Chapter 10

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Nach einigen Stunden kam ich wieder zu mir. Da mich das Tageslicht blendete, drehte ich mich erst auf die Seite, bevor ich mich aufrichtete und die Schläfen massierte. Was ist passiert...? Es dauerte etwas bis sich meine Augen an das Licht gewöhnten und ich mich, zu meiner Überraschung, auf meinem Bett wieder fand. Langsam kamen mir die Erinnerungen an das Gespräch mit Nywa auf der Lichtung zurück, als mir auf einmal etwas bewusst wurde: Es gibt Magie und ich hatte Kontakt mit ihr. Mein Blick wanderte zum Spiegel und dann auf meine Hände. Sie hatten immer noch den leichten Schimmer, den sie auch auf der Lichtung hatten, aber um sicher zu gehen, zwickte ich mir in den Handrücken. Der Schmerz durchfuhr mich und mir war klar, dass ich wirklich wach war. "Es gibt sie wirklich... Es gibt Magie! Ich muss Satoshi davon berichten! ", rief ich, sprang vom Bett auf, verlor mein Gleichgewicht und landete auf meinem Gesicht. "OK, einen Gang zurück schalten.", murmelte ich, während ich mich behutsam aufrichtete. Vorsichtig taumelte ich auf die Tür zu, darauf bedacht nicht nochmal hinzufallen. Als ich bei ihr ankam, warf ich einen letzten Blick auf den Spiegel, bevor ich mein Zimmer verließ und in den Flur ging. Ich schlüpfte in meine Schuhe, zog mir die Jacke an, schnappte mir meine Schlüssel und ging raus zum Aufzug. Ganz langsam bekam ich wieder Gefühl in meine Beine. Währenddessen ließen auch die Gleichgewichtsstörungen nach. Der Aufzug erreichte die Etage und die Türen öffneten sich. Ich betrat ihn und drückte auf die Taste fürs Erdgeschoss. Ungeduldig wippte ich auf meinen Fußballen, denn er sollte schneller nach unten fahren. Mit den Augen verfolgte ich die Anzeige mit den leuchtenden Zahlen, welche das Stockwerk anzeigten. Endlich stand da "EG" und kaum waren die Türen offen, stürmte ich durch die Lobby nach draußen. Meine Füße kannten den Weg zu Satoshi: fast automatisch bogen sie um die Ecken und ich beschleunigte mein Tempo. Schneller, immer schneller trugen sie mich die Straßen entlang. Aus meinem Laufen wurde ein Rennen und ich schnitt die letzten Kurven immer mehr. Die meisten Leute die ich um rannte riefen mir Flüche hinterher, doch mich kümmerte es nicht. Ihre Meinung war mir egal, genauso wie ihre Flüche und Fuchtelleien mit den Armen. Was für mich zählte war mein Wissen, meine Entdeckung, die ich mit nur einem teilen wollte. Jemanden der davon Ahnung hatte und mir eventuell sogar etwas beibringen könnte. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, während die Umgebung um mich herum zu einem Farbenspiel verschwamm. Mit einem Ruck blieb ich stehen und fand mich vor Satoshis Laden wieder. Schwer atmend ich öffnete ich die Tür und betrat ihn. Die Tür donnerte zurück ins Schloss und ich drehte das altmodische Schild von "Open" auf "Close". Schnellen Schrittes ging ich auf den Tresen zu. Immer wieder blieb ich kurz stehen und warf einen Blick zwischen die Regale, um mich zu vergewissern, ob noch weitere Kunden im Laden waren, konnte aber niemanden sehen. Ich ging weiter und kam an dem letzten Regal vorbei, das mir die Sicht auf den Tresen nahm. Erleichtert niemanden im Laden zu sehen beschleunigte ich meine Schritte wieder, doch leider bemerkte ich erst zu spät die zweite Stimme und rannte um die Ecke. Zwei Männer wandten mir den Kopf zu und sahen mich an. Der Eine war Satoshi und der Andere war ein junger Mann, ein mir bekannter junger Mann, der einen weißen Sakko trug. Oh Shit! Das darf doch nicht wahr sein!? Ich stand da wie versteinert und erwiderte ihren Blick. "Yume...", sagte Satoshi mit ruhiger Stimme, "wir haben gerade von dir gesprochen." Langsam bekam ich wieder Gefühl in meinen Muskeln und ich ging auf die Beiden zu. "Ach ja? Das nenne ich Timing." Ich versuchte gelassen