8. Einstürzende Welten - ein Schlusslicht über Schutt und Tränen

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Es schien unwirklich, wie dieser Berg aus Schutt und zerbrochenen Möbeln sich vor Jako auftürmte. Sein Körper fühlte sich taub an, als sei er eingeschlafen, und das Reden der Leute um sich herum nahm er gar nicht war.
Surreal. Ja, surreal war ein gutes Wort um das hier zu beschreiben. Seine Nervosität, die er noch bis vor wenigen Stunden, bis zum Einbruch der Dämmerung verspürt hatte, war irgendwo unter dieser Taubheit verstummt, als ihm plötzlich mit aller Wucht klar geworden war, was sie innerhalb weniger Tage geschafft hatten. Was sie noch alles schaffen würden. Hinter ihm, das wusste er, hatte der Himmel mittlerweile eine blutrote Farbe angenommen, die zum Horizont hin heller wurde und die Wolken kurz überhalb des Nadelwaldes in der Ferne von einer Seite golden Leuchten ließ, von der anderen Seite tiefschwarze Schatten auf sie warf. Fast, als würde der Himmel darauf warten, dass sie Blut vergossen.
Erst jetzt merkte Jako, dass er tatsächlich Angst hatte. Das alles war viel zu schnell gegangen, seine Idee war spontan gekommen und hatte sich verfestigt, als er vor Flo gestanden hatte. Und jetzt stand er hier, kurz davor eine Barrikade über einem Automobil eines korrupten Ratsmitgliedes anzuzünden, mit einem neuen Revolver im Hüftholster und einem Schrotgewehr in der Hand, alles nur um einen Mann zu töten, für den er früher ein Mal alles getan hätte.
„Jako. Jako? Jako!", zuerst war es nur ein dumpfes Wummern, dass Jako vernahm, ehe die Worte nach und nach klarer wurden, und er regestrierte, dass Felix versuchte ihn azusprechen. Mit einem „Hm?", schreckte er hoch und blinzelte seinen Freund verwirrt an. „Bitte?"
Ein Lächeln huschte über Felix Gesicht, ehe er ernst wurde. „Jako, es geht los." Er legte Jako eine Hand auf die Schulter und drückte sie kurz. Jako sah ihn dankbar an, dann atemete er tief durch und kletterte dann gemeinsam mit Jako auf den Sockel der Statue, die hier in der Platzmitte so günstig für sie stand. Tommy und Andre sah er nirgends, er war sich aber sicher, dass sie hier waren. Er wollte sich einfach sicher sein.
Von unten reichte man ihm eine mit einem Tuch gestopfte Flasche mit Rum und ein brennendes Streichholz. Mit einem großen Knall entzündete er das Feuer und gab damit den Startschuss für die erste und letzte Schlacht ihrer Rebellion.

