6. Schattenwege

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Seine Bewegungen ähnelten denen einer Katze, als Jako die Straße entlang schlich. Geschmeidig, beinahe leichtfüßig tauchte er von Schatten zu Schatten, verharrte einige Sekunden, und setzte dann seinen Weg fort, als hätte er nie etwas anderes getan, um im angrauenden Morgen nicht entdeckt zu werden.
Natürlich wusste er, wie riskant dieses Unterfangen war, deshalb war er auch aufgebrochen, bevor der erste Sonnenstrahl sich am Himmel hatte blicken lassen. In der Nacht hatte er eh kein Auge zu getan, hatte kurz bevor er das Haus verlassen hatte, einen Handgeschriebenen Zettel zurück gelassen.
Suche Location.
Gruß,
Jako.
Jetzt blieb ihm nur übrig zu hoffen, dass Felix ihm bei seiner Rückkehr den Kopf wieder annähen würde, nachdem er ihn abgerissen hatte. Schließlich wollten wahrscheinlich auch Andre und Tommy ihm noch eine Standpauke halten. Aber gerade war es Jako vollkommen egal. Er hasste es einfach eingesperrt zu sein, es bekam ihm einfach nicht gut. Er wurde gereizt und unausgelastet und das hier war der perfekte Vorwand um für einige Stunden an die Luft zu kommen, ohne im stinkenden Hinterhof zu stehen. Zumal er wirklich eine Idee hatte, wo ein geheimes Treffen abgehalten werden konnte.
Der Himmel im Osten hatte schon eine hellrosane Färbung angenommen, als er vor der Tür des Lokals zum stehen kam. Es war eine Bar und so hatte sie natürlich immer geöffnet, wie Jako es von einer guten Bar erwartete. Prüfend blickte er sich um, beobachtete einige Sekunden lang eine streunende Katze, die versuchte eine Mülltonne zu erklimmen und schob sich dann durch die leicht geöffnete Tür des Lokals.
Die Stühle waren alle leer, an der Bar hing ein Mann über der Tischplatte, von dem Jako sich nicht sicher war, ob er noch atmete. Als er jedoch das laute Schnarchen vernahm, vermutete er, dass er wohl nur zu viel getrunken hatte.
Eine Bewegung aus den Augenwinkeln schreckte ihn auf, sodass er den jungen Mann, der im Halbdunkeln an ihm vorbei zur Tür des Lokals eilte und sich panisch die Straße ansah, bemerkte, bevor dieser sich wieder umdrehte und ihn ansprach. „Bist du verrückt.", zischte er und kam ein paar Schritte weiter auf Jako zu. „Wenn die dich hier drin sehen, erschießen die nicht nur dich und spießen deinen Kopf auf dem Marktplatz auf, sondern mich auch gleich!"
Jako strich entspannt seinen Mantel glatt, ehe er antwortete. „Alles in Ordung, mich hat Niemand gesehen."
„Will ich auch hoffen.", brummte der Mann. „Ich hab schon genug Ärger mit Flo, seid du ihn hier letztes Jahr fast erschossen hast."
„Keine Sorge Marti, ich geh gleich wieder. Ich wollte nur fragen, ob du den Laden auch für Privatveranstaltungen vermietest."

Also Jako in die Küche trat, musste er sich zunächst unter einem Topfhandschuh hindurch ducken, der plötzlich auf ihn zugeflogen kam und dumpf hinter ihm gegen die rauhe Wand klatschte.
„Wag es ja nicht", rief Felix und warf gleich den zweiten Handschuh. „noch ein Mal abzuhauen, ohne Bescheid zu sagen!" Er warf einen Unterleger, den Jako aus der Luft fing.
„Ich hab einen Zettel dagelassen.", verteidigte er sich, konnte dadurch aber dem Putzlappen nicht schnell genug ausweichen, der ihm genau im Gesicht landete. Angewidert wischte er ihn weg.
„Toll. Wirklich sehr toll Jakob.", Felix sah wirklich sauer aus und Jako ging auf, dass der morgendliche Ausflug wohl doch keine so gute Idee gewesen war.
„Wollt ihr nicht lieber hören, was für einen tollen Ort für ein geheimes Treffen ich gefunden habe?", fragte er zaghaft, in der Hoffnung sich damit vor Felix' Angriffen retten zu können.
„Das hat Zeit.", enschied Andre, der enstpannt zurück gelehnt am Tisch saß und ihnen zusah.
„Ist gerade sehr interessant.", fügte Tommy hinzu.
Jako schluckte und sah zurück zu Felix, der ihn abwartend ansah. „Entschuldige.", nuschelte er und zu seiner Überraschung, nickte Felix bloß. „Na gut. Ich bin noch sauer, aber erzähl schon. Geht's dir denn gut?"
„Ja, es war alles ruhig.", froh, nicht mehr so enttäuscht angesehen zu werden ließ sich Jako auf einen der Stühle fallen und entwirrte den Zopf, den er sich behelfsmäßig gedreht hatte. „Ich hatte die Idee, dass es doch eigentlich ganz schlau wäre, sich sowieso da zu treffen, wo viele Leute sind aber wenige von Flos Laufburschen." Er machte eine kurze Pause, doch Niemand schien etwas hinzuzufügen zu haben. „Also war ich in der Bar, in der wir uns kennen gelernt haben.", er nickte zu Felix und ignorierte Tommys Grinsen und Andres wackelnde Augenbrauen. „Der Barmann, Marti, hat mir erzählt, dass er die Bar auch für private Anlässe vermietet. Wir könnten die Bar also einfach in geschlossener Gesellschaft mieten, nur Leute mit einer Einladung kommen rein."
„Glaubst, du wirklich, das hält Flo davon ab diese Bar zu betreten?", fragte Tommy zweifelnd.
„Nein.", Jako schüttelte den Kopf. „Aber warum sollte er die Bar betreten, wenn irgendein Mann aus der Mittelschicht seinen dreißigsten Geburtstag feiert?"
„Weil er die Zahl drei mag?", warf Andre ein und lachte als Jako tat, als wolle er ihn schlagen, weil die Frage rethorisch gewesen war.
„Gut, und wer schreibt die Einladungen?", fragte Felix.
„Ich mach das.", Tommy hob eine Hand. „Ich verschlüssel einen Code darin, worum es wirklich geht, und lasse die Einladungen heute noch austragen. Dann kann das Ganze noch heute Nacht statt finden, die Leute werden dafür alles Andere stehen und liegen lassen."
„Eine Frage hab ich noch.", meldete Felix sich zu Wort und sprach erst weiter, als sämtliche Aufmerksamkeit bei ihm lag. „Wenn du so einflussreiche Freunde hast, warum haben wir uns noch nie von denen Geld geliehen, wenn die Miete knapp wurde?"
Und Jako lachte.

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