Blood

29 4 0
                                    

Um mich war blau. Tiefes Meerblau, so dunkel, als hätte es auch das hellste Licht verschlingen können. Dann wechselte es zu grün, das mich entfernt an den Wald erinnerte, in dem ich aufgewacht war, fast heimisch, doch irgendwie zu wild. Und es wurde rot, rot wie Blut und der Himmel, der am Abend brannte. Irgendwie aggressiv.
Die Lichter der Scheinwerfer flackerten so schnell, das niemand die einzelnen Farben richtig gespürt hätte. Schon gar nicht mit dem Alkohol im Blut, der sie lähmte.
Mich konnte nur eines vernebeln, und das war irgendwo in diesem Raum, in dieser Disco, in der sie tanzten, bis sie das Leben vergaßen. Ich würde es finden und dann würde ich endlich wieder diesen Rausch erleben.
Ich atmete ein. Ich hasste den Geruch von Schweiß, von Männern mit zu viel Testosteron, die gar nicht wussten, welche Schönheit hinter den blassen Gesichtern der Mädchen steckten. Was dort floss in ihren Adern. Die einzige Flüssigkeit, deren Geruch mich um den Verstand bringen könnte.
Ich versuchte die Hitze zu ignorieren, die durch den stickigen Raum waberte, schwer und drückend. Geschickt wich ich den schwankenden Körpern aus, die singend und schreiend umhersprangen. Sie beachteten mich gar nicht, doch ich spürte jeden einzelnen von ihnen, so unwohl ich mich dabei auch fühlte.
Ich hatte es nur auf eine Person abgesehen. Ein Mädchen mit einem unvergleichlichen Geruch. Dessen Blut eine Hitze verströmte, die jede einzelne Faser in mir in Brand steckte.
Das Mädchen saß an der Bar, hatte mir den Rücken zugedreht. Es wusste gar nicht, dass ich kam. Doch ich wusste genau, was passieren würde, hatte alles geplant und jede einzelne Bewegung, die wir tun werden spielte sich in meinem Kopf ab, entfachte in mir ein kribbelndes Verlangen.
Ich setzte mich auf den Hocker neben ihr. Ich bestellte mir irgendeinen Drink, den ich nicht trinken würde. Mein Körper verlangte nur nach einer Sache.
Ich sah das Mädchen an. Sein Geruch war betörend. Seine Haut war so blass, als wäre sein Blut farblos. Ich könnte es spüren, wie es Leben brachte.
Das Mädchen schaute zurück, schaute mir in die Augen. Es hatte keine Ahnung. Es lächelte. Ich lächelte zurück.
Dann bestellte ich ihm einen Drink.
Es amüsierte mich, wie das Mädchen versuchte meine Aufmerksamkeit zu erregen, meinen Körper zu erregen. Wie es seine Haare anfasste und seine Augen schauten. Dabei müsste es sich gar nicht bemühen, denn für mich war es schon perfekt. Wenn es wüsste, dass ich es komplett unter meiner Kontrolle hatte.
"Wie heißt du?", fragte es.
"Arya", sagte ich.
Seine Wangen wurden kaum merklich rot. Wie süß Menschen waren.
"Ich bin Alice."
Alice reichte mir ihr Glas entgegen, ich stieß an. Sie kippte es hinunter, was mir nicht gefiel. Ich hasste den Geschmack von Alkohol vermischt mit der Süße des Blutes. Ich rührte mein Getränk nicht an.
Dann lehnte sie sich zu mir und raunte: "Komm mit."
Ich musste leise lachen. Wie naiv sie war und dachte, sie würde mich erobern, die Kontrolle haben. Viel zu leichte Beute. Nächstes Mal sollte ich es etwas spannender machen.
Wir liegen durch die tanzende, eklige Menge. Ich nahm die Körper kaum noch wahr. Da war nur sie. Nur ihr Geruch, das Verlangen. Wir verließen das überhitzte Gebäude und traten in die kühle Gasse, in der die Nacht wachte. Und trotz dieser späten Stunde schien niemand zu schlafen. Selbst die Sterne nicht, die hinter den Wolken blitzten. Was eine perfekte Nacht für eine perfekte Mahlzeit.
Alice zog mich ein paar Gassen weiter, bis wir in einer waren, die Lichtjahre von der Welt entfernt zu sein schien. Denn hier war die Nacht schwarz.
Sie drehte sich um und küsste mich, vergrub ihre Hände in meinen Haaren, zerknitterte mein Hemd. Ich ließ sie machen, küsste sie zurück, ließ sie ein wenig Spaß haben. Vor ihrem Ende.
Langsam drängte ich sie gegen die dreckige Wand, legte meine Hände an ihre Schultern. Mein Augen huschten nach unten, auf ihren hellen, glatten Hals. Das Blut, das unter der zarten Haut pulsierte.
Ich löste meine Lippen von ihren, küsste über ihre Wange den Hals hinunter. Sie seufzte, ihre Hände umklammerten meine Arme. Für einen winzigen Moment hielt ich inne, atmete tief ein. Dann bis ich zu.
Blut floss in meinen Mund. Heißes, süßes Blut, getränkt mit schwerem Alkohol. Doch den nahm ich kaum war. Der Geschmack explodierte in meinem Mund, raste durch meinen ganzen Körper, setzte mich in Brand.
Ich spürte, wie sie sich verkrampfte, gegen mich kämpfte, gegen meine starken Arme, meine spitzen Zähne. Sie hatte keine Chance.
Ihr Blut vernebelte mich. Ich war erfüllt von dem dunklen, kräftigen Rot, das in jeder Faser meines Körpers leuchtete. Die rote Flüssigkeit spritzte mit entgegen, in mein Gesicht und auf mein Hemd. Doch das war mir egal. Es sollte nie wieder aufhören. Ich spürte, wie sich neue Kraft in mir sammelte, wie mich dieses Gefühl der unendlichen Macht ergriff. Ich könnte jeden besiegen. Ich war der stärkste Mann der Welt.
Und gleichzeitig erfüllte mich das Blut mit einer unvergleichlichen Befriedigung. Ein unbeschreibliches Gefühl. Ein Feuerwerk.
Es war viel zu schnell vorbei. Sie war zu schnell leer. Ich musste ihren leichten Körper halten, damit er nicht runter fiel. Als nichts mehr kam, leckte ich über die Wunde, die ich ihrer makellosen Haut verpasst hatte, über ihre ganze Schulter, bis kein Tropfen mehr übrig war.
Dann ließ ich sie los und ihr Körper fiel auf dem Boden zusammen. Ich drehte mich um, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. Ich sprang hoch, bis ich auf den Dächern der Stadt war. Unter mir die Lichter, die die Nacht erhellten, über mir der schwarze Himmel. Und in dem kühlen Wind, der das Blut in meinem Gesicht trocknete, genoss ich dieses unbeschreibliche Gefühl der Macht, das durch meine Adern raste.

Oneshots und GedankenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt