1. Sturmwolken

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Sanft, ja beinahe liebevoll, strich Felix mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand über die glatte Rundung des goldenen Instruments. Es glänzte, spiegelte das Licht der Deckenlampe hypnotiesierend und warf ebenso Felix' Spiegelbild wie das des Verkäufers auf merkwürdig verzerrte Art und Weise zurück.
„Ein schönes Instrument.", gab er anerkennend zu. „Darf ich ein paar Töne spielen?"
Der Verkäufer nickte. „Aber bitte.", sagte er und trat mit offenen Armen zurück. Felix atmete durch, schloss die Augen und setzte das Mundstück des Saxophons an die Lippen. Schon ein paar Herzschläge später drangen die klaren Töne durch den Laden an der Ecke.
Langsam ließ Felix das Instrument wieder sinken. „Wie viel?", fragte er, die Augenbrauen hochgezogen.
„Nun ja, es ist wunderschön verarbeitet.", der Verkäufer kratzte sich am stoppeligen Kinn, als könne er sich nicht entscheiden und es schien, als wolle er gerade ansetzen, Felix einen viel zu hohen Preis anzubieten, als der Blonde eine Bewegung in seinen Augenwinkeln gewahrte. Als er den Kopf wandte, um nachzusehen, was seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, fuhr er zusammen, als sei ein Blitz in ihn eingeschlagen. Es war sich zwar sicher, dass die beiden Männer, die gerade vor dem Schaufenster vorbei gehen wollten, ihn nicht gesucht, ja nicht Mal erwartet hatten. Und gerade deshalb verfluchte er sein Schicksal, als der Dunkelhaarige der beiden Männer seinen Kollegen an der Schulter festhielt und durch das Glas direkt auf ihn deutete.
„Entschuldigen Sie.", Felix wandte den Blick nicht ab, als ihn nun beide Männer anstarrten und sich ohne ein Zeichen der Verständigung synchron zur Tür wandten. „Komme ich hier irgendwie raus? Durch die Hintertür vielleicht?"
Der Verkäufer folgte seinem Blick und wurde fast augenblicklich blass. Er antwortete nicht und Felix wusste auch warum. Niemand würde sich freiwillig mit denen, die dort durch die Tür kamen, anlegen.
„Rick.", sagte Felix und nickte den Männern zu. „Steve. Lange nicht gesehen."
„Sieh Mal einer an.", Rick sah so grimmig aus wie bei ihrer letzten Begegnung, jedoch grinste er jetzt. „Können wir dich überreden uns zu begleiten?", es klang wie eine Frage, doch ihr Blick machte klar, dass er keine Wahl hatte.
„Entschuldigt.", Felix zuckte mit den Schultern. „Ich hab noch zu tun."
Im Nachinein wusste er nicht mehr, was er sich dabei gedacht hatte, jetzt einfach in einer plötzlichen Bewegung das Saxophon hoch zu reißen und dem vor ihm stehenden Mann damit einen Kinnhaken zu verpassen. Noch während dieser zu Boden ging holte Felix ein zweites Mal aus und zog dem überrascht dreinblickenden Rick das blechernde Instrument mit aller Kraft über den Schädel.
Ohne sich zu entschuldigen ließ Felix das, nun zerbeulte, Stück Metall fallen und stürmte nach draußen, einen hilflos dreinblickenden Musikverkäufer mit zwei von Flos treuesten Männern ausgestreckt auf dem Boden liegend zurück lassend. Erst drei Straßen weiter erlaubte er es sich, mit rasendem Herzen in einen Laufschritt zu verfallen. Nach weiteren fünfhundert Metern blieb er endlich stehen und wischte sich über die Augen. Er hatte wohl gerade eine Regenpause erwischt, denn der unebene Boden war übersäht mit Pfützen, die den grau gestreiften Himmel wiederspiegelten.
Wieder wischte Felix sich durchs Gesicht. Sein Herzschlag pochte noch im ganzen Körper wieder, doch würde sich hoffentlich bald wieder beruhigen. Er musste weiter, noch ein paar Umwege machen und die Eventualität von Verfolgern eleminieren. Ein weiteres Mal fuhr er sich über die Stirn, dann setzte er sich wieder in Bewegung, in eiligem Laufschritt und mit unheilvoll schmerzendem Magen. Fast, als hätte er es geahnt.

Jako machte sich langsam Sorgen. Normalerweise starrte er nicht mit düsterem Gesicht aus dem Fenster, vor allem nicht, wenn es regnete, doch jetzt konnte er nicht anders. Es wurde schon dunkel, die Straßenlaternen waren bereits aufgeflammt, und Jako saß am Fenster und sah den Regentropfen zu, wie sie an der Fensterscheibe hinab rannen.
Endlich wandte er sich ab, ging zu der hölzernen Kommode am anderen Ende das Raums und öffnete die oberste Schublade. Die flackernde Glühbirne an der Decke ließ das Metall des Revolvers blitzen, als Jako ihn einsteckte und sich dann seinen Mantel von der Garderobe nahm. Als er aus der Haustür in den Regen trat, der mittlerweile wieder wie ein Wasserfall niederging, band er sich die Haare zurück.
Es war ein ungutes Gefühl, dass ihm verriet, wo sein Mitbewohner war. Und es war Sorge, die sich darunter mischte, weil er nicht wusste, was Flo mit ihm anstellen würde.

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