6) Zwei Briefe sind einer zu viel

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Alex Leistungen in der Schule waren mindestens genauso schlecht, wie mein Ruf. Nur in Alte Runen schien sie wie verrückt zu arbeiten und schaffte es jedes mal mit einem 'Erwartungen übertroffen' aus den Zwischentests. Derweil waren meine Leistungen ganz gut. Ich war kein großartiger Profi, aber mit keiner Note schlechter als 'Annehmbar' kam ich ganz gut weg.
Der Herbst in Hogwarts war viel zu schnell verflogen und schon sah ich mich kurz vor Weihnachten in der Bibliothek büffeln. Das fünfte Schuljahr war besonders anstrengend, denn wir mussten die Zauberergradprüfung, kurz ZAG absolvieren, welche Ende Frühling stattfand. Alex schob mit jedem Tag mehr Panik und das wurde auch nicht​ dadurch gelindert, dass alle Lehrer mittlerweile jede Stunde, die Härte der Prüfungen andeuteten.
Am Mittwoch, nach dem letzten Zauberkunstunterricht vor den Ferien beschwerte sich Alex gerade besonders laut, über den Schwebezauber, als der selbe junge Rawenclaw zu mir herübergerannt kam, der mich auch im Zug abfing und mir einen goldenen Umschlag überreichte. Alex hörte schlagartig auf sich zu beschweren und starrte den Brief neugierig an. „Mach schon auf!“, drängt​e sie mich und ich riss unsanft auf.

An Miss Alira Selwyn
Ich möchte sie herzlich zu meiner Weihnachtsparty am Freitag, vor den Ferien einladen.
Bitte ziehen Sie sich festlich an und bringen Sie doch eine Begleitung mit.
Ich freue mich auf Ihre Anwesenheit!
Professor Slughorn

„Immer diese trockenen Einladungen“, seufzte Alex und ich konnte ihren sehensüchtigen Blick sehen, mit dem sie den Brief taxierte. Ich lächelte. „Hey, wenn du willst, dann gehen wir zusammen hin!“, sagte ich begeistert und Alex Gesicht hellte sich auf. „Unbedingt!“
„Echt, jetzt?“ Eine spöttische Stimme ertönte hinter uns. Kiran Bones lief im Gang auf uns zu, sein schönes Gesicht zu einer Grimasse verzerrt, grinste er. „Die beiden siamesischen Zwillinge müssen zusammen auf die Party gehen, weil sich niemand für sie findet“, lachte er und einige umstehende Rawenclaws stimmten mit ein.
„Hast dir wohl ein paar Spießgesellen gekauft, Bones“, fauchte Alex und verschränkte gefährlich die Arme. „Nein“, flüsterte ich eindringlich in ihr Ohr und zerrte an ihrem Umhang, um sie davon abzuhalten Kiran zu zerfleischen.
Aber Alex rieß sich los und starrte ihn an. Ihr Blick hatte etwas seltsam ruhiges an sich. „Das ist deine Art Frust zu lassen?“ Kirans Blick veränderte sich auf der Stelle. Es schien fast als würde die Wut aus seinem Gesicht fließen und er starrte Alex erschrocken an, die näher trat. Fassungslos blickte ich von ihr zu Kiran und wieder zurück.
„Du-weißt-schon-wer nimmt nur Untertanen, die ihm willentlich ihre Loyalität beweisen. Die mögen es getan haben, aber Aliras Mum nicht. Sie hat sich öffentlich gegen Ihn ausgesprochen und fallst du es vergessen hast: Alira hat nie, nie irgendjemandem ein Leid zugefügt!“
Kiran trat nun ebenfalls einen Schritt vor und als er sprach, klang seine Stimme unheimlich brüchig. „Nicht desto trotz wurde meine Mutter von einem Vampir ermordet und ich werde ihn dafür büßen lassen. Die sind gefährlich, Rosier“ Und mit einem letzten Blick auf mich verschwand er. Die Schüler, die die Szene mitbekommen haben, drückten sich ängstlich an der Wand vorbei, um ja nicht an mir vorbei zu müssen. Doch ich hatte nur Augen für Alex. „Seit wann weißt du das?“,fragte ich und ein Knoten schnürte meine Kehle zu. Sie drehte sich langsam um und kniff die Lippen zusammen. „Ich musste einfach wissen, wieso er so drauf war. Früher hieß es, er sei der netteste und toleranteste Junge in unserem Jahrgang. Dann hab ich in einer Ausgabe des *Gladiators* die Todesanzeige der Bones-Mutter gefunden und mir wurde alles klar“ Ein wenig mitleidig schaute sie mich an.
Aufgewühlt blickte ich zu Boden und wusste nicht so recht, was ich denken sollte. War ja klar, dass Kiran seine Gründe haben musste, wieso er ausgerechnet mich tyrannisierte. Beziehungsweise den Vampir in mir.
Am Mittwochabend setzten Alex und ich uns in dem altbekannten Geheimgang, um die Kleider für Slughorns Party zu bestellen. Ich hatte von Kira einen Katalog ausgeliehen, der eine Lieferung innerhalb eines Tages versprach und eine kleine Schmucksammlung enthielt. Während Alex zwei Seiten ausgerissen hatte und gerade diverse Auswahlspielchen zwischen beiden Kleidern ausprobierte, hatte ich mich bereits entschieden und schrieb bereits die Bestellnummer auf das knittrige Pergament.
„Ich kann mich einfach nicht entscheiden, das blaue oder- Was bei Merlin suchst du hier?“ Alex hielt mitten in einer Zauberstabbewegung inne und starrte den Neuankömmling vorwurfsvoll an.
„Als ich das letzte Mal nachgeschaut hab, war das noch Eigentum der Schule“, erwiderte eine blasierte Stimme und Blaise quetschte sich zwischen uns. Er legte den Kopf in die Hände und grinste uns an. Alex verdrehte die Augen und wendete den Zauber an, der ein Blatt der Zeitung in Brand setzte. Zufrieden nannte sie mir die Bestellnummer des ausgewählten Kleides und warf Blaise dann einen überheblichen Blick zu. „Wir gehen auf die Weihnachtsparty vom Sluggy“, sagte sie zufrieden und verschwand galant durch den Wandbehang. Ich warf ihm einen entschuldigenden Blick zu und folgte meiner reizenden Freundin.

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„Woooooow“ Alex laute Kundgebung ihrer Bewunderung, ging in dem Stimmengewirr vor dem Wandbehang unter. Wir hatten ausgemacht, uns vor dem Unterricht, gegenseitig unsere Kleider zu zeigen, schließlich war heute Abend die Party. Meine Vorfreude war ein wenig gehoben, seit ich erfahren hatte, dass ein Vampir kommen würde. Somit würden die anderen, zur Ausnahme einmal mich in Ruhe lassen.
Jetzt hob ich mein blaues kurzes Kleid nach oben um es Alex zu zeigen. Die verschnörkelten Maserungen schimmerten nachtblau und fielen sanft bis zu den Knien. Kleine, winzige Diamenten, die magisch verzaubert über den durchsichtigen Stoff floßen, glitzerten wie kleine Fische über den Schulterstoff.
Alex fasste begeistert das Kleid an, hielt es sich hin und drehte sich im Kreis. Lachend nahm ich ihr Kleid in die Hände. Es war bodenlang und endet in kleinen grünen Wölkchen, die sich bei jeder Bewegung an den Körper schmiegten. Es hatte keine Träger und deshalb hatte sich Alex für eine silberne Kette entschieden. Andächtig fuhr ich das weiche Material entlang und verstaute es sorgfältig in dem Pappkarten, indem es geliefert wurde.
Zufrieden über unsere gute Auswahl verdrückten wir heute mehr Pancakes als üblich und stießen sogar mit einem bearbeiteten Kürbissaft an. Heimlich glaubte ich, das Alex mir gar nichts reingetan hatte, denn ich spürte keinen Schwindel, als ich zu Kräuterkunde aufbrach.

Gähnend und streckend trat ich, gelangweilt über den Vormittag, in die Große Halle. Fast schon als Gewohnheit trat ich den Weg bis nach ganz hinten an und mied dabei den großen Lehrertisch. Ich hatte schon fast den Rawenclawtisch erreicht und sah erfreut, dass es Pizza gab, da hielt mich eine gestresste und wütende Alex auf. Erschrocken über den Beinah-Zusammenbruch wich ich vor ihr zurück.
„Schau dir das an!“, rief sie sauer und knallte einen Umschlag auf den Tisch. Einige Umstehende wandten sich verwirrt nach der lauten Stimme um, schüttelten dann aber nur den Kopf, als sie Alex sahen. Verwirrt hob ich den Brief auf und begann die kurze Nachricht zu lesen.

Liebe Alexandra,
wir wissen, dass wir uns allmählich von dir entfernen und wir wissen ebenso, dass das mit unserem Einverständnis geschah. Doch nun geht deine Schwester nach Hogwarts und repräsentiert uns stolz in dem Hause Slytherin. Sie berichtete uns, wie sehr du dich mit dem Halbvampir Alira Selwyn angefreundet hast und wir können das nicht gutheißen.
Wir hoffen inständig, dass es sich mit dem oben genannten um ein Missverständnis handelt.
Wir sehen uns bald, auf Professor Horace Slughorns Weihnachtsparty.
Grüße
Deine Eltern

Mit offenen Mund starrte ich auf die Zeilen und dann zu Alex. „Was wirst du tun? Den Kontakt zu mir abbrechen?“
Sie schnaubte nur und zerriss den Brief in seine Einzelteile, bevor sie ihn in den Kakaobecher von Cherry Abbott warf. „Wir sehen uns bald!“, wiederholte sie und trampelte wütend aus der Halle, „sicher nicht! Ich hab Tante schon kontaktiert. Ich werd heute noch per Flohpulver abgeholt. 'Missverständnis', pah!“ Sie marschierte zu den Küchen, aber ich packte erschrocken ihren Arm. „Du kannst nicht abreisen! Die Party!“
„Genau deshalb reise ich ab, Alira!“, rief Alex und ohne ein Wort zu sagen hastete sie in den Gemeinschaftsraum.
Vollkommen am Boden zerstört schlurfte ich zurück in die Große Halle. Ich hatte noch genau sechs Stunde Zeit um eine blöde Begleitung zu finden.

Alira Selwyn I - A Harry Potter Story [Finished]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt