöneren Momentaufnahmen aus meiner Vergangenheit. Als ich meinen Blick hob, traf ich den meines Spiegelbildes. Ich sah, wie mir ne Träne über die Wange rollte und wischte sie schnell weg, bevor ich die linke Innenseite betrachtete. Da stand er, der Satz der mich aus dem Wohnzimmer gejagt hatte und weswegen ich vor meinem Spiegel stand. In einer feinen, schönen Schrift, die der meiner Mutter sehr ähnelte, stand er da:

The Gates of Hell are the Entrance of the Wonderland

Ich blickte Ewigkeiten auf diesen Satz und ich einen Entschluss fasste. Zuversichtlich schloss ich den Anhänger wieder und strich mit zwei Fingern über das Herz, bevor ich mir die Kette wieder um den Hals legte. "Na, geisterst du wieder in deiner Vergangenheit herum?"
Überrascht schaute ich auf und sah in das lächelnde Gesicht meines Ebenbildes.  Verdutzt rieb ich mir meine Augen und schaute es abermals an. Dieses Mal blickte ich in ein Paar verwunderte Augen und leicht geöffneten Mund. "Jetzt sehe ich auch noch Gespenster...", murmelte ich vor mich hin und drehte mich vom Spiegel weg. "Ach ja?! Sind sie nett? Wo sind sie denn?", sagte eine, mir ähnlich klingende Stimme. Ich fuhr herum und sah mein Spiegelbild wild um sich schauen, während mein Blick auf dem Spiegel hing. Als es bemerkte, dass ich es beobachtete, winkte es mir freudestrahlend zu. "Wo sind sie, Yume? Ich will sie auch kennen lernen...", sagte es zu mir. "Du bist nicht real!", sagte ich und schlug mir gegen die Wangen, um wieder in die Gegenwart zurück zukehren. Mein Ebenbild legte den Kopf schief und beobachtete mich. "Wenn ich nicht real bin, warum antwortest du dann und sprichst mit mir?" Mit offenen Mund starrte ich den Spiegel an. "Ich bin übergeschnappt! Wahnsinnig oder Verrückt!", sagte ich mehr zu mich selbst als zu dem Spiegelbild, " Nein, der Spiegel ist Verflucht! Ja, das ist es! Ich muss ihn nur zerstören und dann bin ich dich los!" Wie eine Verrückte lachte ich und durchsuchte den Raum, nach irgendwas, um den Spiegel zu zerschlagen und fand einen Stuhl in Reichweite. Meine Hand griff nach der Lehne und ich holte aus, aber irgendwas ließ mich Inne halten. Um ehrlich zu sein, wusste ich gar nicht, was es genau war. Vermutlich war es der Gesichtsausdruck meines Ebenbildes, das entschlossen auf mich herabblickte und dennoch störte mich etwas daran. Es war die Tatsache, dass es auf mich herabblickte, denn eigentlich hätte es auf Augenhöhe sein müssen. Ich stellte den Stuhl wieder hin und betrachtete dieses "Ich" genauer. Das "Ich" im Spiegel war nicht nur größer, sondern auch älter als das "Ich", was vor dem Spiegel stand. Mein Blick wanderte an mir herunter: Das dreizehnjährige "Ich" vor dem Spiegel trug ein schwarzes T-Shirt, eine zerrissene Jeans und Turnschuhe. Ich ging zu meiner Kommode, öffnete eine Schublade und fischte einen Handspiegel heraus. Er spiegelte meinen smaragdgrünen Augen und ich sah, dass meinen haselnussbraunen Haare zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden waren. Nun schaute ich wieder zu dem etwa 18-jährigen "Ich" in dem Spiegel. Sie hatte eine kurze, blau-graue Weste an, welche kurz unter den Brüsten aufhörte und den größten Teil meines flachen, durchtrainierten Bauches zeigte. Außerdem trug sie eine lange, ebenfalls blau-graue und an den Knien ein bisschen zerrissene Lederhose mit hohen Einsatzstiefeln, die auch einen kleinen Keilabsatz hatten. Das Outfit wurde mit mehreren Taschen, Waffenholster und Knieschonern vervollständigt. Ihre schulterlangen Haare trug sie offen und verdeckten einen Teil ihres Gesichtes. Beim genaueren betrachten fiel mir auf, dass mich etwas an ihren, meinen Augen störte. Sie waren nicht mehr grün, sondern türkis und die Pupillen waren auch anderes. Sie gleichen der einer Katze... Mein Zukunfts-Ich blickte mir selbstsicher in die Augen und erlöste mich aus der Starre. "Geh dahin und reden mit ihnen.", sagte es mit einer warmen Stimme und deutete auf seinen Anhänger vom Medaillon, "Sie hätten es so gewollt..." Ein letztes Mal sank ich den Blick auf den goldenen Anhänger und überlegte kurz. Dann richtete ich meinen Blick auf mein Spiegelbild, welches mittlerweile wieder normal war. "Ich besuche die Firma", sagte ich entschlossen und mein Spiegelbild nickte zustimmend. Danach verließ ich mein Zimmer, ging in die Küche und kochte mein Abendessen. Nach dem ich gegessen und noch die neuste Folge von "Beyond" geschaute hatte, ging ich ins Bett. Jedoch kreisten meine Gedanken noch Ewigkeiten um die Geschehnisse des Tages, bis ich schließlich irgendwann einschlief.  

Welcome To My WonderlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt