Ich ließ meine Hände ins kühle Wasser gleiten. Es war noch früh am Morgen, die Sonne stieg langsam am Horizont auf. Der ganze Himmel erstrahlte in einem zarten Hauch von Röte. Ich trocknete meine Hände und strich über meine grau gewordenen langen Haare. Auf der Türschwelle der gegenüberliegenden Hütte erblickte ich eine Silhouette. Sie lehnte sich an den Türrahmen und starrte zu mir herrüber. Neben ihr erschien eine kleinere Gestalt. Sie lief auf mich zu und streckte ihre kleinen, gebrechlichen Hände nach mir aus. Ich breitete meine Arme aus und drückte sie an mich. Ein lauter Seufzer entfuhr meinem Mund. "Guten Morgen Omi, hast du gut geschlafen? Arbeitet Opa schon auf dem Feld?!", fragte sie mich stürmisch und ohne Luft zu holen. "Ja, Kleines, seit 3 Uhr in der Früh sät er die Samen für die diesjährige Weizenernte aus." Sie drehte sich um, lachte und hüpfte den sandigen Weg zum Acker entlang. Währenddessen trat ihr Vater aus der Tür heraus und kam auf mich zu. Er griff zu einem der bereitstehenden Waschbretter und stellte sich wortlos neben mich an den Brunnen. Er schaute mich an und verzog seine Lippen zu einem zaghaften Lächeln. Auch ohne irgendwelche Worte spürte ich die Liebe, die er in diesen Blick legte. Seine braunen Augen strahlten Zufriedenheit aus als er sich abwandte um neues Wasser aus dem Brunnen heraufzuholen. Er wuchtete den Eimer über den nassen Rand unserer einzigen nahegelegen Wasserquelle. Danach goss er vorsichtig ein wenig Wasser in die Waschwanne aus Ton. Ich griff zu unserer selbstgemachten Kamillenseife und versuchte, die schon verkrusteten Stellen von unserer Kleidung abzukriegen. Indes sah ich, dass er sowohl kleine Zweige als auch dicke Äste gesammelt hatte. Ein kalter Schauer fuhr über meinen Rücken. Es war zwar erst Mitte November, aber trotzdem war die Kälte unerträglich. Ich zitterte und holte mir aus unserer Hütte eine dicke Felljacke. Danach half ich ihm, die vielen Zweige und Äste neben dem Feuerplatz aufzustapeln. Mittlerweile waren immer mehr Menschen dazugekommen, die sich laut und angeregt unterhielten. Sie setzten sich auf die Holzbänke und warteten hungrig auf das Frühstück. Gerade als mein Magen anfing laut zu knurren, zog der köstliche Duft von Wildfleisch in meine Nase. So saßen wir da, dicht beim Feuer und wärmten unsere Finger auf. Das Zwitschern der Vögel wurde immer lauter. Die Sonne schien bereits fast senkrecht vom Himmel und alle genossen sichtlich die warmen Strahlen. Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite und schaute direkt in die haselnussbraunen Augen eines Fremden. In meinem Bauch fing es an zu kribbeln und ich wusste, dass es nicht an meinem Hunger lag. Zwischen uns knisterte es. Und ich hatte das Gefühl, dass wir uns schon länger kannten. Dieser Moment war irgendwie magisch und ich wollte für immer hier an diesem Ort bleiben.