Kapitel -11-

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Hedda Svensson ist ein schwedisches Model, das Mitte der Neunziger Jahre in den USA ihre Karriere startete. Sie lief für einige wichtige Designer auf Fashionshows und war ein beliebtes Fotomodel. Ende der Neunziger Jahre lernte sie dadurch meinen Dad kennen. Sie waren beide in New York, er, ein junger Fotograf mit einer vielversprechenden Zukunft, und sie ein mehr oder weniger bekanntes Model. Doch der große Erfolg der beiden, sollte noch in der Zukunft liegen. Dazu kam es allerdings nicht. Sie verliebten sich auf einem Fotoshoot und kurz darauf wurde Hedda schwanger - ungewollt. Sie beschlossen zusammen zu ziehen, hier her auf die Heimatinsel meines Vaters. Mein Dad machte sich als Fotograf selbständig, meine Mutter blieb zu Hause. Dann wurde ich geboren und einige Jahre später kam ein zweites Kind auf die Welt, mein Bruder. Ich denke mal, dass die beiden eine Zeit lang glücklich waren.

Nur fünf Jahre nach der Geburt meines Bruder hat sie uns verlassen. Sie hat sich weder von uns Kindern noch von unserem Vater verabschiedet und alles was sie hinterließ war ein Gefühl von Unvollständigkeit. In einem Brief, der drei Wochen später ankam, schrieb sie, dass sie nach Europa wollte, um dort einen Neuanfang ihrer Karriere zu wagen.

Ich kann schon lange nicht mehr zählen wie oft ich den Namen Hedda Svensson Campbell in die Googlesuchmaschine eingetippt habe. Doch es waren keine neuen Artikel zu finden, nur welche aus den Neunzigern. Seit beinahe zehn Jahren habe ich sie weder gesehen, noch gehört, noch nicht einmal einen Brief habe ich bekommen. Aber ich weiß, dass es nicht anders geht. Sie kann keinen Kontakt zu uns halten, das würde zu sehr weh tun.

Meine Mom ist die schönste Frau, die ich kenne. Sie ist groß, schlank, mit langem blonden Haar und hellen blauen Augen. Sie besitzt markante Wangenknochen und ist immer total schick angezogen. Jedenfalls war sie das, solange ich sie kannte. Viele sagen, ich sei ihr Ebenbild, doch das stimmt nicht. Sie ist größer und schlanker als ich, ihre Haare heller und ihre Augen viel intensiver. Wenn du sie ansiehst hast du das Gefühl, dich nicht losreißen zu können. Ich bin bloß eine schlechte Kopie des Originals.

Meine Mutter ist eine starke Frau und sie lässt sich von nichts und niemandem unterkriegen. Sie wollte sich ihren Traum erfüllen und das geht nun mal nicht mit Familie. Deshalb hat sie uns zurückgelassen. Und das kann ich verstehen, ja ich bewundere sie sogar dafür.

Doch Isaac und mein Vater hassen sie. Sie können nicht verstehen, wie eine Frau ihre zwei Kinder und ihren liebenden Ehemann zurücklassen kann, um sich in eine ungewisse Zukunft zu stürzen. Sie verstehen nicht, wie unglücklich sie hier auf der Insel war, wie sehr es sie geschmerzt hat, nur noch eine gewöhnliche Hausfrau zu sein. Sie war hier nie sie selbst.

Und mir geht es genauso. Ich will in die Welt hinaus, will zeigen wer ich bin. Ich will den Erfolg meiner Mom wiederholen, wenn nicht sogar übertreffen. 

Es klingelt an der Tür und ich stelle den Bilderrahmen mit dem alten Familienfoto wieder zurück auf den Nachttisch. Seufzend gehe ich nach draußen um die Tür zu öffnen. Dad und Kim sind nicht zu Hause und Isaac verschanzt sich in seinem Zimmer.

Es ist Morgan, die vor der Tür steht. Ihre Haare hat sie zu einem unordentlichen Dutt gebunden, sie trägt ein altes T-shirt von Dan und kurze Shorts. Als sie reinkommt, zieht sie ihre Sneakers aus. "Hey, Bee."

"Hey." Ich lächle. Es ist schön, dass sie vorbeikommt. 

Sie drückt mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ich kann ihr Parfüm riechen. Es ist total mädchenhaft und vermutlich passt es deshalb so gut zu ihr. Wir gehen raus auf die Veranda, die zum Strand und zum Meer hinzeigt. Draußen an der schwülen Luft, setzten wir uns auf die Liegestühle, trinken kalte Limonade, die Kim heute morgen gemacht hat und streichen uns gegenseitig die Fußnägel.

Wir sprechen über dies und das. Ich merke, dass etwas nicht stimmt. Morgan ist zu ruhig, sie versucht die passenden Worte für etwas zu finden. 

"Was ist los?", frage ich, als ich es nicht mehr aushalte.

Morgan seufzt. Ihr Blick bleibt am Meer hängen. "Calvin... Er hat mich um ein Date gebeten."

Ich richte mich erstaunt auf. "Hat er?" Ich bin erleichtert, dass Daniel ihr noch nicht von gestern erzählt hat.

"Hat er." Sie nickt.

"Aber das ist doch super. Ich dachte, dass wolltest du die ganze Zeit?" Ein strahlendes Grinsen breitet sich auf meinem Gesicht aus.

Morgan wirft mir einen misstrauischen Blick zu. "Na, schon. Aber.." Sie überlegt kurz. "Ich dachte, du fändest ihn langweilig?"

Ich zucke mit den Schultern und lache. "Ich find' ihn langweilig. Aber ich bin doch nicht diejenige, die auf ein Date mit ihm gehen muss, sondern du." Ich streiche mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und schaue sie ernst an. "Es zählt doch bloß, wie du ihn findest."

"Sagst du das bloß, weil Dan mit dir geredet hat?" Ihre dunkelblauen Augen wirken wachsam.

Ich seufze und schüttle den Kopf. "Nein. Ich dachte nicht, dass es dir so viel ausmacht, was ich von Calvin halte. Aber wenn er dich glücklich macht, dann bin ich natürlich einverstanden." Ich schenke ihr ein kleines Lächeln. "Ich unterstütze dich immer, das weißt du doch. Und Dan.. Dan unterstützt das Ganze zwischen euch beiden auch."

Sie nickt und dann breitet sich langsam ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. "Wir gehen Essen. Morgen Abend schon."

Ich lache leise. "Ich kann dir helfen, dich herzurichten."

"Oh, bitte. Das wäre so lieb." Ihre Augen glänzen, als sie an Morgen denkt. 

Wir besprechen noch die ganzen weiteren Details, die vor einem Date wichtig sind. Irgendwann wird es dunkler und Wolken bedecken den Himmel. Ein frischer Wind ist aufgekommen und wir verziehen uns in mein Zimmer. Wir setzen uns auf mein Bett und machen es uns gemütlich. 

"Also. Was ist mit Samstag? Machen wir eine Party?" Morgan schiebt sich ein Stück Karotte in den Mund und betrachtet mich.

Ich schlage mir an die Stirn. "Oh, daran hab' ich noch gar nicht gedacht." Dann zucke ich mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Geburtstagsfeiern sind meistens ziemlich öde."

"Ach, komm schon. Man wird nur einmal 18."

Ich beiße mir auf die Lippen. "Ich wüsste nicht mal wen einladen."

Morgan verdreht die Augen und sie greift nach einem Stück Peperoni, das zusammen mit anderem Gemüse aufgeschnitten auf einem Teller vor uns liegt. "Das ist gar nicht so schwer. Auf eine Geburtstagsfeier kommt jeder, egal wie gut man befreundet ist. Eine Strandparty lässt sich wirklich niemand entgehen."

Immer noch nicht so wirklich überzeugt, beiße ich mir auf die Lippen. Mein sonst so großes Selbstbewusstsein, ist jetzt kaum vorhanden. 

"Komm schon. Wann hast du das letzte mal eine Party gefeiert? In der neunten Klasse?" Sie hebt eine Augenbraue hoch und sieht mich erwartungsvoll an. Das kann sie wirklich gut.

Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung. Vermutlich hab' ich das verdrängt, weil nur so wenig gekommen sind."

Morgan verdreht die Augen. "Da gab es auch noch keinen Alkohol und wilden Sex auf den Toiletten."

Ich lache laut auf. "Gut, du hast gewonnen." Ich lehne mich zurück und starre auf den Oberboden, meinem Mund zu einem Lächeln verzogen. "Also, wen laden wir ein?"

Ein Grinsen erscheint auf Morgans Lippen und so machen wir uns daran eine Gästeliste auszuarbeiten.  

Unser letzter SommerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt