Der Schnee fiel sanft auf unsere Schulter, während wir verschlungen vor dem Wolkenmeer standen. Niemand von uns sagte etwas und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich mich endlich wieder bewegen konnte.
„Das ist der Grund, warum du plötzlich mit niemandem mehr ausgegangen bist, oder? Es tut mir ja so leid! Ich hab dich ja praktisch gezwungen“
Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich hatte es einfach gebraucht. Ich - wollte einfach nur nie wieder jemanden nur des 'Spaßes' halber ausnutzen. Du - bei dir ist es anders“
Ich lächelte, was bedeuten sollte, dass er nicht weiter zu reden brauchte und strich ihm Schneeflocken aus den Haaren. „Meine Schwester ist als Baby gestorben, wusstest du das?“ Seinem entsetzten Gesicht nach zu urteilen, schienen ihn meine Worte getroffen zu haben. Traurig nickte ich. „Sie wurde nicht einmal zwei Jahre alt, da erkrankte sie an Frühlingsamnesie und starb daran. Ich kann mich kaum an sie erinnern, ich war damals vier Jahre alt und hatte nicht einmal begriffen, dass sie mit mir verwandt war. Ich war zutiefst bestürzt als sie nicht mehr war. Bin immer zu ihren Zimmer gerannt und rief nach ihr. Irgendwann erzählte mir Mutter sie würde nicht antworten, weil sie bei den Engeln war und Wolken essen durfte, da war ich furchtbar eifersüchtig“ Ich lachte leise bei dieser Erinnerung. „Ich weiß, du willst es nicht hören, aber es vergeht. Man möchte sich nur noch an die schönen Dinge des Verstorbenen erinnern und vielleicht lernt man dann zu lächeln, wenn man sich das erzählt“
Ich suchte seinen Blick und erkannte darin eine Spur Hoffung. Er brachte ein leichtes Lächeln zustanden und drückte mich an die Brust. „Ja... vielleicht“..................
Der Winter verging schnell und bevor es mir bewusst war, taute der Schnee und die Schlossländereien wurden wieder grün und sonnig. Die ZAGs rückten immer näher und die Fünftklässler vergruben sich mit genervten Mienen hinter riesigen Wälzern oder tauschten hektisch alle möglichen Notizen untereinander aus.
Blaise, Alex und ich saßen jetzt jeden Nachmittag bis zur letzten Stunde in der Bibliothek zwischen gefährlich wackelten Bücherstapeln. Bei Blaise standen seine letzten Sommerprüfungen an, bevor er in die siebte Klasse wechseln durfte - was ihn aber herzlich wenig interessierte. Vielmehr beschäftigte er sich damit, mich motiviert von meiner Arbeit abzulenken.
Alex hatte sich von ihrem 'Dezemberschock' - wie sie ihn nannte - erholt und kam nun viel zu gut damit klar, dass wir beide miteinander ausgingen. Jedes Mal drückte sie mich quietschend, wenn ich von ihm erzählte und wollte bei jeder Gelegenheit Einzelheiten aus mir herausquetschen.
Doch jetzt, so kurz vor den wichtigen Prüfungen, quälte sie sich am meisten von allen durch ihre Notizen. Sie hatte so gut wie jedes Wort der Lehrer auswendig gelernt und jeden Zauberspruch pingelig genau aufgelistet. Blaise, der es liebte, über sie zu lachen, schüttelte immer den Kopf wenn sie leise einen Spruch murmelte, um mich oder ihn zu verhexen. Doch leider endete das immer mit einem wilden Gerangel der beiden, wobei bereits einige Tintenfässer darunter zu leiden hatten.
Was mich aber am meisten überraschte, war dass Kiran Bones anscheinend seinen Groll gegenüber mir überwunden hatte und jetzt nur noch eilig vorbeirannte, wenn er mich kommen sah. Auch hatte er kein Wort über meine Beziehung mit Blaise verloren, so wie die ganze restliche Schule. So gut wie jedes Mädchen die Blaise kannten, war zu mir gekommen und hatte gefragt, wie ich es schaffte länger als zwei Wochen mit ihm zusammen zu sein. Vor allem jetzt, da es fast schon vier Monate waren. Ich antworte darauf immer gleich, und zwar dass sie ihn doch selbst fragen sollten.
Als ich von den Osterferien zurückkam, hatte ich Kiran kurz gesehen, als er mit seiner Schwester redet, sie waren aber verstummt, als ich nah genug war um sie zu verstehen. Beide hatten mich mit demselben Blick angesehen und ich fragte mich bis heute, was er wohl zu bedeuten hatte.„Hast du mal eben die Aufzeichnung über die Vampirverschwörung von 1678?“, unterbrach Alex meine Gedanken ohne von ihrem Pergament hochzusehen.
„Als ob ich da mitgeschrieben hätte!“ Ich lachte laut auf und erntete einen strengen Blick der Bibliothekarin, „mein Großvater war da selber dabei. Der erzählt heute noch davon, sowas vergess ich nicht“
„Wie alt werden Vampire?“, fragte Blaise neugierig und kippelte mit seinem Stuhl nach hinten.
