Epilog - Überkompensation

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Kalt war es geworden, noch kälter als schon in den letzten Monaten. Frost bedeckte den Boden und die Grabsteine, zwischen denen Felix hindurch geschritten war. Der kleine Baum vor ihm hatte schon all seine Blätter verloren, bis auf eines, das braun und ausgetrocknet im schneidenden Wind zappelte wie ein lebendiger Fisch.
Felix war lange nicht mehr hier gewesen, nicht ein Mal zur Beerdigung war er erschienen. Nachdem sich herumgesprochen hatte, dass Jako der Auslöser für diesen Aufstand gewesen war, hatte es Wochenlang nur dieses eine Gesprächsthema gegeben. Auch für Felix hatte es mehrere Monate lang nur dieses Thema gegeben, allerdings hatte er dies nicht so sehr in die Öffentlichkeit getragen. Dank der Tatsache, dass der Großteil der Bürger annahm, Jako hätte alles alleine geplant und auf die Beine gestellt, hatte er seine Ruhe gehabt. Und die, die es besser wussten, hatten nichts gesagt. Na ja, nicht alle. Irgendwann hatte Tommy vor seiner Haustür gestanden und ihn dazu gebracht die Vorhänge aufzuziehen und die Fenster zu öffnen. Bei seinem nächsten Besuch war auch Andre dabei gewesen und die Heiden hatten Felix erfolgreich davon abgehalten in einem endlosen Loch des Kummers zu versinken. Als dann die Beerdigung angesetzt war, war sofort klar gewesen, dass die ganze Stadt da sein würde. Ratsmitglieder würden Reden halten und Orden verleihen und noch ein paar Mal betonen, wie schrecklich der Verlust eines so tapferen Helden sei um dann eine halbe Stunde für die Zeitungen zu posieren. Felix hatte von Anfang an klar gestellt, dass er darauf keine Lust hatte und weder Andre noch Tommy hatten ihn umstimmen können. Trotzdem waren sie hingegangen, hatten die Orden, die man ihnen verleihen wollte höflich abgelehnt und als Einzige wohl wirklich aus tiefster Seele getrauert, denn auch Jakos Familie war nicht da gewesen. Wie auch, Felix wusste nicht ein Mal, ob sein bester Freund noch Familie gehabt hatte und wenn, dann wussten sie garantiert nicht, dass sein Herz schon lange nicht mehr schlug.
Den Grabstein hatte Felix ausgesucht. Ein lebendiger Baum. Klein aber mit einem sehr dicken Stamm würde dieser ab jetzt in dieser Ecke des Friedhofs gedeien. Er hatte die Idee schön gefunden, dass Jakos Grab nicht durch einen kalten Felsen repräsentiert werden sollte, sondern durch etwas Lebendiges. Ihm hätte es sicherlich auch gefallen.
Eilig wischte Felix sich die Tränen weg, als er hinter sich Schritte vernahm.
„Wir wussten, dass du hier bist.", er hörte das traurige Lächeln aus Tommys Stimme und musste sich nicht ein Mal umdrehen um zu wissen, wie der Kleinere ihn ansah.
„Ich wollte mir den Grabstein in Ruhe ansehen.", erklärte er. „Ich hätte es falsch gefunden, am Wochenende zu kommen, mit den ganzen Touristen, die nur sehen wollten wie ein Grabstein auf das Grab des Stadthelden gesetzt wird." Seine Stimme war eine Spur verächtlich geworden. Wütend starrte er auf den Fuß des kleinen Baumes, als wollte er nur mit seinem Blick ein Loch hinein brennen. Weder Tommy noch Andre, der ganz sicher dabei war, trauten sich etwas zu erwidern.
„Warum seid ihr hier?", fragte Felix endlich und drehte sich zu den Männern um, die im letzten Jahr irgendwie zu seinen Freunden geworden waren. Sie tauschten einen Blick. „Ich habe gerade eine Nachricht von einem meiner Informanten erhalten.", begann Tommy zaghaft. „Er hat Rick und Steve ausgemacht, nur eine Stadt weiter. Ein weiterer von Flos Laufburschen, David, der Name sagt dir wahrscheinlich nicht viel, ist an der Küste gesichtet worden. Und-"
Felix nickte. „Gut.", sagte er. „Dann kann's ja los gehen."
Andre und Tommy tauschten wieder einen unsicheren Blick. Felix hatte ihnen bisher nur gesagt, er wolle die Aufenthaltsorte von so vielen von Flos Spitzeln wie möglich, das Warum hatte er bisher verschwiegen.
„Was hast du vor?", sprach Andre die Frage nun endlich aus.
Statt zu antworten zog Felix seinen Reolver, lud ihn und schoss blind auf den neuen Grabstein. Einige Krähen flatterten erschreckt auf. Ohne sich anzusehen, dass die Kugel tief im Stamm steckte, schritt Felix an ihnen vorbei. „Sagt dem, der sich um den Friedhof kümmert, er soll die Kugel da drin lassen. Ich werde sie selbst entfernen, sobald ich jeden erschossen habe, der von Flos Männern noch übrig ist.", mit langen Schritten verließ er den Friedhof, schlug auf der Straße, die zurück zur Stadt führte, seinen Mantelkragen gegen den eiskalten Wind hoch und drehte sich noch ein Mal um. „Wir sehen uns in eurer Wohnung. Heute Abend geht es los!"

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 09, 2017 ⏰

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