zu klingen und mein sicheres Auftreten zurück zu gewinnen. Es fehlten nur ein paar Schritte bis ich sie erreichte, aber meine Beine gaben nach und ich fiel zu Boden. Verflucht, warum jetzt? Ich spürte ein paar starker Hände die mich auf fingen. Zu meiner Überraschung kniete zu meiner Rechten der Mann mit dem Sakko und stürzte mich. "Ist alles ok, Miss?", fragte er, während er mir vorsichtig auf half. "J... Ja, geht schon, danke." murmelte ich, "Ich bin nur zu schnell gelaufen. Da gibt mein Kreislauf manchmal nach. Ist noch eine Nachwirkung von etwas, was vor ein paar Jahren passiert ist." Satoshi schaute mich besorgnisvoll an und tauschte einen kurzen Blick mit dem Mann im Sakko. Dieser nickte und legte einen Arm um meinen Rücken. Den Anderen platzierte er unter meinen Knien und bevor ich auch nur etwas erwidern konnte, trug er mich die letzten Schritte zum Tresen. Behutsam setzte er mich auf die Kante, dann stellte er sich neben Satoshi und schaute mich an. "Du warst doch das Mädchen, das mich vor ein paar Tagen auf der Straße angesprochen hat." Ich nickte kurz und sah auf meine Füße. Der Mann musterte mich, bevor er weiter sprach: "An dem Tag hab ich meine Taschenuhr verloren. Ich glaube sie wurde mir geklaut. Hast du sie gesehen?" Wieder nickte ich und wollte am liebsten im Boden versinken. "Kann ich sie zurück bekommen?", fragte er höflich und streckte die Hand aus. Ich hob den Blick. Meine Augen trafen seine und ich spürte, dass er etwas in mir auslöste. Es war eine Wärme die ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. Als ich ihn vor ein paar Tagen auf der Straße getroffen hatte, hab ich ihn mir nicht richtig angesehen, sondern nur aus den Augenwinkeln betrachtet. Nun da ich ihn genauer anschaute viel mir etwas auf: Ich kannte ihn. Der weiße Anzug mit der blauen Nadelstreifen-Krawatte, die schneeweißen, strubbeligen Haare und die strahlenden, hellblauen Augen. Irgendwo in meinem Inneren lösten sie ein Schreien aus und ich wollte ihn am liebsten in die Arme nehmen. Den Grund dafür wusste ich nicht, aber ich unterdrückte das Gefühl. Mein Blick wanderte zurück auf die offene Hand. "Klar, aber ich hätte da eine Frage...", sagte ich während meine Hand in die Tasche mit der Uhr glitt, "Haben wir uns schon mal gesehen? Ich bin mir nämlich nicht mehr sicher und seit dem Unfall hab ich einige Gedächtnislücken." Der Mann schaute mich an und legte den Kopf schief. Die Hand die er ausgestreckt hatte, ruhte nun auf seinem Kinn. "Du erinnerst mich wirklich an ein Mädchen, dass ich vor ein paar Jahren kennen gelernt habe. Sie war die Tochter von Arbeitskollegen und war ziemlich neugierig." Vielleicht weiß er etwas... "Frag weiter." Ich blickte zu Satoshi, der wohl wieder in meinen Gedanken herum geschnüffelt hatte. Er nickte kurz und ging nach vorne zur Ladentür. Ein leises "Klick" hallte durch den Laden, gefolgt von den Schritten die zurück zum Tresen gingen. "Da wir jetzt alleine sind, können wir in Ruhe reden", sagte Satoshi und stellte sich wieder zu uns. Ich wollte gerade fragen, woher er das Bild aus der Taschenuhr hatte, als mir wieder schwindelig wurde und ich nach hinten kippte. Mir wurde abermals schwarz vor den Augen und ich bekam keine Luft mehr. "Yume?!" Ich hörte Satoshis Stimme, wie sie meinen Namen rief und spürte seine Hände auf meinen Schultern. Er rüttelte mich leicht und sagte mir ich solle gefälligst nicht sterben. Das hab ich auch nicht vor! Noch nicht! Von fern nahm ich die Befehle war, die er schrie und mir immer wieder sagte es würde alles gut werden. Dann spürte ich wie mir jemand die Hand auf die Brust legte und eine angenehme Wärme floss durch meinen Körper. Ich kam wieder zu mir, schlug die Augen auf und sah zwei kreidebleiche Gesichter, die mich erleichtert ansahen.

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