Die Sonne schien ihr sanft in den Rücken und wärmte die kleine Stelle ihres Nackens, die nicht von der Jacke oder den Haaren verdeckt war. Sie hatte sich ihre Haare erst vor einem Monat abrasiert, doch langsam gewöhnte sie sich an ihre neue Frisur. Manchmal war der Wind schon etwas kalt, doch dieser Tag war angenehm warm.
Die Sonne hatte schon seit dem Morgen geschienen und diesen Herbsttag in ein kleines, goldenes Paradies verwandelt. Und nun, wo sie sich langsam dem Horizont entgegen neigte, reflektierte sie sich in den Fensterscheiben der Bauernhöfe und Autos, an denen das Mädchen vorbei kam. Und die Blätter, die frisch von den Bäumen gefallen waren und nun auf der trockenen Straße lagen, leuchteten fast so golden, wie die Sonne.
Nichts hatte sie im Haus halten können. Die Natur hatte sie immer schon nach draußen gerufen. Die frische Luft, der blasse, blaue Himmel. Freiheit.
Also war sie losgelaufen, mit den Kopfhörern in den Ohren. Ihr Lieblingsort war der Wald, der noch hinter den Bauernhöfen lag. Die Bäume, die langsam ihre Blätter verloren, standen schon seit so vielen Jahren da. Unzerstörbar. Und außer ihr kam kaum ein Mensch je dorthin. Es war ihr Ort, er gehörte ganz allein ihr. Denn dort war sie zu Hause, dort fühlte sich ihr Herz immer ganz leicht und befreit an.
Nun war sie auf dem Rückweg, lief am Rand der Straße, die in ihre Stadt hinein, oder auch hinaus führte. Hinter ihr die tief stehende Sonne, Musik in den Ohren.
Das Leben hätte nicht schöner sein können.
Zur gleichen Zeit fuhr ein Junge in seinem Auto. Vor einigen Tagen war er 18 geworden und das Auto war sein eigenes, gehörte ganz alleine ihm. Und er liebte es, damit zu fahren. In den frühen Abendstunden, dem Sonnenuntergang entgegen. Vielleicht auf dem Weg zu einem Kumpel, vielleicht auch einfach nur an einen ruhigen Ort.
Heute fuhr er auf der Straße, die aus der Stadt hinaus führte. Vorbei an den Bauernhöfen, Richtung Wald. Die Sonne schien ihm sanft ins Gesicht, die Musik dröhnte durch sein Auto. Rock. Nichts war besser, als diese Minuten der Freiheit.
Doch da passierte es, direkt hinter einem kleinen Hügel. Er sah sie nicht. Hatte überhaupt keine Chance gehabt. Denn die Sonne schien zu hell, er fuhr zu schnell. Abgelenkt von der Schönheit dieses Abends, die so plötzlich unterbrochen wurde.
Es war ein seltsames Gefühl, das sein Auto erschütterte, als er sie erfasste. So etwas hatte er noch nie gespürt. Und es jagte ihm das Adrenalin in die Adern, brachte sein Herz zum Rasen und ließ seine Füße auf die Bremse trampeln. Doch er wusste, dass es zu spät war.
Reglos blieb er sitzen. Atmete. Atmete viel zu schnell. Und seine Gedanken standen still und rasten gleichzeitig. Er wollte nicht da raus und sehen, was er angerichtet hatte. Doch gleichzeitig konnte er unmöglich in diesem Auto sitzen bleiben.
Also schaffte er es irgendwie, den Gurt zu lösen, die Tür zu öffnen und nach draußen zu kriechen. Die Luft war viel zu ruhig, für eine solche Tragödie.
Seine Beine zitterten und konnten ihn kaum halten, als er voller Angst um das Auto herum lief.
Doch entgegen all seinen Erwartungen rastete er nicht aus, als er sie sah. Sie lag da, als würde sie nur schlafen, etwas verdreht, doch trotzdem nicht unnatürlich. Es war nicht einmal Blut zu sehen. Auf ihrem Gesicht der Ausdruck von Freude und Schock gemischt, für immer eingefroren.
Ihr Handy lag etwas weiter entfernt. Wie durch ein Wunder war es heile geblieben. Es hatte die Kopfhörer mit sich gerissen. Er hob es auf und schaltete den Display an. Die Musik lief immer noch, als wäre nie etwas passiert.
Das Lied war von Panic! at the Disco.
Far too young to die..
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Oneshots und Gedanken
Short StoryOneshots und Kram, der sich so in meinem Kopf bildet. Lehnt euch zurück und lasst es auf euch wirken. Oder auch nicht. Vielleicht ist ja etwas dabei, das euch gefällt. Featuring Fanfictions, Oneshots, Gedichte, Verzweiflung und Zerstörung.