Es könnten Stunden oder Tage oder nur wenige Minuten vergangen sein, als ich wieder aufwachte. Ich fühlte mich besser, nicht mehr so schwach wie vorher. Ich sah mich um. Der Raum war der gleiche, das Licht kam immer noch von den roten Kerzen. An der Wand rechts von mir waren Vorhänge, somit vermutete ich dort ein Fenster. Ich sah zu dem Tisch an dem die blonde Frau gesessen hatte. Er war aus massiven dunklem Holz und verlassen. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ganz allein war. Sowohl Nana als auch Yura waren nicht da. Ich setzte mich auf die Bettkante. Ich wollte wissen, wo ich war. Vorsichtig platzierte ich einen Fuß auf den Boden, dann den anderen. Langsam drückte ich mich hoch und tapste die paar Schritte zu den Vorhängen. Ich zog sie einen Spalt breit auseinander und steckte meinen Kopf hindurch. Draußen war es hell. Die Sonne schien auf einem blauen, mit ein paar weißen Wolken betupften Himmel und die Bäume leuchteten in ihren warmen Braun- und Rottönen. Auf den Boden, der gut zwei Stock unter mir war, befand sich noch ein bisschen grünes Gras, das sich langsam gräulich färbte, ziemlich normal im November. Doch leider ließ mich der Blick aus dem Fenster nicht erkennen, wo ich war. Ich war unsicher, ob ich den Raum verlassen konnte, nicht weil ich mich als Gefangene sah, sondern weil ich meine Kräfte noch nicht richtig einschätzen konnte. Als ich langsam wieder zurück zum Bett tapste erspähte ich ein Buch auf einem kleinen Tisch neben der Tür.
„Ein wenig Beschäftigung wäre jetzt nicht schlecht", murmelte ich und nahm mir das Buch mit ins Bett. „The True Secret of Vampires" stand in leicht geschnörkelter Schrift auf dem Einband.
„Ein Vampirroman? Interessant." Ich schlug das Buch auf und begann zu lesen. Schon nach ein paar Sätzen war ich wie gefesselt. Ich hatte meine Umgebung vergessen, und auch wo ich überhaupt war, deswegen bekam ich nicht mit wie jemand den Raum betrat.
„Vampire leben auch im Sonnenlicht auch wenn der Mythos kuriert, dass sie sterben, wenn sie von der Sonne getroffen werden. Sie halten es bis zu bestimmten UV-Strahlen aus am Tag umher zu laufen, doch dies variiert von Vampir zu Vampir", las ich leise mit.
„Na, störe ich." Ich schreckte hoch und sah Nana an, die an der Tür lehnte. Kopfschüttelnd atmete ich tief ein.
„Du hast mich erschreckt." Nana lachte leise.
„Entschuldige. Gefällt dir das Buch?" Mit einem Schmunzeln trat sie an den Schreibtisch und machte irgendetwas, doch da sie mit dem Rücken zu mir stand konnte ich nicht erkennen was.
„Ja. Dieses Buch ist so interessant. Es wirkt fast so, als wenn der Autor glaubt, dass Vampire wirklich existieren." Ich sah auf den Einband, hielt einen Finger auf der Seite, auf der ich gerade las, und schaute dann zu Nana, die sich mittlerweile zu mir umgedreht hatte. Nana lachte.
„Nun, das stimmt. Der Autor denkt, dass Vampire unter uns weilen, aber es gibt viele, die das glauben." Sie zögerte kurz, bevor sie tief einatmete.
„Doch genug von dem Buch. Sarentha und Rhandon wollen dich sehen, sobald du aufgewacht bist, also komm. Ich bringe dich zu ihnen." Nana kam zu mir und nahm mir das Buch aus der Hand. Ich stand verwundert und vorsichtig auf. Ich ließ es zu, dass Nana mich stützte und mich aus dem Zimmer geleitete.
„Wer ist Sarentha? Und ... Rhandon?", fragte ich zwischen den Schritten. Es war anstrengend zu laufen. Meine Erinnerungen an den letzten Tag und Abend waren wie Wasser. Ich konnte mich an gar nichts mehr klar erinnern. Auch nicht daran, worüber ich mit Nana gesprochen hatte. Ich wusste nur noch ihren Namen. An vieles kann ich mich nicht erinnern. Darunter auch die Ursache meiner Schwächlichkeit. Ich konzentrierte mich zwar momentan vorrangig darauf nicht hinzufallen, aber mir spukten allerlei Gedanken durch den Kopf.
„Sarentha ist unsere Anführerin. Sie wird entscheiden, wie es mit dir weitergeht. Und Rhandon... Nun, er ist derjenige, dem du es verdankst hier zu sein." Ich versuchte mich zu erinnern. Irgendetwas sagte mir, dass ich diesen Rhandon kannte, doch ich konnte mich nicht erinnern. Ich sah zu Nana. Ihr Lächeln verschwand immer mehr, je näher wir einer großen, massiven Holztür kamen. Ich schluckte und versuchte ein wenig Ordnung in meinem Kopf zu bekommen.
„Wir sind da", sagte Nana, als wir vor der Tür standen. Mittlerweile regte sich kein einziger Muskel mehr in ihrem Gesicht. Sie ließ mich los und klopfte an die Tür. Eine hochgewachsene Frau mit langen, dunkelbraunen Haaren, einem weichem, und dennoch stregem, Gesicht öffnete die Tür.
„Sarentha. Ich habe dir Amina gebracht. Sie ist nun stark genug, um mit dir zu reden." Die Frau in der Tür, die von Nana Sarentha genannt wurde, nickte und sah mich mit einem Lächeln an.
„Komm herein, Amina."
„Warum kennt hier eigentlich jeder meinen verdammten Namen?!"
Zögerlich trat ich ein.
„Ich warte draußen", hörte ich Nana noch sagen, bevor die Tür geschlossen wurde.
„Bitte setz' dich." Sarentha zeigte auf eine rote Ledercouch gegenüber eines Kamins. Ich setzte mich langsam. Mein Blick schweifte ungewollt durch den Raum. Es war ein größeres Büro, das mit dunkeln Farben gestrichen wurde. Die untere Hälfte der Wand war mit dunklem Holz betäfelt. Alles in diesem Raum war recht dunkel, ebenso die dicken Vorhänge an den Fenstern. Ich sah in die Flammen des Kamins. Das Feuer knisterte leise und erwärmte angenehm den Raum. Der Geruch von brennden Holz kroch mir in die Nase. Sarentha ging, wie ich im Augenwinkel bemerkte, an eine Kommode, die direkt neben der Couch stand. Sie stellte mir anschließend eine Tasse Tee hin und setzte sich.
„Amina, ich weiß du hast viele Fragen. Ich muss dich aber auch um ein paar Sachen bitten." Ich nickte langsam und wandte meinen Blick von den Flammen ab und sah Sarentha an.
„Gut. An wie viel von den Geschehnissen in deiner Wohnung kannst du dich erinnern?" Ich runzelte die Stirn. „Was ist da eigentlich so wichtiges passiert?"
„Geschehnisse..." Ich dehnte das Wort während ich nachdachte.
„Es... Es ist alles so schwammig. Ich kann mich nur erinnern, dass da so ein Typ war, der mich mitnehmen wollte. Er meinte immer nur 'Jetzt gehörst du mir', oder so etwas in der Art. An viel mehr kann ich mich nicht erinnern." Sarentha nickte langsam und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse.
„Nun. Wahrscheinlich weißt du auch nicht, wo du hier überhaupt bist. Deine Erinnerungslücken rühren von dem Rizinus-Gift her. Aus diesem Grund bist du auch so schwach." Ich sah Sarentha an und versuchte ihr zu folgen.
„Ich werde dir die ganze Geschichte erzählen, wenn es dir wieder besser geht. Jetzt-"
Jemand riss die Tür auf und rannte ins Zimmer.
„Sarentha! Wir haben ein Problem! Ein ziemlich großes Problem!"
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Blutdurst und Vampire
FantasyEin normales Leben unter normalen Menschen, doch was tun, wenn man merkt, dass ein Durst, eine Lust in dir aufkommt und du das Bedürfnis verspürst Blut zu vergießen?