Flo ließ nicht lange auf sich warten. Schon nach kurzer Zeit, bog ein Wagen um die Ecke, auf den die Ersten nach kurzer Überraschung auch das Feuer eröffneten. Die Leute hatten alles gebracht, was sie hatten. Gewehre, Pistolen, Revolver, ein paar hatten sogar selbstgeschnitzte Bögen und Wurfmesser.
„War ja klar, dass der mehrere Automobile hat.", brummte Felix neben ihm. „Warum haben wir kein Automobil, Jako?"
Jako grinste. „Wenn du genug Geld hast um die ein Automobil zu kaufen reden wir weiter. Aber bis dahin sind wir beide alt und grau."
Danach konzentrierten sie sich weiter auf das Geschehen vor ihrer Nase. Das erste der Automobile hatte abgebremst, weil der Kühler mittlerweile mehr als nur löchrig war, und stand jetzt quer auf der Straße um zumindest annhährend Feuerschutz zu bieten. Wie man vermuten konnte, brachte das aufgrund der großen Räder und des dünnen Materials nicht sonderlich viel, weshalb sich die Fahrer schon bald zwischen ein paar Häuser auf der anderen Seite des Platzes flüchteten. Zumindest versuchten sie es.
Mit zusammengekniffenen Augen sah Jako sich um. „Wo ist er...", murmelte er, mehr zu sich selbst als zu Felix, der neben ihm auf dem Socken hockte.
„Da!", Felix hatte nach rechts gezeigt und als Jako jetzt seinem Blick folgte, konnte er eine Gruppe von Männern sehen, die sich von der Seite her auf sie zu bewegten. „Die wollen uns einkesseln!", rief Jako aus, sodass auch einige Schützen auf dem Boden ihn vernahmen.
„Die andere Seite, los!", rief er Felix zu und sprang von dem Mamorblock. Ohne auf dem Boden inne zu halten sprintete er weiter, Felix' Schritte hinter sich hörend.
„Warum zu der Seite?", Felix war jetzt fast wieder auf seiner Höhe.
„Osten und Süden sind umkämpft.", erklärte Jako so knapp wie möglich und schlängelte sich zwischen dem umherlaufenden Menschen hindurch, die irgendwie versuchten ihren Platz in den plötzlichen Straßenkrieg zu finden, der sich innerhalb von Minuten gebildet hatte. Noch waren die Verhältnisse ausgeglichen, etwa einhundert Bürger gegen zweihundert von Flos Leuten, jedoch würden sich wahrscheinlich bald noch mehr Menschen aus der Stadt am Kampf beteiligen. So hoffte Jako zumindest. „Der Westen gehört uns, bleibt noch der Norden. Flo kommt mit Sicherheit von Norden."
„Woher weißt du, dass er überhaupt kommt?", Felix klang plötzlich überhaupt nicht mehr überzeugt von ihrem Plan und Jako wollte ihm gerade sagen, dass Flo nie andere Leute alleine die Arbeit machen ließ, als sie um die Ecke bogen und schlitternd zum stehen kamen. Ähnlich überrascht wie die ihnen gegenüberstehenden Männer brauchten sie einige Sekunden um sich zu fangen und in entgegengesetzte Richtungen aus dem Weg und in die Hauseingänge zu hechten. Keine Sekunde zu früh, denn nur einen Herschlag später gab Flo den Befehl zu Feuern und Jako spürte wie ihm der Putz im die Seite spritzte. Blind nach hinten um die Ecke feuernd hoffte er, zumindest irgendetwas zu treffen. Als es kurzzeitig weniger Schüsse wurden, lugte er aus dem Hauseingang und sah, dass er tatsächlich einen Mann getroffen hatte. Die restlichen fünfzehn standen allerdings noch Schussbereit da. Irgendwie hatte er sich das anders vorgestellt.
Fragend warf er einen Blick zu Felix, der erst die Straße entlang sah und dann, als er bemerkte, dass Jako in anguckte, zurück schaute. Fragend zog Jako die Augenbrauen hoch und beobachtete, wie Felix durch seine Taschen wühlte und scheinbar etwas fand.
Lenk sie ab., formte er mit den Lippen und Jako nickte, ehe er erneut aus seiner Deckung lugte, ein paar Schüsse abgab und sich wieder zurück zog um aus Blind aus der Deckung zu feuern. Erst die Schreie und das plötzliche Licht ließen ihn überrascht nachsehen, was da gerade passiert war. Anscheinend hatte Felix noch eine Flasche mit brennendem Alkohol geworfen, denn einige Männer, die sich nicht schnell genug in Sicherheit gebracht hatten, brannten nun, genau wie die Straße zu ihren Füßen.
„Rückzug!", brüllte Frodo, der es irgendwie schaffte Flo nur mit der Hälfte seiner Männer um die nächste Straßenecke zu verfrachten, dabei laut mit ihm streitend. Scheinbar hatten sie die beiden wirklich überrascht, denn Jako konnte sich nicht erinnern, jemals gehört zu haben wie Frodo Flo in der Öffentlichkeit widersprach.
„Oh nein.", knurrte er und sprang aus dem Hauseingang. Noch ehe Felix ihn aufhalten konnte, hatte Jako seinem Ziel nachgesetzt und hatte mit einem mächtigen Satz den flammenden Streifen überquert, der dank den steinernden Wänden und den fehlenden Türen ohnehin bald ausgehen sollte. Die drei Männer, die nicht brannten und trotzdem geblieben waren schossen, trafen Jako aber nicht. Ohne auf sie achten stürmte er um die Ecke, um die Flo verschwunden war und setzte ihm nach.

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