Abgelenkt durchwühlte ich meine Hefte. „Um die 400 bis 500 Jahre. Irgendwann legen die sich in ihren Sarg und sterben sozusagen freiwillig. Ich war bei so ner Zeremonie noch nie dabei, mein Großvater ist erst 434... glaub ich.“
„Erst 434!“ Leise vor sich hin lachend bekritzelte er eine Seite für Alte Runen und drehte sie zu Alex um. „Jäger wird mit 'Ilfas' übersetzt, oder?“
„Waas?“, gab diese gestresst zurück und warf kurz einen Blick auf seine Hausaufgabe. Dann riss sie sie ihm bestürzt aus der Hand. „Unglaublich dumm... wie kann man nur...“ Ärgerlich strich sie einige Sachen durch und gab sie ihm wieder. Er grinste triumphierend und steckte sie ein. Offensichtlich war er einfach zu faul, um sie selbst zu machen. „Wann is euer erster ZAG?“, fragte er träge und starrte wieder aus dem Fenster.
„Übermorgen“, meinte ich und gähnte übermüdet, „Zauberkunst“
„Erinnere mich nicht daran!“, rief Alex plötzlich geschockt, „ich hab ganz vergessen Aufrufezauber zu üben!“ Und sie zog ihren Zauberstab, um einen Stuhl immer wieder zu sich her und wieder weg zu zaubern. Blaise und ich verdrehten gleichzeitig die Augen. „Zauberkunst war ich gar nicht so schlecht. Da hatte ich meine 'Erwartungen übertroffen' genau wie in Verwandlung“, sagte Blaise und besah sich einige umherfliegende Skizzen. Alex begann mit einem lauten Singsang um seine träge Stimme nicht hören zu müssen, wobei sie dann schlussendlich von der Bibliothekarin herausgeworfen wurden...................
„Alex Rosier, Pia Reffler, Alira Selwyn, Irene Siffler“
Mit zitternden Knien lief ich zusammen mit Alex in die große Halle, die zu einem Prüfungsraum umgeräumt worden war. Überall standen Prüfer mit Schülern die ihre praktische Prüfung im Fach Zauberkunst ablegten. Die kleine Hexe an der Stirnseite der Halle wies mich einer jungen Prüferin zu, die helles kurzer Haar hatte und jedes Mal freudig grinste, wenn ich etwas richtig machte. Alex hingegen hatte einen runzeligen alten Prüfer abbekommen, der erstarrt auf ihren Zauberstab starrte. Später hatte sie mir erzählt, dass sie dachte er wäre mitten unter ihrem Schwebezauber gestorben, weil er ewig lange gebraucht hatte, eine Benotung einzutragen, doch alles in allem ging es gut..Abends warf ich mich völlig ausgelaugt in die Arme von Blaise, der die besten (und einzigen) Sessel der Bibliothek freigehalten hatte, während er selbst einen nicht enden wollenden Wälzer von Kräuterkunde durchlas.
Doch wir konnten nicht entspannen, denn die nächste Leistungsabfrage in Verwandlung stand für morgen an und wir vergruben uns abermals hinter riesigen Stapeln von Büchern. Blaise verabschiedete sich gegen Mitternacht und lies Alex und mich niedergeschlagen und verloren zurück.
Wieder einmal hatte ich nur vier Stunden Schlaf und somit schlurfte ich mehr schlecht als recht in den Prüfungssaal. Durch meine Erschöpfung versaute ich den Beschwörungszauber und verwandelte stattdessen den Prüfer in einen quakenden Frosch. Alex, die sich vor lauter Lachen nur noch am Boden kringelte, ließ ihren Zauberstab blaue Flammen spucken und die Prüfung musste für ein paar Minuten abgebrochen werden. Somit schob nun die schlecht gelaunte Hufflepuff den ganzen restlichen Tag schlechte Laune, was ihre einzige Auszeit zwischen den Prüfungen versaute. Ich hatte einfach beschlossen ihre gelegentlichen Wutausbrüche zu ignorieren und mich stattdessen auf den wunderbaren Sonnenuntergang konzentriert. Blaise musste heute dem abendlichen Slugclub teilhaben und war somit den ganzen Abend verhindert. Insgeheim hoffte ich, er würde genau in dem Moment aus dem Fenster blicken und vielleicht an mich denken...Irgendwann seufzte Alex und stand ächzend auf. „Hör mal... ich geh ins Bett, damit ich morgen früh anfangen kann zu lernen“ Sie drückte mich kurz und verschwand dann schlurfend hinter den Bücherregalen. Eine Weile blickte ich noch auf die Ländereien und auf zwei Vögel, die in Richtung Astronometrieturm flogen, dann stand ich gähnend auf. Wenn ich mich beeile, dann würde ich noch innerhalb der erlaubten Zeiten im Turm sein, überlegte ich gerade, als ein lauter Knall und ein weit entfernter Schrei ertönte. Alamiert blieb ich stehen und horchte aufmerksam auf die immer lauter werdenden Geräusche, dann rannte ich los.
Es klang eindeutig nach Schlachtgetümmel.
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Alira Selwyn I - A Harry Potter Story [Finished]
FanfictionStell dir vor dein Leben besteht daraus, auf einem Internat zu leben, auf dem dich so gut wie keiner mag. Stell dir vor, dass selbst deine Herkunft deine Zukunft vorher bestimmt. Und diese sieht nicht rosig aus. Alira Selwyn kommt aus einer reinblü...