5. Auftakt

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„Okay, nimm den linken Fuß etwas zurück.", kritisch beäugte Jako den blonden Mann, der hier im viel zu kleinen Hinterhof irgendwie versuchte die Stellung einzunehmen, die er ihm diktierte. „Die Ellenbogen weiter runter."
„So?", Felix korrigierte seine Haltung und sah dann zu Jako, der wieder den Kopf schüttelte. „Nein, so wird das nichts.", entschied er und brachte Felix Arme mit einigen Handgriffen selber in die Richtige position. Anschließend schritt er im Kreis um ihn herum, veränderte die Haltung der Füße noch etwas und nickte dann, zumindest nicht ganz unzufrieden. „Also gut, kommen wir jetzt zum Revolver.", er blieb neben seinem besten Freund stehen, als er das sagte, und zeigte auf das mittlere Stück der Waffe. „Das hier ist die Trommel. So klappst du sie aus. Die Kugeln sind da drin, wenn das Magazin leer ist, musst du neue rein machen. Verstanden?"
„Ich bin kein Idiot, Jako.", schnaubte Felix. „Du bist zu angespannt."
„Ich finde ich angemessen angespannt.", Jako warf ihm wieder einen kritischen Blick zu. „Du hast beim letzten Mal unsere Vase zerschossen."
Felix verdrehte die Augen. „Und ich hab sowohl Wasser als auch Blumenmatsch wieder aufgewischt. Du wischt dein Blut nie selber auf."
„Mach ich nächstes Mal.", meinte Jako. „Versprochen. Und jetzt Konzentration auf die Tötungsmaschine in deinen Händen, ok?" Felix nickte, und Jako fuhr mit seiner Erklärung fort. „Gut, das Teil hier hinten wird Hahn genannt. Das biegst du zurück, bis es einrastet. Halt! Noch nicht jetzt." Erst als Felix wieder beide Hände am Griff des Revolvers hatte, fuhr Jako fort. „Und zu guter letzt: Der Abzug. Du musst-"
„Also abdrücken kann ich zur Not auch selbst.", brummte Felix, woraufhin Jako mit hochgezogenen Augenbrauen und erhobenen Hände zurück trat. „Okay.", machte er. „Dann zeig Mal. Schieß auf die Flasche." Er wieß auf das andere Ende des Hofes, wo in etwa fünfzehn Metern Entfernung eine braune Glasflasche auf einer Holzbank stand. Da Felix schon in die richtige Richtung gewandt dastand, richtete er nun bloß den eisernen Lauf auf sein Ziel und lud den Revolver. Jako beobachtete ihn unruhig und mit den Händen unter den Achseln eingeklemmt, damit sie still hielten. Eigentlich war es Felix' Part, besorgt zu sein, und er war der jenige, der unvorsichtig handelte. Jetzt hatten sie die Rollen getauscht und am liebsten würde er Felix diese Waffe weg nehmen und im Schrank einschließen - und ihn am besten im Gästezimmer, bis das alles vorbei war. Aber nein, Felix hatte darauf bestanden, dass Jako ihm zeigte, wie man schoss, während sie sowieso nur warten konnten, dass Andre von dem Treffen mit ihren Lieferanten zurück kehrte. Und deswegen standen sie jetzt hier in dem dreckigen Hinterhof, in dem es nach Katzenpisse und toten Mäusen roch.
Der Knall schreckte Jako aus seiner Starre. Felix hatte geschossen, die Flasche jedoch verfehlt und statt dessen die pröde Wand dahinter getroffen. Der Mörtel spritzte in alle Richtungen.
„Fast.", kommentierte Jako und Felix warf ihm einen bösen Blick zu, ehe er sich die Hände ausschüttelte und es ein weiteres Mal probierte. Und dann ein weiteres Mal. Und noch eines. Nach dem achten Schuss war das Magazin leer und Felix starrte frustriert die Flasche an.
„Bei dir sieht das immer so leicht aus.", gab er zu, als Jako neben ihn trat. Ohne Worte, jedoch mit einem leisen Schmunzeln, nahm er die Handfeuerwaffe an sich, zog neue Patronen aus seiner Jackentasche und füllte das Magazin nach.
„Sie mir noch Mal zu.", befahl er und stellte sich etwas breitbeniger hin. Er gab alle acht Schüsse in schneller Folge ab, der erste ließ die Glasflasche zerspringen, die restlichen sieben sprengten ein kleines Loch in die Wand. „Du musst gegen halten.", riet er dann und gab Felix die Waffe samt einer Hand voll Patronen zurück.
Bevor einer von ihnen noch etwas sagen konnte, ging hinter ihnen ein Fenster auf. Als sie sich umwandten erschien gerade Tommys Kopf im Innenhof. „Andre ist zurück.", rief er aus dem zweiten Stock zu ihnen nach unten. „Kommt hoch, wenn ihr fertig seid." Damit verschwand er wieder und sofort darauf wurde das Fenster wieder geschlossen, wahrscheinlich damit der penetrante Gestank nicht in die Wohnung zog.
„Du hast ihn gehört.", Jako zuckte die Schultern und wandte sich zum gehen, den Revolver ignorierend, den Felix ihm wieder hin hielt. „Behalt ihn.", sagte er, als er an der Tür war.

„Also.", Andre wartete gar nicht erst, bis sie sich hingesetzt hatten, er fing direkt an, als Felix hinter Jako dem Raum betreten hatte. „Flosn und Zhung sagen, dass sie uns sechzig Revolver und dreißig Gewehre in die Stadt schmuggeln können. Dazu hundert Kisten mit Munition. Das Ganze geht aber erst Übermorgen, die waren echt nicht begeistert, als ich sie gerade aus dem Bett geholt hab."
„Das ist aber nicht gerade viel.", kam es von Felix, doch Andre winkte ab. „Die meisten Stadtbewohner haben eh eigene Waffen.
„Übermorgen könnte zu spät sein.", gab Jako zu bedenken und hängte seine Jacke über den Pelzmantel von Andre über dessen Stuhl.
„Du musst bedenken, dass ich auch etwas Zeit brauche, um die Idee der Revolution an die Richtigen Leute weiter zu leiten.", warf Tommy ein. „Und wir brauchen einen Ort, an dem wir mit einer ausgewählten Gruppe an Personen aus jeder, wie nanntest du es? Aus jeder Gesellschaftsebene alles mitteilen können."
„Ganz zu schweigen davon, dass wir noch nichts haben, was man mitteilen könnte.", der letzte Einwand war von Felix gekommen, der wieder mit verschränkten Armen an der Küchenzeile lehnte.
„Also nutzen wir die Nacht, um uns einen Plan zu überlegen.", meinte Jako. Erschöpftes Aufseufzen von allen Anderen im Raum.
„Bevor wir einen Plan machen, brauchen wir ein Ziel.", begann wieder Felix mit dem Reden. „Wollen wir Flo wirklich erschießen?"
Alle sahen zu Jako. Der nickte langsam. „Wenn Flo nicht mehr da ist, werden sich auch die meisten seiner Gefolgsleute in den Hintergrund verziehen. Die Polizisten könnten wieder tun, was sie eigentlich tun sollten, nämlich die Koruppten unter ihnen und die aus Flos Gefolge, die noch aufzufunden sind, fest nehmen."
„Also was.", Tommy sah zwischen seinen beiden Gästen hin und her. „Wollt ihr einfach da rein maschieren und Flo eine Knarre an den Kopf setzten?"
„Nein...", Jako zögerte. „Ja? Einen Versuch wäre es wert."
„Nach der Aktion gestern Nacht müsst ihr sicherlich erst Mal an ner Menge Wachen vorbei.", Tommy sah ihn zweifelnd an. „Und an Frodo."
Jako schnaubte verächtlich, ging aber nicht weiter darauf ein. „Wir brauchen also Ablenkung. Was sorgt am meisten für Ablenkung?"
„Ein brennender Heuwagen.", sagte Felix sofort. Jetzt sahen alle ihn an, halb fragend, halb verwirrt. „Ich bin in der Nähe von ner Farm aufgewachsen.", erklärte Felix schulterzuckend. „Der Sohn des Farmers hat nur Ärger gemacht, einmal hat er den brennenden Heuwagen die Hauptstraße herunter fahren lassen. Die armen Pferde waren so verängstigt, dass sie einem Gemüsestand niedergetrampelt- Egal."
Schweigen kehrte ein, in dem sie alle weiter zu Felix sahen, der langsam rot wurde. Endlich entschloss sich Tommy dazu, auch etwas zu sagen. „Ein brennender Heuwagen ist keine schlechte Idee. Wir blockieren einfach die Hauptstraße und setzen diese Barrikade dann in Brand, das wird Flos Leute sicherlich aus der Reserve locken."
„Warum locken wir nicht gleich Flo aus der Reserve.", Jako starrte jetzt nicht mehr zu Felix, sondern blickte gedankenverloren ins Leere. „Wenn wir ihm zeigen, dass es ein Aufstand ist, kommt er vielleicht." Blinzeln schreckte er hoch. „Ich stell mich vor die Barrikade."
„Bitte was?", Felix glaubte, sich verhört zu haben. „Wir verstecken uns doch gerade vor ihm, wieso willst du ihn dann zu dir locken?"
„Weil wir dann den Vorteil haben, dass wir uns die Gegebenheiten selbst aussuchen können.", erklärte Jako.
„Wir errichten die Barrikade nicht auf der Hauptstraße, sondern auf dem Marktplatz.", kam es von Andre. „Von da aus führen genug verwinkelte Gassen weg, da können wir ihn leicht in einen Hinterhalt locken."
„Klingt nicht sehr heldenhaft.", Felix sah nicht begeistert aus, wie er da stand und Jako düster ansah, als habe er gerade erst gemerkt, wer dort wirkich saß. Jako blickte ernst zurück, ließ sich nicht niederstarren. „Wir sind keine Helden, Felix."
„Da hast du wohl Recht.", Felix seufzte. „Aber schön, ich bin dabei."
„Gut.", Tommy hatte aus einem der Regale, die wohl alles beinhalteten, was man gerade suchte, einen Stadtplan gezogen, der das Stadtzentrum zeigte. Dazu einen einfachen Bleistift. „Wo genau soll dieser Hinterhalt denn stattfinden?"

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