Hallo Fremdling,
ich überlege, ob ich mir nicht irgendeinen Namen für dich überlege. Zwar habe ich es auch heute wieder geschafft eine Anrede zu finden, aber das ist ganz schön schwierig. Allerdings müsste ich ja dann einen Namen auswählen, der keinem Geschlecht zugeordnet werden kann. Sonst könnte sich ja jemand benachteiligt fühlen. Bente oder Tjorven fände ich ganz schön. Es muss auf jeden Fall ein skandinavischer Name sein. Ich mag Skandinavien sehr. Mein Papa hat mir versprochen, dass wir mal nach Skandinavien fahren, wenn ich wieder gesund bin. Darauf freue ich mich schon sehr. Als kleines Kind hab ich mich immer als Wikinger verkleidet und dann bin ich mit Lukas durch den Wald gerannt. Mit seinem Vater haben wir auch mal ein Floß gebaut. Aber das ging leider unter, als wir es ins Wasser gelassen hatten. Wir wären wahrscheinlich keine guten Wikinger gewesen. Ich habe Lukas schon lange nicht mehr gesehen. Das ist schon mindestens 4 Jahre her. Nachdem wir umgezogen sind, ist das aber auch nicht so einfach sich zu sehen und er hat sicherlich auch schon andere Freunde gefunden. Mir fällt auf, dass ich dir ja von Krabbi erzählen wollte. Das ist übrigens isländisch und bedeutet Krebs. Mein Arzt hat mir am Anfang geraten ihm einen Namen zu geben. Das würde mir Kraft geben. Ich wollte aber nicht, dass er so etwas wie ein Freund für mich wird, schließlich ist er mächtig und kann mir das Leben nehmen. Also habe ich mich mit Lasse hingesetzt und habe Krebs in alle möglichen Sprachen übersetzen lassen, zumindest so lange bis man nicht mehr wirklich erkennen konnte, dass es Krebs bedeutet. Das macht das Ganze ein wenig geheimnisvoll. Und wenn man so darüber nachdenkt, ist es das auch. Es ist schon komisch, dass etwas in meiner Lunge sitzt, das die Kraft besitzt mir alles zu nehmen, was ich besitze. Ich meine dabei nicht meine Spielsachen oder so. Das wäre mir egal. Es gibt so viele Kinder, die keine Spielsachen haben, da brauche ich auch nicht unbedingt welche. Krabbi oder Bronchialkarzinom wie es wohl in der Fachsprache heißt. Was genau das ist, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Krabbi ein bösartiger Tumor ist, der in meiner Lunge ist. Eine Heilungschance gibt es kaum. Gesagt bekommen, habe ich das, als ich 11,5 Jahre alt war. In 2 Wochen werde ich 12 Jahre alt. Wie lange ich noch Leben darf, kann mir niemand sagen. Oder es will mir niemand sagen. Sie wollten mir nicht einmal sagen, dass Krabbi mich wahrscheinlich umbringt. In ein paar Tagen fangen sie mit der Chemotherapie an. Falls du nicht weißt, was das ist, erkläre ich es dir. Ich kann es dir aber nur in der Kinderversion erzählen. Die Version für die Erwachsenen könnte ich wegen der vielen Fachbegriffe nicht verstehen, meinte mein Arzt. Mir wurde erklärt, dass ich dann eine Flasche angehängt bekomme, in der Medikamente sind, die Krabbi am Wachsen hindern sollen. Vielleicht lassen sie ihn auch ein wenig schrumpfen, aber das ist unwahrscheinlich. Wahrscheinlich fallen mir dann die Haare aus und mir wird oft schlecht sein meint der Arzt. Das ist alles nicht so schlimm für mich. Ich darf dann nur nicht so viel Besuch bekommen, das ist ziemlich schade. Aber Lasse meinte, dass er mir vorher ganz viele Bücher mitbringt, die ich dann lesen kann. Er erzählt mir auch immer was sie in der Schule lernen. Die Schule vermisse ich auch. Ich bin gerne zur Schule gegangen. Aber jetzt darf ich wegen Krabbi nicht mehr. Manchmal, da hasse ich Krabbi so sehr, dass ich mir meine Lungen herausholen würde und neue einsetzen würde, irgendwelche ohne Krabbi. Aber Dr. Bauer meint das würde nicht gehen. Oh, ich muss dir noch etwas erzählen. Gestern bin ich großer Bruder geworden. Papa hat mir Bilder von Marit gezeigt. Sie ist total winzig und hat auch eine Glatze. Da kann man uns dann wenigstens als Geschwister erkennen. Ich muss jetzt zum Ende kommen. Ich melde mich die Tage wieder. Mach's gut
Liebe Grüße von Hendrik und Krabbi
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A loveletter to the life
Teen FictionEin Roman über die erste Liebe, das Leben und den Tod eines krebskranken Jungen, der sich mit seinem Schicksal nicht abfinden möchte