Die Wahrheit

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Der nächste Abend:

Ich sitze gerade auf dem Sofa, meine Tante flechtet meine langen dunkelbraunen Haare zu einer komplizierten Frisur. Ich überlege fieberhaft wie ich dem ganzen entkommen kann...ich werde diesen Mann auf keinen Fall heiraten. Da klingelt es an der Tür. Senor Montoya. Ich schlüpfe in mein Zimmer bevor ich ihn sehe.

Padre folgt mir. Er ist sauer.
"Wie unhöflich du bist! Er hat Blumen für dich mitgebracht! Geh jetzt hin und begrüße ihn!"

"Nein, Padre! Ich will ihn nicht treffen!"

Ich sehe wie mein Padre verzweifelt guckt. Er sackt zusammen wie ein Autoreifen dem die Luft ausgeht.

Dann erklärt er es: "Versteh doch Marisa, es ist wichtig! Ich habe kein Geld mehr! Die Schulden wachsen und wachsen und ich glaube ich muss bald das Restaurant aufgeben. Wovon sollen wir leben? Mein Freund Antoine leiht mir zinsfrei Geld. Aber selbst so kann ich das Restaurant wahrscheinlich nicht halten...Er hat dich gesehen und wurde ein Loco! Er bietet mir an dass ich ihm den Kredit nicht zurück zahlen muss wenn er dich heiraten kann...Ich dachte mir, du magst ihn vielleicht. Er ist nett, wirklich! Bitte, tu es uns zuliebe! Triff ihn und sei freundlich zu ihm, das ist auch für dich eine einmalige Chance...

Ich weiss ich verlange viel von dir. Aber denk doch an uns! Ich bitte dich, Mari!"

Ich war schockiert. Das wusste ich nicht. Ich umarme Padre und sage ihm dass ich Senor Montoya treffen werde. Ich bin verwirrt, was soll ich nur machen?

Wenig später komme ich aus meinem Zimmer ins Wohnzimmer. Ich hoffe Senor Montoya bemerkt meine vom weinen verquollenen Augen nicht. Ich zwinge mich zu einem Lächeln als ich ihn begrüße. Er sieht mich freundlich an und fragt ob wir los können. Padre wirft mir einen dankbaren Blick zu. Ich fühle mich schrecklich.

Wir steigen in Senor Montoyas Auto. Ein schöner Neuwagen. "Ich bin froh dass du mit kommst" sagt er. Ich nicke nur. Wir fahren zu dem feinen Restaurant.

Ich war noch nie zuvor in einem so vornehmen Laden. Antoine nimmt mir die Jacke ab und schiebt mir den Stuhl zurecht.

Er ist wirklich sehr aufmerksam, ich kenne das gar nicht. Er ist besorgt und freundlich, die ganze Zeit. Ich bin ziemlich still. Irgendwie finde ich ihn trotzdem einschüchternd... Er erzählt mir von seiner Arbeit und seinem Haus in Südfrankreich.

Nach dem Essen fährt er mich zurück und wir halten vor unserer Tür.

"Danke für den schönen Abend, Marisa. Ich würde dich gerne wieder sehen...meinst du, du könntest dir vorstellen mich nochmal zu treffen? Ich wäre sehr glücklich..."

Ich bin hin und hergerissen. Er ist wirklich nett und ich will auch meine Familie nicht im Stich lassen, andererseits schreit alles in mir "Nein!" ich bin doch nicht käuflich?
Ich sehe ihn an und sein irgendwie rührendes Lächeln...

"sehr gerne" sage ich und spüre wieder die Tränen der Wut in mir aufsteigen. Welche Wahl habe ich denn?

Zuhause im Bett weine und weine ich. Meine Schwester fragt was los ist aber ich will ihr nichts erzählen.

Ich höre wie Carlos und Padre im Wohnzimmer streiten. "Du kannst sie nicht für uns opfern, Padre!" "so ein Unsinn, ich opfere niemanden! Sie wird ihn lieben und freiwillig heiraten, wart ab! Es ist für uns alle das beste! Auch für dich! Dein Studium kannst du nur beenden wenn wir das Geld bekommen! Sonst musst du arbeiten und Geld verdienen, hörst du!"

Ich begreife was alles an dieser Hochzeit hängt...Die Ausbildung meiner Geschwister, das Restaurant, unsere Wohnung...das Glück so vieler Menschen. Was für ein Monster wäre ich wenn alles meinetwegen scheitert? Ich beschließe mich mit dem Gedanken anzufreunden diesen Mann zu heiraten. Aber es fällt mir trotz allem sehr schwer.

Am nächsten Tag ist er wieder bei uns zum Essen eingeladen.

Als er kommt bin ich grade dabei im Hof Wäsche aufzuhängen.

"darf ich dir helfen?"

Ich traue mich kaum ihn anzusehen, aber ich muss etwas lachen. Ich kenne es nicht, dass ein Mann mit der Wäsche hilft. Besonders so ein großer Geschäftsmann im Anzug, der Gedanke dass er Wäsche aufhängt ist irgendwie komisch.

"vielen Dank, ich schaffe das schon."

"Nein, bitte, ich mache das sehr gerne. Was ist so lustig?"

"nichts... Es tut mir leid, ich habe nur nicht erwartet dass Sie gerne Hausarbeit machen."

"Ich möchte dich gern besser kennenlernen. Warum nicht beim Wäsche aufhängen damit anfangen?"

Ich werde rot, es ist mir so unangenehm hier neben diesem Herrn zu stehen... Denn das ist er, ein feiner Herr. Ich weiß nicht was ich sagen soll.

Zum Glück kommt grade mein Bruder Carlos mit misstrauischem Blick aus dem Haus. Er reicht Senor Montoya die Hand und bittet ihn rein.

Er lächelt mich noch einmal an und sagt "bis gleich. "

Etwas später sitze ich ihm gegenüber und bin während dem gesamten Essen wieder sehr still. Ich bekomme auch kaum etwas herunter. Er sieht mich immer wieder an, auch wenn ich es vermeide ihn anzusehen spüre ich doch seine Blicke.

Padre tritt mich immer wieder unter dem Tisch. Er will dass ich mehr lächle. Irgendwann sagt er:

"Mari, komm hilf mir in der Küche."

Als wir allein in der Küche stehen packt er mich grob am Arm und zischt: "Du wirst dich jetzt verdammt noch mal zusammen reißen und Senor Montoya anlächeln! Was soll das, warum sitzt du da mit trauermiene?"

"Padre, ich kann das nicht! Ich liebe ihn doch nicht..."

"wer redet denn davon dass du ihn lieben sollst? Du musst nett zu ihm sein! Wenn du es vermasselst dann blüht dir was!"

Wow, es ist Padre wirklich wichtig... Ich nicke, meinem Padre widerspricht niemand...

Zurück am Tisch zwinge ich mich dazu Senor Montoya anlächeln. Ich hoffe er merkt nicht dass ich innerlich gegen die Tränen kämpfe...

Als ich auf die Terrasse gehe um kurz durchzuschnaufen weil ich glaube es nicht mehr aushalten zu können steht er plötzlich hinter mir.

"Senor Montoya!" erschrecke ich mich.

"bitte nenn mich doch Antoine"

"Sie haben mich erschreckt"

"Entschuldige. Hast du einen Moment für mich?"

ich nicke nur.

"Marisa, ich weiss du bist nicht glücklich. Ich möchte dass du weisst dass ich dich zu nichts zwingen werde. Mein Gott, du bist noch so jung. Wenn du nicht willst werde ich nicht mehr kommen."

das ist nett von ihm, aber das bedeutet ja auch kein Geld für das Restaurant...

"Ich...also das alles ist eine ziemlich neue Situation für mich...Sie sind nett Senor - Ich meine Antoine"

"darf ich dich Morgen früh abholen? Ich würde gerne mit dir den Tag verbringen"

ich überlege und sehe wie nervös er plötzlich ist. Dann Stimme ich zu "okay"....

Marisas Geschichte Eine ZwangseheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt