7. Sekundenintermezzo zwischen Alkohol und Staub

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Auch ohne besoffene Kunden roch es in der Bar nach Schweiß und Alkohol, wie Jako jetzt bewusst wurde. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fielen gerade noch so durch die Fenster herein und ließen die aufgewirbelten Staubkörner wie goldene Funken glühen. Verzückt beobachtete er sie bei ihrem Tanz, hatte nur wenig Aufmerksamkeit für seine Umwelt übrig, bis Felix anfing mit ihm zu sprechen.
„Wer war der Mann?"
Jako sah ihn verwundert an, kurz perplex ob dieser Frage. „Wer?"
„Der Mann.", wiederholte Felix und starrte ebenso wie Jako auf die tanzenden Staubkörner, der ein wenig verwirrt war, wegen des plötzlichen Themaanbruchs. „Der Mann, den Flo erschossen hat." Jako schwieg, weshalb Felix weiter redete. „Ich musste zusehen. Ich musste zusehen, wie er ihn erschossen hat."
Nicht wissend, was er sagen sollte, konnte Jako dem aufgelösten Mann neben sich nur eine Hand auf den Arm legen und zuhören.
„Ich hab noch nie einen Menschen sterben sehen.", Felix wischte sich über die Augen, seine Stimme zitterte kein bisschen, sie war nur dunkel und rau, beinahe düster. „Er hat geschrieen, Jako. Es kam mir wie Stunden vor. Flo hat mir seinen Namen nicht verraten, wer war der Mann, der ihm so im Weg stand?"
Schulzerzuckend sah Jako ihn an. „Ich weiß es nicht.", gab er zu. „Es könnte einfach irgendjemand gewesen sein. Vielleicht hatte er kein Schutzgeld bezahlt. Vielleicht stand er Flo bei einem wichtigen Vorhaben mit der Stadt im Weg, oder mit dem Bürgermeister. Oder-"
„Oder vielleicht hat er die Unterstützt, die wegen Flo ihr Hab und Gut verloren haben.", beendete Felix ungefragt seinen Satz. Zum ersten Mal seit Beginn ihres Gesprächs drehte er den Kopf und sah Jako an. „Das ist kein Grund um Jemanden zu töten."
Jako drehte den Kopf weg. „Genau deshalb müssen wir Flos Herrschaft beenden. So kann das nicht weiter gehen." Obwohl er es nicht sehen konnte, wusste er, dass Felix ihn musterte. Dass er sich in diesem Moment fragte, ob auch Jako schon Leute aus so nichtigen Gründen getötet hatte.
Und was sollte er sagen, wenn Felix wirklich fragte. Sollte er Lügen? Felix würde es sicher merken, wenn er log.
Erst als die ersten Gäste kamen, konnte Jako seine Gedanken von dem ablenken. Bald schon war die Bar prall gefüllt, Ratsmitglieder neben Bettlern, selbsternannter Adel zwischen Bäckern und Schneidern, und sie alle warteten gespannt auf das, was jetzt folgen würde. Auf eine mitreißende Ansprache. Auf etwas, für das es sich zu kämpfen lohnte. Auf eine Lösung, für all ihre Probleme.
Alle Probleme, würde Jako sicherlich nicht beheben können, das sagte er zuerst, als er auf die Theke kletterte, damit ihn alle sahen.
Und während Jako redete, stand Felix etwas versetzt, nahe der Wand, und hörte ihm zu. Er wusste natürlich, was Jako sagen würde. Er würde über Familie reden, dass sie das alles für ihre Kinder und die tun müssten, die nach ihnen kamen, damit diese nicht zwischen Tyrannei und Korruption aufwachsen mussten, und das waren auch gute Argumente. Aber trotzdem schienen sich die Zuhörer nur langsam für diese Idee zu erwärmen, vor allem die, die viel Geld hatten, hatten ebenso viele Zweifel und warfen diese Jako ebenso an den Kopf, wie ihre Fragen. Und doch, der Großteil der Anwesenden schien dem langhaarigen Mann auf dem Barthresen zuzustimmen, der ihnen genau erklärt hatte, was passieren sollte. Sie mussten es nur weiter tragen, nur an die Leute, denen sie vertrauten. Und wie es schien, vertrauten sie auch Jako.
„Natürlich.", Tommy riss Felix aus seinen Gedanken, als er sich neben ihm an die Wand lehnte. „Sie vertrauen ihm, weil er eine Lösung hat. Er könnte sonstwas erzählen, und die Leute würden ihm zustimmen, weil es ein anderer Weg als die Angst wäre."
Felix fragte sich schon gar nicht mehr, warum dieser Mann genau wusste, was er und alle anderen dachten. Nach dem, was er in den letzten Tagen erfahren hatte, war gerade das für Andre und Tommy überlebenswichtig, zu wissen, was Andere über sie dachten.
„Also beeinflussen wir sie.", Felix wandte seinen Blick von Jako zu Tommy, der jetzt mit den Schultern zuckte. „Wenn du es so nennen willst."
„Was, wenn sie sterben?", Felix drehte sich wieder zurück und betrachtete die im Raum anwesenden Personen. „Was, wenn unser Plan nicht auf geht?"
„Dann brauchst du dich nicht um sie zu sorgen.", stellte Tommy fest.
„Warum?"
„Weil du dann auch tot bist.", und damit ließ er Felix stehen und verschwand wieder in der Menge.

„Du machst dir Sorgen.", Jako trat neben ihn, als der letzte ihrer eingeladenen Gäste das Lokal verlassen hatte.
„Du nicht?", Felix zog die Augenbrauen hoch.
„Doch. Aber wahrscheinlich aus anderen Gründen."
„Was ist, wenn es schief geht?", drehte er sich jetzt ganz zu Felix um.
„Dann sind wir tot.", antwortete Jako, frei heraus, redete aber schnell weiter, als er merkte, dass Felix das nicht hören wollte. „Aber es wird nicht schief gehen. Flo wird genau so reagieren, wie wir gesagt haben. Wir müssen nur dafür sagen, dass er von seinen Leuten getrennt wird."
„Und von Frodo.", fügte Felix hinzu.
Jako nickte wieder nachdenklich. „Das wird wohl kaum zu machen sein.", meinte er dann. „Wir müssen einfach mit Beiden klar kommen."
„Jako ist wieder ganz optimistisch.", Tommy klopfte ihm im vorbeigehen grinsend auf die Schulter. „Die Luft dürfte jetzt rein sein. Wir können wieder zurück."
„Also wieder auf die Füße.", Felix seufzte. „Wenn das vorbei ist, will ich Urlaub.", stellte er an Jako gewand fest, der kurz auflachte. „Versprochen.", grinste er dann.

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