Ich bin diese hellen Lichter, die mich von allen Seiten blenden, nicht gewöhnt. Es ist, als würden sie nach mir rufen, mich zu sich ziehen und mich drängen, mich ihnen hinzugeben. Die meisten sind rot. Rote Reklame für einen Schlussverkauf, rote sale-Aufkleber an den Schaufenstern die blinken, rote Buchstaben über den Supermärkten und rotes Licht aus den Clubs und den anderen dunklen Hintereingängen, von denen ich nicht wissen möchte, wo sie hinführen.
Das ganze rot macht mich aggressiv. Früher waren die Nächte schwarz. Da wo ich herkomme schlafen nachts die Menschen. Doch hier scheint es, als wären sie durchgehend wach. Diese Stadt braucht keinen Schlaf.
Zu dem aggressiven Rot in mir kommen die Erinnerungen, die überhaupt daran schuld sind, dass ich hier durch die Straßen irre. Verzweifelt und auf der Suche nach etwas, das mich retten kann.
Ich kann mich kaum erinnern, was gerade passiert ist. Es ist, als würde mein Gehirn nicht mitkommen, als hätte es in diesem Moment aufgehört zu arbeiten.
Doch die Bilder schießen immer wieder durch meinen Kopf und jedes Mal muss ich nach Luft schnappen und mir sagen, dass es vorbei ist.
Was tue ich überhaupt hier? Wie oft ich mich das schon gefragt habe. Was mache ich in dieser Stadt, die mich so wenig willkommen heißt und trotzdem in jeden Laden drängt? Was hat mich dazu gebracht hierher zu kommen?
Diese dunkle Gasse. Es ist kalt, so eiskalt, obwohl es Hochsommer ist. Sein Grinsen. Seine Hand. Und das Blut.
Ich reiße die Augen auf, schnappe nach Luft. Mir wird schwindelig. Nicht schon wieder. Ich taumele zur Seite, taste nach der Wand, die irgendwo da sein muss. Als ich die raue Steinmauer des Hauses spüre lasse ich mich an ihr hinuntergleiten, bis ich auf dem Boden sitze, der noch erhitzt ist von der brennenden Sonne.
Ich atme tief ein und öffne die Augen. Ich bin nicht mehr auf der Hauptstraße, wo die ganzen Menschen umherliefen. Ich sitze in der kleinen Gasse zwischen zwei Häusern. Doch es ist nicht beängstigend, nicht so wie dort. Hier ist es sogar gemütlich.
Wie konnte das nur passieren? Wie hatte ich in diese Situation geraten können? Wie war das überhaupt möglich, was da passiert ist?
Ich muss aufhören mir diese Fragen zu stellen. Ich darf mir nicht den Kopf zerbrechen, das macht mich nur verrückt. Ich Presse meine Hände an meine Schläfen während ich immer noch versuche, meine normale Atmung wiederzufinden.
Ich höre, wie sich irgendwo eine Tür öffnet. Gedämpfte Musik und Stimmen treten an meine Ohren. Da sind Schritte und dann sehe ich aus dem Augenwinkel, wie sich jemand neben mir auf den Boden setzt.
Ich lasse meine Hände sinken und sehe ihn an. Er muss nicht viel älter sein als ich. Seine Haare schimmern in einem rotbraun, das in mir eine tiefe Ruhe auslöst. Er trägt eine Schürze und darunter ein schwarzes Hemd mit einer schwarzen zerrissenen Hose. Sein Gesicht ist vom Schatten verdeckt, doch er hat etwas düsteres an sich.
Ich frage mich, ob er mich bemerkt hat.
"Auch eine?", fragt er und reicht mir eine Schachtel mit Zigaretten hin. Ich schüttele den Kopf. Dann nimmt er sich selbst eine, zündet sie an und nimmt einen Zug. Den Rauch bläst er langsam von sich weg. Er wabert durch die Luft, bis er immer blasser wird und im Schein der roten Reklamen verschwindet.
Der Junge sieht aus, als wäre diese Zigarette das beste, das er jemals geraucht hatte.
Dabei frage ich mich, wieso er überhaupt Zigaretten raucht, denn in dieser Stadt herrschen doch längst andere Standards.
So sitzt er da, schweigend, und tut so, als wäre ich gar nicht da. Und ich schaue ihn an und versuche sein Gesicht zu erkennen. Auch wenn ich ihn vermutlich nicht so ansehen sollte, doch der Alkohol in mir macht die Sache ein bisschen leichter. Ich will wissen, wie sein Gesicht aussieht. Und wieso er wohl hier draußen sitzt und raucht, als wäre es die letzte Zigarette vor dem Weltuntergang.
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Oneshots und Gedanken
Short StoryOneshots und Kram, der sich so in meinem Kopf bildet. Lehnt euch zurück und lasst es auf euch wirken. Oder auch nicht. Vielleicht ist ja etwas dabei, das euch gefällt. Featuring Fanfictions, Oneshots, Gedichte, Verzweiflung und Zerstörung.