4) Abstecher mit Kiran

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Ich hörte Wasserrauschen, ganz in der Nähe. Unablässig schlugen Wellen gegen das matschige Ufer. Und da war der Wind, der durch entfernte, hohe Baumkronen pfiff. Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber als ich sie aufschlug war nur weitere erdrückende Dunkelheit vor mir. Verwirrt tastete ich meine Umgebung ab.
Ich lag auf dem Boden, ganz eindeutig. Aber das war kein Holz, nein es war Sand... ich nahm eine Hand davon und ließ ihn durch die Finger gleiten. Jetzt konnte ich die feinen Körner sehen, wie sie in schneller Hast zurück auf den Boden flossen.
Also war ich am Meer...? Mein Blick wanderte nach oben und dort war Wasser. Unmenge an dunklem, ruhigen Wasser. Aber es war kein Meer...
In der Oberfläche spiegelte sich, träge verschwimmend, ein riesiges Schloss mit etlichen Zinnen und Türmen. Mich aufrichtend wanderte mein Blick über die Länderreien von Hogwarts. In der Ferne konnte ich deutlich die Ausläufer des verbotenen Waldes erkennen und davor Hagrids Hütte, in der kein Licht mehr brannte. Ich drehte mich im Kreis, aber ich war vollkommen allein am Strand. Wie oder gar warum ich hier herkommen war, schwirrte mir durch den Kopf, aber meine Gedanken, durch den Alkohol verwirrt, hatten sich irgendwo in meinem Hinterkopf versteckt. Schwankend setzte ich mich in Bewegung. So spät konnte es noch nicht sein, schließlich brannten noch Lichter im Schloss. Das große Eichenportal kam immer näher und vergrößerte sich bedrohlich.
Ich streckte meine eiskalt gewordene Hand aus und griff nach der Tür, doch da packte mich ein Arm von hinten und zog mich nach rechts in eine Nische zwischen Tür und Mauer. Zu betrunken um überrascht zu sein, versuchte ich mein Gegenüber klar zu erkennen, aber sein Gesicht verschwamm vor meinen Augen.
„Was suchst du hier draußen um diese Zeit?“, hörte ich eine Stimme an meinem Ohr. Sie kam mir ansatzweise bekannt vor.
„Sch-wimmen“, sagte ich in einem trägen Plauderton und deutete auf den See. „Da drin“
„Schwimmen?“, fragte der Jemand und selbst in meinem Zustand war der sarkastische Unterton zu erkennen. Ich nickte vorsichtig und klammerte mich an des Jemanden Armes. Er ließ mich hastig los. „Du bist betrunken, oder?“ Er seufzte, als hätte er gerade verstanden.
Ich brummte einen, wie ich glaubte, zustimmenden Ton und versuchte immer noch sein Gesicht zu erkennen. „Wer bistn du eigentlich?“, murmelte ich und versuchte klar zu denken. Er lachte leise. „Für Vorstellungen ist später genug Zeit“ Er hielt mich auf, als ich Anstalten machte zum Portal zu gehen, „da kommst du nicht rein, sie sind alle geschützt.“ Schmollend stolperte ich hinter seiner Gestalt her. Er war größer als ich und wahrscheinlich auch älter, seine Hand die meinen Arm gepackt hatte, hatte lange Finger und einen schmerzhaft festen Griff. Als erstes mich durch die eisige Winterluft hinter dich herzog, schien auch der Alkoholpegel zu sinken. Ob es irgendein Zauber war, oder nur die frische Luft blieb unbeantwortet, denn in dem Moment öffnete sich eine Steinwand vor uns und er zog mich hinein. Warme, stickige Luft zog mir entgegen und taute meine tauben Finger. Zitternd klopfte ich Staub und Sand von meinem Umhang und bemerkte dann den großen Eisfleck. Frustiert stöhnte ich auf und betastete die Stelle. Das ewige Eis knisterte unter meinen Fingern.
„Ratzeputz“ Mit einem Schwung seines Zauberstabs sog er die Flüssigkeit aus dem Stoff. Ich grinste und schaute zu ihm auf. Durch die Lampe an der Decke wurde sein Gesicht von der Seite beleuchtet.
In dem schimmernden Lichtkegel tanzten kleine Kreise in seinen grünen Augen und ein feiner dunkler Rand betonte sie, wodurch sie eine stechenden Eindruck erhielten. Seine dunklen Haare fielen ihm vorne leicht ins Gesicht und warfen Schatten auf sein schönes Gesicht. Mir fiel einfach nicht ein, woher ich ihn kannte!
„Ich schätze jetzt ist Zeit für eine Vorstellungsrunde“ Er grinste zu mir hinunter und ich starrte zurück. Schwarz traf auf Grün.
„Äh... Alira Selwyn“, stammelte ich und versuchte angestrengt sein Gesicht nicht vor meinen Augen verschwimmen zu sehen. Bei dem Klang meines Namens wich der Schimmer aus seinen Augen und er hob eine Augenbraue. „Selwyn? Du bist also-“
„Die Halbvampirin, ja“, unterbrach ich ihn frustriert, wie schon so viele davor.
„Ich heiße Kiran Bones“ In seiner Stimme war nicht mehr belustigt wie zuvor, sondern er klang distanziert und streng. „Und ich bin Vertrauensschüler von Rawenclaw. Du bist außerhalb der Sperrstunde draußen gewesen und deshalb muss ich dich melden. Tut mir Leid“ Doch es klang nicht so. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass er sich freute mich an jemanden zu verpetzen. Grob schob er mich durch den engen Tunnel und dann durch einen Wandbehang, der in den dritten Stock mündete. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, bugsierte er mich wie eine Gefangene zu Professor Flitwecks Büro. In dem Büro des Hauslehres brannte noch Licht und Stimmen drangen durch die Holztür. Kiran klopfte zweimal laut gegen die Tür und stieß sie sofort nach dem „Herein!“ auf.
Flitwick saß auf seinem schwebenden Schreibtischstuhl und hatte einige Akten vor sich ausgebreitet. Vor dem großen Pult stand - und mein Herz begann eine Achterbahntour - niemand anderes, als der Schuldirektor höchstpersönlich. Professor Dumbledore.

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„Miss Selwyn!“ Flitwicks hohe Stimme klang nun gar nicht mehr freundlich. Er beugte sich von seinem Schreibtisch aus hinunter zu mir und funkelte mich an. Ich schrumpfte automatisch ein Stück in meinem Stuhl zusammen.
Kiran, der neben mir stand machte eine gleichgültige Miene, doch ich konnte den Hass spüren, der wie eine Wolke von ihm auszugehen schien. Professor Dumbledore beobachtete die Szene mit wachem Interesse.
„Ich muss selten erleben, wie mich eine Rawenclaw-Schülerin dermaßen erniedrigend. In solch schlimmen Zeiten, die Regeln zu missachten, ist keine Wesensart, die wir in unserem Haus pflegen! Hab ich mich klar ausgedrückt?“
Ich nickte eilig und wünschte nichts mehr als im Boden unter mir zu versinken. Noch nie war ich dabei erwischt worden, wie ich irgendwelche Schulregeln brach und der Grund war, dass ich es nie getan hatte. Nicht das ich nicht darüber nachgedacht hätte, aber meistens ist mir Bella, meine ehemalige Freundin, dazwischen gekommen. Sie hatte mich immer davor bewahrt durchzudrehen.
„Nun“ Flitwick taxiert mich mit einem durchdringenden Blick, „Sie werden morgen mit Mister Flich über ihre Strafe sprechen. Und erinnern sie Mister Zabini und Mister Malfoy ebenfalls daran. Wie mir zu Ohren gekommen ist, waren sie ebenfalls heute nicht in ihren Betten!“
Durch seine letzte Aussage aufmerksam geworden, richtete ich mich auf. „Wirklich? Was haben sie getrieben?“
„Ich wüsste nicht was dich das angeht?“, zischte Kiran, aber Fliwick hatte seine nette Seite nicht vergessen. Er starrte mich einen Moment an, dann sagte er langsam. „Soweit ich weiß, hat man sie in den Slytherin Gemeinschaftraum zurückschleichen sehen. In der Abendstunde“
„Wann?“, fragte ich sofort und rechnete in meinem - wiederhergestellten - Gehirn sofort die Stunden aus. Flitwick schüttelte den Kopf. „Das ist Professor Snapes Angelegenheit“ Er wandte sich an Kiran. „Bring Miss Selwyn, doch bitte in ihren Schlafsaal zurück“
Kiran neigte kurz den Kopf, dann zog er mich vom Stuhl nach oben. Ich entwand mich seinem Griff und fauchte ihn wütend an: „Ich kann selbst gehen, danke!“
Gerade als ich die Tür aufreißen wollte, hielt mich eine sanfte Stimme zurück. „Ich würde gerne Miss Selwyn zu ihrem Gemeinschaftsraum begleiten, Professor“
Mein Herz eben noch wild rumorend, stoppte und zur Salzsäule erstarrt hielt ich inne. Nein, nein, nein, bitte nicht!
Kiran war ebenfalls erstaunt stehen geblieben. „Sir?“, fragte er verwirrt, aber der Schulleiter schritt bereits an ihm vorbei und hielt mir freundlich lächelnd die Tür auf. Ich blinzelte in sein altes Gesicht und bereute es sofort. Seine blauen Augen waren unverwandt auf mich gerichtet und schienen mich zu lesen. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, brachte nichts heraus und lief stattdessen mit hochrotem Kopf in den Korridor. Dumbledore war eine andere Art von Größe. In meiner Kindheit hatten meine Eltern fiel von den Zauberern erzählt, die ein großes Maß an Bewunderung verdienen. So hatte ich Achtung ihnen gegenüber gewonnen, wie auch zum Beispiel Harry Potter.
Dumbledore ließ Kiran und Flitwick stehen und spazierte fröhlich summend den Gang entlang. Eilig hastete ich ein paar Meter hinter ihm her. Da bemerkte ich plötzlich Dumbledores Hand, die unter seinem Ärmel hervorlugte. Sie war schwarz verkokelt und wirkte erschreckend ausgetrocknet, aber ich war zu respektvoll um danach zu fragen.
Erst nach einigen Minuten, in denen sie kurz vor dem Rawenclaw Gemeinschaftsraum waren, hielt der Schulleiter inne und blickte mit einem sanften Blick auf mein verängstigtes Gesicht. „Wo waren Sie heute Nacht, Miss Selwyn?“
Fast hätte ich laut aufgeschrien, unterdrückte es aber gerade noch. „Wann speziell, Direktor?“, fragte ich, um den Moment der Wahrheit hinauszuzögern.
„Gegen acht Uhr abends“
Überrascht das er mich nach einer so speziellen Uhrzeit fragte, stutze ich kurz, dann versuchte ich die Ereignisse der letzten Stunden zusammen zu fassen. Ich erinnerte mich an einen dunklen Kerkergang und vor meinem Auge blitzten gläserne Gefäße auf. „Ich denke...“, sagte ich langsam, „ich denke, ich war in den Kerkern... In dem Zaubertrankkorridor“
Ernst blickte ich wieder hinauf, in sein Gesicht und erkannte erstaunt, wie der Schulleiter prüfend mein Gesicht musterte. Dann ohne Vorwarnung lächelte er und nickte, so als ob sich eine Frage soeben beantwortete hätte, die nur er kannte. „Nun, Miss Selwyn. Ich wünsche Ihnen eine ehrholsame Nacht. Und passen Sie auf morgen früh nicht zu schnell auszustehen“ Er zwinkerte und rauschte mit wehendem Umhang um eine Ecke und verschwand.

Alira Selwyn I - A Harry Potter Story [Finished]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt