Kapitel -4-

92 1 0
                                    

Mein Vater hat Kim kennengelernt, als er ein Geburtstagsgeschenk für mich besorgen wollte. Er suchte ein bestimmtes Buch und fand es in Kims Buchhandlung. Die Buchhandlung liegt in der Nähe der Strandpromenade, dort wo sich die meisten der Geschäfte auf Anna Maria Island befinden. Das Geschäft ist eher klein, mit hübschen antiken Möbeln und einer Menge Bücher. Außerdem fungiert es als kleines Cafe. Es gibt Kuchen, selbstgemachte Limonade, Kaffe, heiße Schokolade und Tee. An den Wänden hängen Bilder von regionalen Künstlern, die Kims Geschäft als eine Galerie verwenden. Alles in allem ist es eigentlich ganz süß. Schade eigentlich, dass die Besitzerin eine solche Dummtorte ist. 

Missmutig schaue ich Kim zu, die mir zeigt, wie man alles in die Kassa eintippt. Es ist Montagmorgen, viel zu früh eigentlich und ich bin definitiv nicht gut gelaunt. Die ersten Kinder und Jugendliche tummeln sich schon auf dem Strand und die wenigen Touristen spazieren die Strandpromenade entlang. 

Als mein Vater mich heute Morgen geweckt und regelrecht aus dem Bett gezerrt hat, wusste ich, es war vorbei mit meiner Freiheit. Von nun an würde ich jeden Vormittag, außer an den Wochenenden, in diesem beschissenen Geschäft herumstehen. Kim versuchte so freundlich wie möglich zu sein. Sie bot mir Limonade an und zeigte mir alles, was ich zu tun hatte. Als sie damit fertig war, schickte sie mich nach hinten um irgendwelche neuen Bücher einzuordnen. 

Jetzt stehe ich also da, versteckt hinter hohen Bücherregalen und ordne die Bücher alphabetisch und nach Kategorien sortiert ein. Es ist ziemlich langweilig, aber auszuhalten. Außerdem habe ich keine andere Wahl. Mein Vater ist konsequent und wird mich nicht so schnell davonkommen lassen. Wenigstens verdiene ich so etwas Geld. 

Nach fünf Stunden fahren wir nach Hause. Obwohl Kim noch ihre eigene kleine Wohnung hat, ist sie beinahe immer bei uns. Ich frage mich, ob sie nicht bald einziehen wird. Die Freundin meines Vaters versucht immer wieder mich in ein Gespräch einzubeziehen, gibt aber nach vergeblichen Versuchen auf. Wir stellen die Fahrräder im Vorgarten ab und gehen die Treppe nach oben ins Haus. Dad hat schon gekocht, weil er heute frei hatte und Isaac deckt artig den Tisch. 

"Na, wie war's denn?" fragt mein Dad kauend, als wir alle zusammen am Tisch sitzen.

Ich werfe ihm einen genervten Blick zu und stochere weiter in den Nudeln herum. 

Isaac neben mir blickt mich misstrauisch an. Ich lächle leicht und wende mich ihm zu. "Wie war's denn bei dir? Warst du am Strand?"

Er schluckt und schüttelt den Kopf.

"Nein? Was hast du denn dann gemacht?" Ich bin erstaunt, weil die meisten Kinder und Jugendliche den meisten Sommer nichts anderes machen als an den Strand zu gehen. 

Isaac zuckt mit den Schultern, seine dunklen grünen Augen sind undurchdringlich. "Ich war hier zu Hause und habe Dad geholfen, den Zaun auf der Veranda zu reparieren." 

"Okay.", antworte ich und esse eine weitere Nudel. "Ich geh nachher mit Morgan zum Strand."

Dad nickt. "Ist gut, aber komm' nicht zu spät nach Hause."

"Daddy, ich bin bald achtzehn. Ich kann schon auf mich selbst aufpassen."

"Ich weiß, aber du musst morgen früh raus." Er räuspert sich und wirft Kim einen aufmunternden Blick zu, während er nach ihrer Hand greift. Ich könnte kotzen.

"Schon klar." Mit diesen Worten stehe ich auf. "Ich ziehe mich um."

"Sabrina, dein Essen.."

Ohne mich noch einmal umzudrehen, verschwinde ich aus der Küche. "Ich bin satt."

In meinem Zimmer, ziehe ich mich aus und schlüpfe in meinen dunkelblauen Bikini. Ich betrachte mich kurz im Spiegel und lächle zufrieden. Dann werfe ich mir ein weißes Strandkleid über, packe meine Strandtasche und lackiere meine Nägel in einem dunklen Blau.

Als ich damit fertig bin, gehe ich aus meinem Zimmer. Es ist beinahe 3 Uhr Nachmittags, als ich aus dem Haus gehe und mich auf mein hellblaues Fahrrad schwinge. Die Sonne scheint erbarmungslos auf meine gebräunte Haut und die Luft ist schwül und drückend. Ein angenehmer erfrischender Wind umgibt mich, als ich fester in die Pedale trete. Ich fahre die Strandpromenade entlang und auch nach deren Ende weiter. Dort sind große Dünen und kleinere versteckte Buchten. Schließlich komme ich an unserer Bucht an. Sie liegt versteckt hinter einigen großen Bäumen und schon seit wir Kinder sind, kommen wir hierher.

Etwas außer Atem halte ich an und lehne das Fahrrad an eine Pinie und nehme meine Strandtasche vom Gepäckträger. Auf dem Weg zur Bucht kann ich Stimmen hören und ich bin mir ziemlich sicher, dass Morgan ihren Bruder und Ben mitgebracht hat. Umso besser, denke ich mir und grinse verstohlen. Ich laufe die letze Böschung hinunter und vor mir erstreckt sich ein überschaulicher Sandstrand und dahinter das hellblau glitzernde Meer. 

Morgan, Ben, Daniel und ein weiterer Junge sitzen im Schatten der Bäume im Halbkreis. Bald darauf werde ich bemerkt und sie winken mir zu. Als ich auf sie zu gehe kann ich den dritten Jungen als Calvin identifizieren. Daniels bester Freund aus der High-School.  Ich lächle ihm zu und lasse mich neben Morgan fallen. "Hey, Leute. Calvin, schön dich zu sehen."

"Sabrina, du siehst.. ziemlich erwachsen aus." Er lacht, dabei blitzen seine hellbraunen Augen auf. "Freut mich, dich zu sehen. Ist lange her."

Ich schenke ihm ein Lächeln und bemerke, wie sich Morgan neben mir versteift. Uh, oh.. Scheint, als hätte Calvin ihr was abgewonnen. Schnell wende ich mich Ben und Daniel zu. "Habt ihr euch schon etwas eingelebt?"

Ben lacht, und stößt Daniel in die Seite. "Wie denn nicht? Das hier ist das absolute Paradies. Sonne, Strand und Meer, das ganze Jahr über."

Daniel verdreht die Augen und guckt mich einen Moment lang an, bevor er sich dem Meer zu wendet. "Ich merk erst jetzt, dass ich es überhaupt vermisst habe. New York ist auch ziemlich irre." 

Ben schnaubt. "Sag mal, spinnst du? New York ist die beste Stadt der Welt! Das hie-.."

Lächelnd wende ich mich Morgan zu. Sie blickt zu Calvin, der den beiden anderen Jungs lachend zuhört. Als sie meinen Blick bemerkt, schenkt sie mir ein unsicheres Lächeln. Sie will nicht, dass ich weiß, dass Calvin ihr gefällt. Sie hat Angst, dass ich was mit ihm anfange. Aber das werde ich bestimmt nicht, Calvin ist absolut nicht mein Typ - so gar nicht. 

"Na? Warum hast du nichts gesagt?"

Verwirrt blickt sie mich an. "Was meinst du?"

"Na, dass sie mitkommen?" Ich deute auf die Jungs gegenüber.

Sie verdreht die Augen, lächelt dabei aber. "Ich wusste es nicht. Als ich gerade losfahren wollte, hat Ben beschlossen mitzukommen, natürlich nicht ohne Daniel. Und der hat dann noch Calvin angerufen."

Ich nicke und fahre mir durch das lange, etwas zerzauste Haar. Mein Blick streift Ben, der mich anlächelt. Ich erwidere sein Lächeln und kann nicht anders als an ihn zu denken, im Zusammenhang mit mir. 

Der Nachmittag am Strand ist cool. Wir reden, spielen Scat oder Beachvolleyball, gehen ins Wasser oder essen von zu Hause mitgebrachtes Obst. 

Abends, es ist etwa halb 9 Uhr, setzen wir uns näher ans Wasser und beobachten den Sonnenuntergang. Der Himmel färbt sich orange, gelb und rot und das Meer spiegelt die Farbnuancen wieder. Eine leichte Brise streift uns durchs Haar und der weiche Sand, wärmt unsere Füße. Ich lehne mich an Morgan, atme ihren vertrauten Duft ein und versuche mir den Moment einzuprägen. Denn es ist so schön hier zu sitzen, in aller Stille. 

Unser letzter SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt