No. 2

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«Blerim!» ruft Louis aufgeregt. In einem Affentempo rennt er zu Tür. «Hey Zwerg!» höre ich meinen älteren Bruder sagen. Erneut schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. Von so vielen höre ich immer wieder, dass sie meistens mit ihren Geschwistern streiten. Bei uns ist es überhaupt nicht so. Wir sind einfach ein Dreamteam. «Hey Schwesterchen!» begrüsst mich Blerim. Wenige Sekunden später schmatzt er mir einen Kuss auf die Wange. «Na, was gibts neues?» Blerim lehnt sich lässig an die Küchenzeile und schaut mich aufmerksam an. «Nichts, alles wie immer.» lüge ich. So wie ich ihn kenne, wird er es mir nicht glauben. Er kennt mich einfach zu gut. «Und jetzt nochmal die Wahrheit?» seufzt er. Ich wusste es. «Naja, wie soll ich sagen» druckse ich herum. «Ich würde vorschlagen das du es mir mit ganz normal erzählst. Du kannst es mir natürlich auch vortanzen oder vorsingen, aber-» «Blerim! Ist ja schon gut, ich erzähl es dir.» Ich seufze. Tief durchatmen. «Michael hat sich gemeldet.» Ich vermeide es so gut es geht, Blerim anzusehen. Er sagt nichts. Es ist still. Zu still. Kaum noch zum Aushalten. Langsam hebe ich meinen Blick und schaue vorsichtig zu meinem Bruder. Jeder Muskel in seinem Körper ist angespannt. Kein gutes Zeichen. «Blerim? Alles ok?» frage ich vorsichtig. Er schnaubt. «Nichts ist okay! Das dieser Bastard sich überhaupt traut sich bei dir zu melden. Ich habe diesem Wixxer doch ausdrücklich gesagt, was passiert, wenn er sich nochmal bei dir meldet.» Er schüttelt den Kopf. «Was hat er gesagt?» fragt Blerim und sieht mich durchdringend an. «Geschrieben.» sage ich. Blerims Gesichtsausdruck verändert sich und er schaut mich fragend an. «Er hat mir geschrieben.» erkläre ich leicht genervt. «Muss man dir jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen, Leonora?» fragt Blerim wütend. «Ganz ruhig! Er hat gesagt ich soll heute um 20:15 zum Hintereingang vom Wizemann kommen. Er hat dort einen Gig. Nach dem Gig will er reden.» erzähle ich meinem Bruder. Er hört mir, ohne jegliche Emotionen zu zeigen, zu. «Und?» fragt Blerim und sieht mich ernst an. Bei näherem Hinsehen sehe ich, dass auch ein wenig Besorgnis in seinem Blick liegt. «Was Und?» stelle ich eine Gegenfrage. «Ob du hingehst, verdammt noch mal!» Louis schaut von seinem Teller auf. «Du hast ein böses Wort gesagt.» stellt mein kleiner Bruder fest und schaut Blerim aus seinen grossen Kinderaugen an. «Tut mir leid, Kleiner. Ist mir so rausgerutscht. Wird nicht wieder vorkommen.» entschuldigt sich Blerim sofort. Louis nickt und wendet seine volle Aufmerksamkeit wieder seinem Essen zu. Währenddessen schaut mich Blerim mit durchdringendem Blick an. Ich seufze ergeben. «Ehrlich gesagt weiss ich es nicht. Ich habe mir eigentlich fest vorgenommen, nicht hin zu gehen. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt es mir so vor, als wäre es schlauer meinen Problemen mal ins Gesicht zu sehen. Ich bin schon zu oft davor weggerannt. Ich will mir selber beweisen, dass ich stark bin und es nicht nötig habe vor meinen Problemen wegzurennen. Ich muss ihnen in die Augen schauen, verstehst du Blerim?» Meine Stimme klingt verzweifelter als gewollt. «Dann geh da hin.» lautet Blerims Antwort schlicht und einfach. Ich schaue ihm in die Augen. Diese Antwort habe ich überhaupt nicht erwartet. Und um ehrlich zu sein passt sie auch überhaupt nicht zu meinem grossen Bruder. Er ist eigentlich eher so der Beschützer-Typ. Er verbietet mir eigentlich immer das, wovon er das Gefühl hat, es könnte mich verletzten. Ich hatte ja die Vermutung, dass er auch die Aktion von Michael als Gefahr für mich sieht, aber ich muss mich wohl getäuscht haben. Trotzdem traue ich dem Braten noch nicht so. «Wieso bist du so?» frage ich. Die Skepsis in meiner Stimme ist nicht zu überhören. «Wie bin ich denn?» fragt er mich mit einem gewissen Provozierenden Unterton in der Stimme. «Wieso bist du nicht dagegen, dass ich mich mit Michael treffe? Du versuchst doch sonst auch immer mich von solchen Situationen fern zu halten. Wieso jetzt nicht?»-«Weil du recht hast. Du musst lernen deinen Problemen ins Auge zu sehen. Du musst dich ihnen stellen. Auch wenn sich in meinem inneren alles dagegen sträubt dich zu dem Treffen zu lassen, ist es deine Entscheidung. Wenn ich ehrlich bin würde ich dich sogar lieber hier einsperren als dich dort hin zu lassen. Aber es ist deine Entscheidung.» er lacht bitter auf. Ich mache einen Schritt auf meinen grossen Bruder zu und umarme ihn. «Ich bin sehr froh darüber, dass du meine Entscheidung akzeptierst, aber ganz auf den Grosser-Bruder-Beschützerinstinkt in dir will ich in Zukunft auch nicht verzichten.» murmle ich nachdenklich in sein Shirt. «Wirst du auch nicht müssen. Wir werden ein gutes Mittelding finden.» verspricht er mir.

Verzeihen? ~Shindy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt