Reue

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Sasuke POV

Das Wochenende verging schnell. Ich hatte zwei Tage durchgezockt und den ganzen Sonntag geschlafen.

Nun saß ich an dem wahrscheinlich am weitesten von Miharu entfernten Ort: ganz vorne, ganz rechts. Von nun an würde ich immer so sitzen, ich wollte einfach nicht mehr neben ihr sitzen, zu nervig.

Meine Pausen verbrachte ich auf dem Schulhof, auf einer Bank unter einem Kirschblütenbaum. Mein vorheriger Stammplatz. Es war mir egal, dass sie jetzt wahrscheinlich auf dem Dach sitzt und auf mich wartet, soll sie doch warten bis sie schwarz wird. Ich weiß, dass ich ein Arschloch bin, das war ich damals auch.
„Sasuke was machst du denn hier?"
Naruto, wer denn auch sonst, stand vor mir. Ich öffnete ein Auge und zuckte mit der Schulter.
„Ich wollte mal wieder hier sein, der Schatten ist mir eindeutig lieber als die Sonne."
„Kommt Miharu auch noch?"
Das war Hinatas zarte Stimme. Ich antwortete nicht. Anscheinend war das den beiden zu dumm, denn sie ließen mich wieder alleine. War mir recht, ich wollte einfach meine Ruhe haben.

Die blieb mir aber nicht lange, denn schon von Weitem erkannte ich Sakuras nervige Stimme.
„Sasuke-kun, kann ich mich zu dir gesellen?"
Dass ich nichts sagte, deutete sie offenbar als ein Ja, denn keine Sekunde später saß sie neben mir, sodass sich unsere Arme berührten. Meiner Meinung war das viel zu nah, sie schien das aber nicht zu stören. Sie kam sogar noch näher als sie fragte:
„Du, sag mal Sasuke, diese Miharu, seid ihr zusammen?"
Ich schüttelte den Kopf.
„Super, dann habe ich ja doch noch eine Chance."
Ehe ich etwas erwidern konnte, war sie auch schon weg. Ich stöhnte genervt.
//Die lernt es aber auch nie. Seit Jahren versuche ich, ihr klar zu machen, dass da nie etwas laufen wird. Dummes Mädchen.//

Nach der Pause befand ich mich wieder auf meinem neuen Platz, total in den Unterricht vertieft – nicht. Lieber hing ich meinen Gedanken nach. Leider kamen bei denen nur Scheiße raus. Jeder neue Gedanke fing mit Miharu an, das kotze mich richtig an. Also gab ich es auf und versuchte, mich doch auf den Unterricht zu konzentrieren. Was dann irgendwann auch funktionierte. Nachdem die Schule aus war wartete ich nicht auf die anderen, sondern ging einfach nach Hause.

Seit diesem Tag waren nun zwei Wochen vergangen. Ich hatte mich komplett von den anderen isoliert, war nur noch alleine und ich liebte es. Ich konnte zwar nicht verhindern, dass meine Gedanken ab und an abdrifteten und zu Miharu wanderten, schließlich liebe ich sie noch immer, aber dies blieb mein kleines Geheimnis.

Ich saß wie immer unter dem Kirschblütenbaum und hatte meine Augen geschlossen, als ich mehrere Stimmen wahrnahm
„Na los, frag ihn."
„Du schaffst das, er wird dich schon nicht zur Schnecke machen."
„N-na gut ich versuche es."
//Na toll gleich würde mich wieder irgendein Mädchen fragen ob ich mit ihr gehe.//
In den vergangenen zwei Wochen war das häufiger passiert, doch jedes Mal wies ich sie ab. So wollte ich es dieses Mal auch wieder tun, doch als das Mädchen vor mir stand, erkannte ich, wie Miharu uns vom Dach aus beobachtete. Ich weiß nicht, was mich in diesem Moment ritt, aber als ich von dem Mädchen tatsächlich gefragt wurde, ob ich mit ihr mal was zusammen unternehmen möchte, sagte ich ja. Sie umarmte mich stürmisch und lief dann mit einem ungesunden Rotton im Gesicht, davon.
//Da hab ich mir jetzt ja was eingehandelt. Nachher muss ich ihr erst mal beibringen, dass das mit dem Date nichts wird.//
Genervt stieß ich Luft durch meine Zähne aus.

In der nächsten kleineren Pause suchte ich nach dem Mädchen, um ihr zu sagen, dass ich nichts mit ihr unternehmen kann. Mein Suchen dauerte auch gar nicht lange, da sie mich fand. Sie sah verängstigt aus. Vielleicht war sie einfach schüchtern.
„Hör mal das mit dem...," fing ich an, doch sie unterbrach mich.
„I-ich h-hab mir das nochmal anders überlegt... Ich möchte nichts mit dir unternehmen. Auf Wiedersehen."
Damit machte sie kehrt und lief um die nächste Ecke.
//Was ging denn jetzt ab?//
Ich dachte nicht weiter darüber nach und ging wieder zu meinem Unterrichtsraum. Nur um dann festzustellen, dass mein Platz vorne bereits besetzt war. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als mich neben Miharu zu setzen.

Die ganze Stunde lang versuchte ich, sie zu ignorieren und nicht zu ihr zu sehen. Einmal konnte ich aber nicht widerstehen. Was ich sah, schockierte mich irgendwie. Sie hatte wieder leichte Augenringe und ihr Arm war wieder voll mit neuen Kratzern.
//War ich Schuld daran oder hat ihr komischer Freund ihr das angetan?//
Außerdem hatte sie überall Blessuren und blaue Flecken.
//Was ist ihr zugestoßen?//
Innerlich ohrfeigte ich mich, dass ich sie nicht fragen konnte, was ihr passiert ist. Sie schien meinen Blick zu bemerken, denn sie zog schnell ihren Arm unter den Tisch, um ihn zu verstecken. Irgendetwas schien hier echt schief zu laufen und das gefiel mir gar nicht.

In den nächsten Tagen tauchte sie immer seltener auf bis sie gar nicht mehr kam.
Seitdem sind drei Wochen vergangen und ich machte mir immer mehr Sorgen und Vorwürfe. Trotzdem schaffte ich es nicht, mit Naruto darüber zu reden. Er hätte mir sicher helfen können, schließlich ist er mein bester Freund. Aber ich hatte mich in letzter Zeit einfach zu fies ihm gegenüber verhalten, das wird er mir nicht so schnell verzeihen.

Nachdem nun die vierte Woche vergangen ist, in der Miharu fehlte, war ich ernsthaft besorgt.
//Es wird Zeit mit Naruto darüber zu reden, so kann das nicht weiter gehen.//
Es kostete mich meinen ganzen Mut, bei Naruto zu klingeln. Ich hörte noch ein:
„Bin gleich wieder da," bevor mir die Tür geöffnet wurde.
„Sasuke? Ich bin überrascht, dich hier zu sehen."
Ich holte tief Luft und sagte dann:
„Ich weiß, ich hab mich in letzter Zeit echt wie das letzte Arschloch verhalten und es tut mir wirklich leid, aber ich muss mit dir reden."
Ich atmete wieder aus und sah jetzt erst Naruto an. Er grinste.
//Warum zum Fuck grinste er?//
„Das macht doch nichts, Dope, echt jetzt. Ich weiß doch, dass du manchmal komische Phasen hast."
Er legte mir einen Arm um die Schulter. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
//Warum habe ich überhaupt so eine Panik geschoben? Ich hätte wissen müssen, dass Naruto so reagiert.//
Ich sah ihn wieder an. Sein Gesichtsausdruck war plötzlich ernst.
„Du wolltest mit mir reden. Geht es um Miharu?" Ich nickte.

Nachdem mich Naruto hereingebeten hatte und er sich auf die Couch neben Hinata gesetzt hatte, erzählte ich ihnen alles. Von meinen Gefühlen für Miharu und der Angst, die ich seit Wochen verspürte, weil ich nicht wusste was mit ihr los ist. Einfach alles. Die beiden hörten mir geduldig bis zum Ende zu. Dann stand Naruto auf, stellte sich vor mich und schlug mir volle Kanne ins Gesicht. Der Schmerz fuhr mir durch die Knochen.
„Wofür war das denn?" fragte ich ihn entsetzt. Er sah mich wütend an:
„Für dein bescheuertes Verhalten. Hättest du damals zugehört, hättest du mitbekommen, dass Gaara nur ein Freund ist, den sie lange Zeit nicht mehr gesehen hatte. Hättest du vorher mit mir geredet, hätte ich dir das auch nochmal gesagt, aber nein, der liebe Herr Uchiha folgt lieber seinem eigenen Weg, weil er es für richtig hält, sich von der ganzen Außenwelt abzuschotten. Du bist manchmal echt ein Dickschädel, echt jetzt!"
Naruto hatte recht. Ich hätte vorher mit ihm reden sollen und nicht so lange warten, denn jetzt ist es zu spät.
„Ich weiß, ich hätte mich anders verhalten sollen, aber woher sollte ich denn wissen, dass sie nicht mehr zur Schule kommt? Ich wollte doch nur dem Schmerz entkommen..."
Meine Stimme wurde immer leiser.
„Ich hab mich so scheiße ihr gegenüber verhalten... Das kann ich nie mehr gutmachen..."
„Ich hätte da auch noch was zu sagen, falls ich mich einmischen darf."
Naruto und ich sahen zu Hinata, die aufgestanden war und nun vor uns stand.
„Ich weiß, dass du dich dumm verhalten hast, Sasuke, daran können wir jetzt nichts mehr ändern. Aber wir müssen jetzt handeln und versuchen, sie zurück zu holen, denn ich möchte nicht wissen, was sonst Schlimmes passieren könnte."
„Du hast recht, Hinata. Jetzt zählt nur noch, sie irgendwie zu erreichen."
In Naruto war anscheinend der Kampfgeist geweckt worden.
„Und wie stellen wir das an," kam es von mir.
„Ich habe jeden Tag versucht sie anzurufen, doch sie ging nie ran. Selbst als ich bei ihr klingelte, machte sie mir nicht auf. Sie hat sich wirklich komplett isoliert. Wer kann es ihr auch verübeln, bei ihrer Vergangenheit..."
Naruto und ich sahen Hinata überrascht an.
„Du kennst ihre Vergangenheit?"
Meiner Stimme war anzuhören, dass ich verblüfft war.
„Naja, nur einen Teil. Sie hatte es mir erzählt, als du dich das erste Mal von ihr abgewendet hast. Sie hatte es in ihrer alten Schule wirklich nicht leicht, andauernd wurde sie gemobbt, in den Dreck gezogen und von allem ausgeschlossen. Sie wurde als das Teufelskind bezeichnet. Warum, weiß ich nicht. Ich weiß nur noch, dass sie fast täglich in eine Schlägerei geraten ist und immer schlimm verletzt nach Hause kam."
Mir stockte der Atem.
„Sie hat niemanden mehr vertraut, aus Angst wieder verletzt zu werden. Es gab wirklich nur Gaara, dem sie vertraute. Jetzt, da sie dachte, sie könnte dir vertrauen, beweist du ihr das Gegenteil. Und auch noch dann, als sie endlich den Mut hatte, dir ihre Liebe zu gestehen."
Hinata sah mich traurig an. Ich kochte vor Wut. Ich war wütend auf mich, weil ich so ein ignorantes, selbstverliebtes Arschloch war.
„Ich muss zur ihr. Ich muss sofort mit ihr reden und versuchen alles klarzustellen und vor allem muss ich mich bei ihr für mein schreckliches Verhalten entschuldigen."
Komplett vergessend dass Naruto und Hinata auch noch da waren, rannte ich zur Tür und zog mir meine Schuhe an. Gerade als ich hinaus wollte, hielten sie mich auf.
„Wir kommen mit. Wir wollen wissen, wie es ihr geht."
Ich sah die beiden an.
„Ich sollte zuerst alleine mit ihr reden, schließlich ist das alles meine Schuld. Ich sag euch Bescheid, falls ich was erreicht habe."
Hinata nickte mir verstehend zu während Naruto damit nicht zufrieden zu sein schien. Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Das wird schon, ich verspreche es dir." Damit verließ ich Narutos Wohnung und rannte auf dem schnellsten Weg zu Miharu.

Völlig außer Atem kam ich vor ihrem Haus an. Bevor ich klingelte, versuchte ich erst mal meine Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Nachdem ich das geschafft hatte, stand ich vor ihrer Tür, die Finger kurz vor der Klingel.
//Mach jetzt keinen Rückzieher!//
Und schon war der Knopf gedrückt. Es vergingen fünf Minuten, jedoch passierte nichts. Also klingelte ich noch mal. Wieder passierte nichts. In Panik geratend veranstaltete ich ein Klingel-und-Klopf-Konzert. Es klang wunderschön nervig. Sie schien es aber nicht ansatzweise zu beeindrucken, denn sie machte mir immer noch nicht auf. Ich seufzte, holte dann tief Luft und sprach:
„Miharu, ich weiß, dass du da bist, der Vorhang vor deinem Fenster hat sich leicht bewegt. Bitte mach mir auf. Ich möchte mit dir reden, mich bei dir entschuldigen. Bitte, weis mich nicht ab..."
Ich lehnte meinen Kopf gegen die Tür. So verzweifelt war ich noch nie gewesen.

Ich hob meinen Kopf an, als ich das Klicken vom Schloss wahrnahm. Die Tür öffnete sich einen kleinen Spalt weit.
„Geh weg! Verschwinde!"
Ihre Stimme klang rau, zerbrochen. Es zersplitterte mir das Herz.

Sie wollte die Tür gerade wieder schließen, aber ich schaffte es, rechtzeitig meinen Fuß hineinzuschieben.
„Wenn du schon nicht mit mir reden willst, dann hör mir wenigstens zu."
Ich hörte sie seufzen und spürte dann, wie sie den Widerstand aufgab und die Tür ganz öffnete. Was ich sah, brachte mich fast dazu ins nächste Gebüsch zu kotzen.
//Was hatte ich nur getan?//

Doch ein glückliches Ende?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt