2) Alex Rosier

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Meine erste Schulwoche verging wie zäher Kaumgummi. Mein Geschrei in Slughorns Abteil hatte sich in den Schule verbreitet wie ein Lauffeuer und bald konnte ich Schüler in den Gängen hören, wie sie sich veränderte Versionen davon zu flüsterten. Bald hieß es, ich hätte mich auf den Griffindorjungen gestürzt und versucht ihm meine Fangzähne in den Hals zu rammen und nur durch Harry Potters Protego-Zauber wurde ich daran gehindert.
Das hätte ich natürlich erwarten können. Die Leute suchten sich stets ein neues Gerücht aus und dabei gab es immer eine gute und eine böse Seite. Und der Auserwählte war nun für die meisten ein Zeichen, das Heldentum und Mut verkörperte, während Vampire oder Werwölfe mit dem Bösen in Verbindung gebracht wurden. Dazu kam noch, dass der Auserwählte höchstpersönlich am Eröffnungsbankett zu spät und mit blutender Nase kam, womit ich natürlich nichts zu tun hatte! Slughorn, der sich als mein neuer Zaubertrank-Professor herausstellte, schickte mir bereits am dritten Tag eine neue Rolle Pergament, in der er mich zu einer Abendgesellschaft einlud. Unschlüssig darüber, ob ich mich dahin verirren wollte, las ich fast jeden Tag die Nachricht noch einmal durch, nur um mich dann Samstagabend mit einer Ausrede im Schlafsaal zu verkriechen. Ich würde nicht noch einmal das Risiko auf mich nehmen, die Beherrschung zu verlieren und so saß ich auf meinem himmelblauen Bett und starrte an die hölzerne Decke.
Der Schlafsaal der Mädchen im fünften Jahr war fast ganz oben, im Rawenclawturm. Es war ein kreisrunder, kleiner Raum mit einem metallischen Kamin an der Wand. Nur drei Betten mit silber-blauen Vorhängen standen in geringem Abstand nebeneinander am Fenster. Das mittlere gehörte Luna Lovegood, einem dünnen, blonden Mädchen, dessen Vater ein seltsames Magazin namens *Klitterer* herausbrachte. Ihre bizarre Kleidungswahl ließ ihren Schrank in schillernden, bunten Farben leuchten und die schwebenden Schmuckboxen enthielten etliche seltsame Erscheinungen, von Radieschenohrringen bis hin zu kleinen, knollnartigen Ansteckern, die quiekten, wenn man sie berührte. Ich hatte mich nie viel mit Luna unterhalten, denn im Gegensatz zu mir, kam sie nur zur Schlafenszeit hinauf.
Das Bett rechts von der Tür war über und über mit großen Plakaten beklebt auf dem die Irische Nationalmannschaft ihre Bahnen auf den Besen zog, Bälle durch die Gegend warf oder einfach nur selbstgefällig grinsten. Von der Decke hingen grüne Bommel, die wenn man sie verzauberte immer wieder, die Namen der Spieler riefen; und um die Bettpfosten schwebten kleine Ausgaben, der Rennbesen, auf denen die Mannschaft je geflogen war.
Kira Marshall war wohl die begeisterste Quidditchspielerin im ganzen Land. Sie selbst war nun schon das dritte Jahr in Folge Jägerin im silber-blauen Rawenclawteam der Schule. Da ich mich wenig mit dem Zaubererspiel auskannte und lediglich die Schulteams spielen gesehen hatte, war auch sie nie wirklich jemand, mit dem ich mich angefreundet hätte. Kira war nett und sie verachtete mich auch nicht wegen meiner allseits gefürchteten Gene, weshalb wir oft in der Bibliothek saßen und Hausaufgaben machten, doch darüber hinaus ging es nie.
Ich bließ mir eine Strähne dunkles Haar aus dem Gesicht und rechnete ernsthaft aus, wie viele unerträgliche Wochen ich noch bis Weihnachten aushalten musste, da konnte ich endlich nach Hause fahren. Seufzend drehte ich mich auf die Seite und starrte die Einladung an. Sie war ganz glatt, weil ich sie den Tag über in meinem Zauberkunstbuch mitgeschleppt hatte.
Plötzlich wie von einem unsichtbaren Faden gezogen, sprang ich auf und packte meinen Schulumhang. Das war doch bescheuert! Ich konnte doch nicht ewig hier rumsitzen, Löcher in die Luft starren und mein Leben betrauern. Wieso schottete ich mich von der Welt ab, wenn ich doch eigentlich nichts mehr brauchte als einen Freund? Und auf eine Party zu gehen, konnte doch wohl kaum dabei schaden...
Oder?

.................

Der Korridor vor Slughorns Büro war wie ausgestorben. Entweder ich war zu früh oder zu spät. Innerlich verfluchte ich mich, weil ich nicht nach der Uhrzeit gesehen hatte, doch da kam auch schon Blaise Zabini, der Slytherin mit der reichen Mutter, den Gang entlang stolziert. Er warf mir einen belustigten Blick zu, weil ich wie bestellt und nicht abgeholt dastand und ihn anstarrte.
„Ich wette du schreist mich an, wenn ich dich frage, was du da treibst, Selwyn", sagte er spöttisch, aber seine Mundwinkel zuckten.
„Äh... ich geh zu Slughorns Abendgesellschaft", sagte ich und fragte mich, ob er das eben ernst gemeint hatte.
„Genau wie ich" Er zog die schwere Tür mit einem Schwung auf und grinste.
Wenn ich erwartete hätte, er würde mir Vortritt lassen, wäre ich enttäuscht worden. Blaise stolzierte in den großen, geräumigen Raum und verdeckte dabei die Sicht auf meine Wenigkeit. „Blaise! ... und Alira, wie erfreulich!", hörte ich Slughorns Stimme. Blaise ließ sich auf einen Sessel mit hoher Armlehne und weichen Kissen fallen und ich konnte Slughorn sehen. Er saß auf einem kleinen dunkelroten Sofa und blickte gutmütig und zufrieden in die Runde. Fast alle aus dem Zugabteil waren anwesend, nur Harry Potter fehlte. Hinzugekommen war Hermine Granger, eine Griffindor und zwei jüngere Rawenclaws. Außerdem ein dunkelhaariges Mädchen in einem Hufflepuffumhang und dem schwarz-gelben Vertrauensschülerabzeichen. Ihre Erscheinung kam mir seltsam bekannt vor, so als wäre ich schon einmal jemandem begegnet der aussah wie sie, nur um einiges älter. Als das Mädchen bemerkte das ich sie anstarrte, hob sie den Kopf und lächelte leicht. Ich grinste zurück.
„Sie kennen sich?", fragte Slughorn erfreut und deutete mir an neben ihr Platz zu nehmen. „Nun, Cormac wollte uns gerade von seinem Onkel erzählen...", deutete der Professor an und wedelte mit seiner Hand in Richtung dem großen Griffindorjungen, den ich so unfreundlich angeschrien hatte.
Kaum war die volle Aufmerksamkeit von mir und Blaise abgefallen, beugte sich die Hufflepuff zu mir herüber. „Hab gehört du hast es Cormac ziemlich gezeigt", flüsterte sie und ich wandte mich zu ihr um. Ihre grünen Augen glitzerten freudig. „Nicht wirklich", murmelte ich und senkte die Stimme, „ich bin nur ein wenig lauter geworden"
Zu meiner Überraschung lachte sie kurz auf. „Dachte mir schon das Rowle eine Lügengeschichte aufgetischt hat. Er hat mir erzählt, ihr hättet euch geprügelt"
Ich schnaubte auf und sie grinste. „Ich bin Alex" Sie zögerte kurz, dann sagte sie vorsichtig: „Alex... Alex Rosier"
Ich brauchte einige Momente ehe ich begriffen hatte, was sie eben sagte. Entsetzt rutschte ich einige Zentimeter von ihr weg. „Rosier?", fragte ich eben noch so leise, dass es niemand mitbekam. „Ich dachte, die haben nur ein Kind!"
Alex streckte bittend die Hand aus, aber ich wich zurück. „Nein, ich bin die Erstgeborene. Aber so sahen sie mich nie an" Verbitterte starrte sie auf den Boden, dann deutete sie mit dem Zeigefinger auf das Hufflepuffwappen auf ihrer Brust. „Die Rosiers sind keine Hufflepuff. Sie sind Slytherin, wie die meisten von den beschissenen Reinblutfamilien"
Überrascht über ihre Wortwahl rutschte ich unruhig auf dem roten Polster herum. „Deshalb haben sie dich enterbt?", fragte ich neugierig.
Alex seufzte und fuhr sich durch die Haare. Mir fiel auf, dass sie auffällig gelockt waren. Sie wollte wohl unbedingt, nicht mit ihrer Familie in Verbindung gebracht werden. „Ja, das war wohl der Hauptgrund. Ich war nie sonderlich Rosier-mäßig. Die bescheuerten Gebaren, die ganzen Gelage mit Geschäftmänner, dieser Drang die Ehre der Familie über alles zu setzten und als Rechtfertigung zu benutzen und das Geschwafel über die dunklen Künste..." Sie lächelte gequält, als sie meinen erschrockenen Blick sah „jah... meine Eltern sind Todesser. Ich frage mich, wie viel mein Dad dem Ministerium gezahlt hat, damit sie das ignorieren" Sie biss sich auf die Lippe und schüttelte in Gedanken versunken den Kopf.
Als ich die Verzweiflung und den Hass in ihren Augen aufblitzen sah, musste ich schlucken. Meine eigenen Probleme mit der Rasse meiner Mutter, schienen plötzlich kindisches Gebaren zu sein. Von der Familie ausgestoßen zu werden, war um so vieles schlimmer.
In dem Moment wusste ich nicht, dass Alex genau umgekehrt dachte.

Alira Selwyn I - A Harry Potter Story [Finished]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt