Der Antrag

793 11 4
                                    


Als ich am nächsten Morgen aufwachte war es erstaunlich still. Meine Schwestern waren nicht in ihren Betten, das übliche gezanke meiner Brüder nicht zu hören. Oh, schon fast zehn Uhr! Ich hatte komplett verschlafen! Ich tappte ins Wohnzimmer um zu sehen wer noch hier war. Da saß am Tisch nur Senor Montoya! Er musterte mich von oben bis unten. Da erst bemerkte ich dass ich nur mit einem XXL T-Shirt bekleidet war. "Buenos Dias, Mari. Hast du gut geschlafen? Am besten ziehst du dich an, wir wollen an den Fluss" ach, wollen wir das? Ich würde am liebsten nur möglichst weit weg von ihm.

Da kam meine Abuela rein und schob mich wieder in Richtung Zimmer.
"Zieh dich an, Hija!"
Im Zimmer schloss ich die Tür und sagte zu Abuela: "Ich will das nicht! Sag ihm ich bin krank!"
"Du dummes Ding! Mach dich jetzt hübsch und lächle!"
"Nein, mach ich nicht. Geh du doch zu ihm!"
Klatsch - Abuela schlug mir schallend ins Gesicht. "Wie kannst du nur so respektlos sein! Schäm dich!"
Ich verbiss meine Tränen, meine Wange brannte wie Feuer. Aber mir war klar dass ich jetzt besser mitmache. Alles andere würde es nur schlimmer machen und auf Verständnis konnte ich nicht hoffen.

Ich zog eine enge schwarze Hose und ein weißes Oberteil an. Meine Haare band ich locker zusammen.

Als ich zurück ins Wohnzimmer kam hoffte ich dass Antoine meine rote Wange nicht auffiel...

Antoine sagte nur: "Du siehst toll aus..." mir gefiel nicht wie er mich ansah.

Im Auto erklärte er mir was er vor hatte. "Heute ist mein letzter Tag hier, morgen reise ich zurück nach Montpellier. Heute Abend gehe ich zu einem Konzert und ich möchte dass du dabei bist."

"Ich sollte eigentlich nicht zu Konzerten oder so. Padre erlaubt das nicht."
"Das ist kein Problem, ich habe alles geklärt."
Na super, wie hätte es anders sein können.

Wir fahren zum Fluss und gehen spazieren. Es gibt eine kleine Insel die man über Steine erreichen kann. Wir ziehen die Schuhe aus. Antoine geht vor und reicht mir seine große Hand. Da passiert es, ich rutsche aus und er fängt mich. Er hält mich etwas länger als nötig fest und sieht mich tief an. Ich löse mich aus seinem festen Griff. "Du fällst nie, oder?" "Ich tue mein bestes." Er ist groß, sehr groß. Das war mir noch nicht so aufgefallen. Ich will von der Situation ablenken und frage ob er Steine springen lassen kann. Er kann. Sein Stein springt vier mal, der Stein den ich werfe nur einmal. "Du musst ihn so werfen" , er nimmt meine Hand mit dem Stein in seine und zusammen werfen wir. Fünf mal springt er übers Wasser. Ich bin begeistert und drehe mich zu ihm "wow, fünf mal! Hast du gesehen?" durch meine Drehung liegt sein Arm nun ganz um mich, er zieht mich zu sich und streicht über meine Wange...Dann kommt er näher, kurz bevor seine Lippen meinen Mund erreichen winde ich mich aus der Umarmung.

Er blinzelt, "Entschuldige, Mari." ich bin verlegen, setze mich ins Gras. Enten schwimmen vorbei, die Sonne glitzert auf dem Wasser.

"ist das nicht schön?" frage ich.

"das schönste das ich je gesehen habe" sagt er. Er schaut nur mich an.

"Oh, bitte nicht. Du solltest so nicht reden."

"Wie rede ich denn?"

"Ich weiss nicht...als ob du verliebt wärst oder so"

das ganze wird mir immer unangenehmer.

"Ich bin verliebt, Mari! Ich habe dich kennengelernt und ich will nicht mehr ohne dich sein. Ich weiss es ist verrückt worum ich dich bitte. Du bist so jung, noch nicht mal 18 und ich schon 40. Aber ich will dich so sehr! Es wird dir gut gehen bei mir. Du wirst mich auch lieben, eines Tages, glaub mir! Mari, willst du mich heiraten?"

ich bin komplett überrumpelt, ich hatte es zwar gewusst, aber das geht jetzt doch echt schnell.

"Du musst mir nicht sofort antworten! Denk darüber nach, bitte. Es ist so eine wichtige Entscheidung."

"Ich weiss nicht...Ich kenne dich doch kaum. Ich weiss so wenig über dich..."

"Lass dir Zeit mit der Antwort. Ich fahre morgen zurück, in zwei Wochen komme ich wieder, dann kannst du mir deine Entscheidung mitteilen, ok?"
Er lächelt mich aufmunternd an.

"und wie du auch entscheidest, es ist okay, ja?"

Ich denke nicht, dass ein Nein okay wäre. In dem Fall müsste der Padre das Restaurant abgeben. Unsere Wohnung. Mein Bruder muss sein Studium abbrechen und auch meine anderen Geschwister müssten wohl wie ich nach der 10. Klasse arbeiten... Ich habe doch keine Wahl. Aber ich will einfach nicht!

Später an diesem Abend nahm er mich und Carlos mit zu dem Konzert. Die Musik war nicht ganz mein Fall, es war spanischer Flamenco.

Ich war nur froh, das Padre so spät am Abend wohl gerne einen Aufpasser für mich hat und Carlos dabei war. So konnte ich mich an meinen Bruder halten und musste nicht so viel mit Antoine reden.

Als Carlos kurz weg ging, zog Antoine mich in eine ruhige Ecke.

"Können wir kurz reden?"

ich nickte. Ich war in seiner Gegenwart sehr schüchtern, das ärgerte mich aber ich wusste nicht wie ich das ändern könnte...

"ich wollte dich das schon den ganzen Tag fragen. Was war heute Morgen los, Marisa? Warum hat deine Abuela dich geschlagen?"

fragte er besorgt. Mist, er hatte also meine rote Wange bemerkt...

"Ich...also ich..." stotterte ich.

"Bitte sag mir wenn du mich nicht mehr sehen willst - ich will auf keinen Fall dass du gezwungen wirst...von deiner Familie oder von mir."

"Nein, es ist schon in Ordnung. Ich war frech zu Abuela. Es war nicht wegen dir." ich konnte ihm doch nicht die Wahrheit sagen...

Ich war unendlich froh als ich endlich wieder zuhause war, an diesem fürchterlichen Tag. Ich weinte auch an diesem Abend lange in stiller Verzweiflung.

Marisas Geschichte Eine ZwangseheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt